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Klimakiller Beton Beton - Wege zu einer besseren Klimabilanz

Von: Sylvaine von Liebe, Bernd-Uwe Gutknecht

Stand: 06.01.2023

Beton ist modern, frei formbar und haltbar. Seine unschlagbaren Vorteile sind aber auch: Beton ist billig und das Material dafür fast überall ausreichend vorhanden. Was viele nicht wissen: Beton ist ein echter Klimakiller. Forscher entwickeln deshalb Ideen, wie man auch mit Beton künftig umweltfreundlicher bauen kann.

Riesiger Betonbau: Gropiushaus in Berlin-Neukölln. | Bild: picture-alliance/dpa/Bildagentur-online/Schoening

Schon die Römer bauten mit Beton. Anders wären ihre Großbauten, wie zum Beispiel der 120 n. Chr. fertiggestellte Kuppelbau des Pantheons, gar nicht realisierbar gewesen. Und auch in Zukunft führt an Beton als Baustoff kein Weg vorbei, darüber sind sich Experten weitgehend einig. Weil Beton, so wie er derzeit hergestellt wird, aber alles andere als klimafreundlich ist, suchen Forscher, die Industrie und die Politik nach Möglichkeiten, den robusten Baustoff künftig mit einer besseren Klimabilanz zu verbauen.

Klimakiller Beton: Neue Betonzusatzstoffe für die Zukunft

Die Definition: Was ist Beton?

Beton besteht aus Zement, Wasser und einer sogenannten Gesteinskörnung, das heißt Sand und Kies oder Kalksplitt. Foto: Abrissarbeiten eines Betonbaus aus den 1970er-Jahren in Schleswig. | Bild: picture-alliance/dpa/SULUPRESS.DE/ Foto: Torsten Sukrow

Beton ist vorwiegend ein Gemisch aus Zement, Wasser und Kies bzw. Kalksplitt.

Beton ist eine Mischung aus Zement, Wasser und sogenannter Gesteinskörnung, das sind die Anteile aus Sand, Kies oder Kalksplitt. Hinzu kommen laut Diplom-Ingenieur Alois Kress, der Sachverständiger für Beton ist und bei einem Zementwerk im mittelfränkischen Solnhofen arbeitet, noch Zusatzstoffe und Zusatzmittel. Ein Beton-Zusatzmittel ist zum Beispiel ein Betonverflüssiger, mit dem sich die Verarbeitbarkeit, das heißt die Konsistenz des Betons, einstellen lässt. Beton-Zusatzstoffe sind hingegen Fasern oder Flugasche, die bei der Verbrennung von Kohle in Kraftwerken entstehen.

Das Problem: Warum Beton so klimaschädlich ist

Produktion bei der Firma HeidelbergCement in Leimen - ein Bild aus dem Jahr 2006. | Bild: picture-alliance/dpa/Keystone/Jochen Zick

Vor allem die Herstellung von Zement, ein wesentlicher Bestandteil von Beton, verursacht jede Menge CO2-Emissionen.

Zur Herstellung von Zement, einem wichtigen Bestandteil von Beton, wird erst ein Gemisch aus Kalkstein und Ton extrem kleinteilig zu sogenanntem Mehl vermahlen und getrocknet. Anschließend werden die kleinen Kalkstein- und Tonteilchen bei etwa 1450 Grad im Ofen gebrannt. Diese Prozedur verursacht jede Menge klimaschädliche CO2-Emissionen. Allein in Deutschland fallen dadurch jedes Jahr etwa 20 Millionen Tonnen CO2 an. Weltweit sind es 2,8 Milliarden Tonnen CO2, die so entstehen. Das sind etwa acht Prozent der weltweiten CO2-Emmissionen.  Etwa ein Drittel der Emissionen wird durch das Anheizen der Brennöfen freigesetzt. Den größten Teil der CO2-Emissionen bei der Herstellung von Beton verursacht aber der Kalkstein. Beim Brand pro Tonne Zement setzt er rund 600 Kilogramm CO2 frei.

Die Geschichte: Seit wann gibt es Beton?

Der Begriff Beton, der vom altfranzösischen Begriff "betun" stammt und Mörtel bzw. Zement bedeutet, ist erstmals in einem Architektur-Buch des 18. Jahrhunderts erwähnt. Doch Beton, wie der Begriff in die deutsche Sprache übernommen wurde, gibt es schon viel länger. Bereits die Römer haben mithilfe von einem Gesteinsgemisch und Sand ihre Bauten verfestigt. Viele von ihnen existieren bis heute.

Ein internationales Forscherteam hat in einer Anfang Januar 2023 erschienenen Studie belegt, was genau den Beton der Römer so haltbar macht: Es sind die im Gesteinsgemisch enthaltenen puzzolanischen Materialien wie Vulkanasche aus der Gegend von Pozzuoli im Golf von Neapel, die den römischen Beton so festigen. Der Beton der Römer enthält winzige Kalkteilchen. Mithilfe einer spektroskopischen Untersuchung konnte das Forscherteam feststellen, dass der verwendete Kalk bei extrem heißen Temperaturen extra haltbar gemacht wurde. Das Heißmischen des Kalks führte zu einer chemischen Reaktion, die entstandene Risse wieder "heilt". Erst mit diesem speziellen Mörtel waren die Bauherren in der Lage, haltbare Rundbögen wie den 43 Meter Durchmesser umfassenden berühmten Kuppelbau des Pantheons zu bauen. Die Römer profitierten auch von einem weiteren Vorteil: Das Bauen mit Beton war im Vergleich zum Bauen mit Marmorblöcken, aus denen bis dahin Paläste und Tempel errichtet worden waren, viel billiger.

Der Kuppelbau des Pantheons in Rom mit einem Durchmesser von 43 Metern. Im Bild: Ein Blick in den Rundbau. Ohne Beton wäre er nicht realisierbar gewesen. | Bild: picture-alliance/dpa/Foto: Daniel Kalker

Der Kuppelbau des Pantheons in Rom aus dem Jahr 120 n. Chr. hält bis heute - dank der Verwendung von Mörtel, also kleinkörnigem Beton.

Mit Ende des Römischen Reiches, also um 476 n. Chr., wurden Häuser zunächst wieder vor allem aus Naturstein und Holz gebaut. Ein Revival des Betons gab es aber. Allerdings erst im 19. Jahrhundert, als englische Maurer in Portland aus Ton und Kalk Zement mischten. Deshalb heißt das klassische Gemisch von Ton und Kalkstein auch "Portlandzement".

Das Dilemma: Warum Beton unverzichtbar ist

Aus Beton gebaut: Moderne Fassade eines neu gebauten Hotels an der Ostsee bei Kolberg in Polen. | Bild: picture-alliance/dpa/Zoonar |HEIKO KUEVERLING

Bauherren setzen weiterhin auf Beton - die Vorteile des Baustoffs sind einfach unschlagbar.

Schon allein, weil Beton besonders haltbar, die Materialien dafür weltweit verfügbar und billig sind, ist Beton "aus unserer Welt nicht mehr wegzudenken" wie Peter Lukas, Diplom Ingenieur und Direktor für Nachhaltigkeit bei der Firma HeidelbergCement, sagt. Außerdem hat Beton noch weitere Vorteile: Er ist feuerresistent, einfach zu nutzen und schallschluckend.

Das Ziel: Auch mit Beton klimafreundlicher bauen - Ideen und Ansätze

Arbeiter an einer Großbaustelle mit Beton in Frankfurt am Main. | Bild: picture-alliance/dpa/Foto: Daniel Kubirski

Trotz Beton emissionsärmer bauen, das ist das Ziel, das die Industrie, die Forschung und die Politik erreichen wollen.

Die Vorteile von Beton nutzen, aber trotzdem umweltfreundlicher, das heißt vor allem emissionsärmer bauen, wie könnte das funktionieren? Diese Frage stellen sich seit geraumer Zeit Zementhersteller, Forschungseinrichtungen und Politiker.

Illustration der CO2-Abscheidung und Lagerung. | Bild: BR

Projekt der Zukunft? Mithilfe der sogenannten CSS-Technik will HeidelbergCement bis 2050 einen CO2-neutralen Beton anbieten.

Mithilfe des Projekts "Carbon Capture and Storage" (CSS) will zum Beispiel der Zementhersteller HeidelbergCement bis 2050 einen CO2-neutralen Beton anbieten.

Damit das gelingt, testet der Konzern die sogenannte CSS-Technologie, mit der das CO2, das bei der Herstellung von Zement entsteht, erst durch eine Flüssigkeit gebunden und anschließend wieder getrennt wird. Nach den Worten von Peter Lukas, Ingenieur bei HeidelbergCement, ließen sich so 99,9 Prozent des CO2 aus den bei der Verbrennung entstandenen Abgasen "herausnehmen" bzw. abtrennen. Kritiker bemängeln allerdings den enormen Energieverbrauch, der für diese Technik notwendig ist. Außerdem könnte das abgeschiedene, flüssige CO2, das unter der Erde gelagert wird, bei Lecks der Speicher die Böden und das Grundwasser verunreinigen, so ihre Befürchtung.

In die Jahre gekommene Salzbachtalbrücke im Rhein-Main-Gebiet aus Beton mit vielen Rissen. | Bild: picture-alliance/dpa/Sebastian Gollnow

Mikrorisse mithilfe "selbstheilendem Beton" wieder zu verschließen - daran forschen derzeit Wissenschaftler aus München.

An einer ganz anderen Stelle setzt ein Forschungsprojekt der Hochschule München an. Die Idee: Ein Beton, der seine Risse selbst repariert und dadurch noch länger hält. Man nutzt dazu Sporen, also spezielle Bakterien, die Kalkablagerungen erzeugen können. Diese Kalkablagerungen könnten Mikrorisse verschließen, erklärt Robert Huber, Professor für Wirtschaftsingenieurwesen an der Hochschule München, der an dem Projekt arbeitet. Wichtig dabei ist, Sporen zu verwenden, die über einen sehr langen Zeitraum – Jahrzehnte oder sogar Jahrhunderte - ohne Wasser und Nährstoffe auskommen können.

Abriss eines alten Betongebäudes mithilfe eines Baggers. | Bild: picture-alliance/dpa/Zoonar/Cylonphoto

Aus alt mach' neu: Geht es nach dem Willen der Politik, soll künftig mehr Recycling-Beton verwendet werden.

Und die Politik hat auch schon Rahmenbedingungen geschaffen, damit in Zukunft – trotz Beton – CO2-ärmer gebaut wird. Das Kreislaufwirtschaftsgesetz schreibt Städten und Gemeinden seit Herbst 2020 vor, künftig auch mit Recyclingbeton zu bauen, um die CO2-Emissionen zu verringern. Der Nachteil des Gesetzes ist aber: Bisher fehlen Sanktionen für denjenigen, der es missachtet.

Bauen: Nachteile von Beton und alternative Baustoffe

Die Alternativen: Klimafreundlicher bauen - ohne Beton

Für Beton gibt es im Bau auch Alternativen. Zum Beispiel Holz oder Ziegel aus Lehm. Im Bild: Baugerüst vor der Fassade eines Holzhauses | Bild: picture-alliance/dpa/Foto: Patrick Pleul

Es gibt klimafreundlichere Alternativen für Beton, wenn erneuerbare Energien genutzt werden.

Wenn Baumaterialien in Zukunft mit mehr erneuerbaren Energien produziert würden, könnten Bauherrn auf klimaschonendere Baustoffe setzen als auf Beton. Hier drei Beispiele, mit welchen Materialien das gelingen könnte.

Bauen mit Holz:

  • Die Vorteile: Holz ist zu 100 Prozent verwertbar. Was nicht verbaut wird, wie die Rinde oder Späne, nutzt zur Energiegewinnung - entweder direkt durch Verbrennen oder indirekt in Form von Pellets. Werden ältere Bäume in Wäldern gefällt, soll das den Ausstoß schädlicher Treibhausgase verhindern. Der Grund: Der natürliche Verrottungsprozess von Bäumen setzt CO2 frei. Der hohe Bedarf an Holz als Baustoff könne in Zukunft durch den klimagerechten Umbau und die Durchforstung der heimischen Wälder gedeckt werden, sagen Experten wie Hubert Röder, Professor an der Fakultät Wald und Forstwirtschaft der Hochschule Weihenstephan-Triesdorf.
  • Die Nachteile von Holz als Baustoff sind allerdings: Holz verliert bei Feuchtigkeit an Tragfähigkeit und fängt an, zu faulen. Außerdem braucht es zur ausreichenden Wärme- und Schalldämmung zusätzliches Material. Und: Holz ist leicht brennbar.

Bauen mit Stahl:

  • Die Vorteile: Stahl ist fest, bricht nicht plötzlich, sondern verformt sich vorher. Das ist ein Warnzeichen, das böse Überraschungen beim Bau verhindert. Stahl ist zudem dehnfähig, wasserundurchlässig und im Gegensatz zu Holz nicht brennbar. Ein Vorteil beim Bau von Fluchttreppenhäusern, für die es spezielle Bauvorgaben gibt. Außerdem kann man Stahl einschmelzen und auch wiederverwerten.
  • Die Nachteile von Stahl als Baustoff sind: Stahl ist schwer und neigt bei Wasserkontakt zu Korrosion. Außerdem wird Stahl schnell warm und eignet sich daher nicht als Dämmmaterial. Der größte Nachteil von Stahl ist aber seine Produktion. Stahl wird in Hochöfen hergestellt, wobei viel klimaschädliches CO2 freisetzt wird. Ein großer deutscher Stahlkonzern gibt an, Stahl bis 2050 nahezu klimaneutral herstellen zu wollen. Das soll mit aus Windstrom hergestelltem Wasserstoff gelingen. Der Wasserstoff soll den kohlenstoffhaltigen Brennstoff Koks ersetzen, der derzeit verwendet wird.

Bauen mit Tonziegeln:

  • Der vielleicht größte Vorteil: Lehm, der Rohstoff des Ziegels, ist hierzulande, aber vor allem in Südbayern durch die vielen Lehmgruben in Hülle und Fülle vorhanden. Zudem sind Ziegel vielseitig einsetzbar und vollständig recycelbar.
  • Der größte Nachteil von Tonziegeln aus ökologischer Sicht ist ihre energieintensive Herstellung. Aber auch hier sollen in Zukunft regenerative Energien eingesetzt werden, um Ziegel nahezu klimaneutral produzieren zu können.

Sendungen zum Thema: Beton und Baumaterialien