Tutanchamun Die Geheimnisse um den jungen Pharao

Von: Simone Peer

Stand: 02.10.2024

Howard Carter machte am 4. November 1922 die Entdeckung seines Lebens: Er fand die reich ausgestatteten Grabkammern Tutanchamuns samt seiner Mumie. Viele Geheimnisse nahm Tutanchamun mit ins Grab, doch einige konnten gelüftet werden.

Tutanchamuns goldene Maske. Der junge Pharao Tutanchamun ist die Ikone des Alten Ägypten. Die Entdeckung seiner Grabkammer, seiner Mumie mit der Goldmaske und den wertvollen Grabschätzen durch den Archäologen Howard Carter machten ihn weltberühmt. | Bild: picture alliance/dpa/Sven Hoppe

Howard Carter: Entdecker einer archäologischen Sensation

16.02.1923: Grabkammer Tutanchamuns geöffnet

Es war eine archäologische Weltsensation, die der britische Archäologe Howard Carter mit der Entdeckung des Grabes von Pharao Tutanchamun im November 1922 machte. Geboren wurde Carter am 9. Mai 1874 in London. Er wurde Zeichner und arbeitete für das Britische Museum. Dort erkannte man sein Talent und nahm den erst 17-Jährigen mit zu Ausgrabungen nach Ägypten. Hier verbrachte Howard Carter den größten Teil seines Lebens, arbeitete als Zeichner, Übersetzer, Händler, sammelte Erfahrungen bei archäologischen Ausgrabungen und beschäftigte sich mit der ägyptischen Kultur. Er kopierte Reliefs, Malereien und Hieroglyphen, die er auch lesen konnte. 1899 wurde Carter zum Oberinspektor der Altertümerverwaltung in Oberägypten und Nubien ernannt. Carter beaufsichtigte Ausgrabungen an bedeutenden Gräbern, wie das von Pharao Thutmosis IV. und Königin Hatschepsut.

Howard Carter wurde Grabungsleiter unter Lord Carnavon, der 1914 die Grabungslizenz für das Tal der Könige erhielt. Am 4. November 1922 fanden Howard Carter und seine Arbeiter tatsächlich das Grab von Tutanchamun. Lord Carnavon kümmerte sich bis zu seinem Tod am 5. April 1923 um den Medienhype, Carter um die wissenschaftliche Aufbereitung. Nach Konflikten mit der ägyptischen Regierung profitierten weder Howard Carter, noch Lady Carnavon, die die Grabungslizenz von ihrem Mann übernommen hatte, finanziell von der Entdeckung Tutanchamuns. Der gesamte Grabschatz wurde Eigentum der ägyptischen Regierung.

Howard Carter konnte sich mit seiner plötzlichen Berühmtheit nie anfreunden. Es gab auch Kritik, er hätte Fundstücke aus Tutanchamuns Grab entwendet und nicht katalogisiert. Er lebte zurückgezogen, verlor bald das Interesse an wissenschaftlichen Publikationen und verdiente seinen Lebensunterhalt mit Vorträgen. Howard Carter starb im Alter von 64 Jahren am 2. März 1939 in London an Krebs.

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Zu sehen sind in Glaskammern ausgestellte Mumien. Journalisten sind um die Mumien herum versammelt. Der junge Pharao Tutanchamun ist die Ikone des Alten Ägypten. Die Entdeckung seiner Grabkammer, seiner Mumie mit der Goldmaske und den wertvollen Grabschätzen durch den Archäologen Howard Carter machten ihn weltberühmt. | Bild: picture alliance/dpa/Mike Nelson

Wer gehörte zur Familie von Pharao Tutanchamun?

Seit der Entdeckung seines Grabes im November 1922 wurden die Mumie von Tutanchamun und das kurze Leben des Kindkönigs wissenschaftlich untersucht, doch auch nach 100 Jahren Forschung liegt noch Vieles im Dunkeln. Was man bislang weiß: Tutanchamun, sein ursprünglicher Name war Tutanchaton, wurde während der Herrschaft von König Echnaton in der späten 18. Dynastie Ägyptens, die etwa von ca. 1550 bis 1295 v. Chr. dauerte, geboren. Tutanchamun wurde als Kind im Alter von nur neun Jahren Pharao und starb bereits mit 19 Jahren.

Tutanchamuns Verwandtschaftsverhältnisse sind noch nicht vollständig geklärt. 2008 entnahm ein Team von Wissenschaftlern Knochen- und Gewebeproben von Tutanchamun und weiteren Mumien, die als Könige der damaligen Zeit bekannt waren. Sie hofften, Tutanchamuns Stammbaum rekonstruieren zu können. Den Ergebnissen dieser Untersuchungen schließen sich bis heute die meisten Archäologen an. Sie zeigten: Sein Vater war die Mumie aus Grab mit der Nummer KV55, die als König Echnaton identifiziert wurde. Und Tutanchamuns Mutter war die Mumie aus Grab KV35, bekannt als "Younger Lady". Das Team berichtete, es sei zudem sicher, dass es sich bei Tutanchamuns Großeltern um König Amenophis III. und seine Ehefrau Teje handelte.

Es gibt jedoch auch Kritik von Wissenschaftlern an den damaligen Untersuchungsergebnissen. Neuere Analysen zweifeln sie an. Dass Tutanchamun eine genetische Übereinstimmung mit König Echnaton hat, gilt jedoch als sicher: Echnaton und Tutanchamun sind miteinander verwandt. Doch war König Echnaton auch wirklich sein Vater? Und wer war demnach seine Mutter? Der Ägyptologe Prof. Dr. Tarek Sayed Tawfik: "Das ist immer noch ein großes Problem, dass wir nicht wissen, wer seine Mutter genau war. Wir wissen durch DNA-Analysen, dass Tutanchamun ein Verwandtschaftsverhältnis zu Echnaton hatte. Es wurde früher oft gesagt, dass Echnaton sein Vater war, aber wahrscheinlich ist es nicht so. Wahrscheinlich war die Mutter von Tutanchamun die älteste Tochter von Echnaton. (…) Und der Vater war vermutlich Prinz Thutmosis, ein Bruder von Echnaton." Nach dieser These hatte König Echnaton keine eigenen männlichen Nachkommen, Thutmosis war vor Echnatons Krönung bereits verstorben. Und so kam nach Echnatons Tod der junge Tutanchamun auf den Thron.

Liebevolle Beziehung: Tutanchamuns Ehe mit Anchesenamun

Eine künstlerische Darstellung, die Tutanchamun und seine Ehefrau Anchesenamun in liebevoller Geste miteinander zeigt. Der junge Pharao Tutanchamun ist die Ikone des Alten Ägypten. Die Entdeckung seiner Grabkammer, seiner Mumie mit der Goldmaske und den wertvollen Grabschätzen durch den Archäologen Howard Carter machten ihn weltberühmt. | Bild: picture alliance/AA|Manuel Dorati

Dem Ehepaar Tutanchamun und Anchesenamun wird eine innige Beziehung nachgesagt.

Schon als Kind wurde Tutanchamun verheiratet. Seine Gattin Anchesenamun war ebenfalls ein Kind, als die beiden heirateten. Wissenschaftler vermuten, dass Anchesenamun eine Verwandte von Tutanchamun gewesen sein könnte. Prof. Dr. Tarek Sayed Tawfik, Ägyptologe: "Es ist die Frage, ob Anchesenamun seine Halbschwester war oder nicht, aber sie kann eine Verwandte sein. Bis heute ist die Heirat von Verwandten in Ägypten gängig, das wird also nicht als Inzucht angesehen. Jedoch gab es einige wenige Fälle in der alten ägyptischen Geschichte, wo es tatsächlich Hochzeiten mit Geschwistern gegeben hat. Hauptsächlich um die Machtübergabe und das Weiterleben dieser Dynastie zu sichern."

Zeichnungen, die in Tutanchamuns Grab gefunden wurden, lassen vermuten, dass sich Tutanchamun und Anchesenamun sehr nahe waren und sich wahrscheinlich wirklich liebten. Damals war das eher eine Ausnahme. Königliche Ehen wurden nicht aus romantischen Gefühlen geschlossen, sondern meist nach rationalen Kriterien. Ein glückliches Familienleben war dem jungen Paar jedoch nicht vergönnt, lebende Nachkommen konnten Tutanchamun und Anchesenamun nicht zeugen. Zwei weibliche Föten wurden mit Tutanchamun in seiner Grabkammer bestattet, es waren seine Töchter. Anchesenamun gebar sie als Früh-, beziehungsweise als Totgeburten.

Keine Nachkommen: Tutanchamun blieb kinderlos

"Dass die beiden Töchter mit Tutanchamun begraben wurden, ist ungewöhnlich. Interessanterweise ist es aber bis heute in Ägypten so, dass ein Kind, das frühzeitig oder tot geboren wird, mit den Erwachsenen der Familie zusammen bestattet wird. Im Fall von Tutanchamun kennen wir keine vergleichbaren Fälle in der altägyptischen Geschichte. (…)
Der Tod dieser beiden Prinzessinnen im fünften und siebten Monat, das muss für das Paar traumatisch gewesen sein. Und es wird auch ein Zeichen dieser liebevollen Beziehung zwischen den beiden sein, dass Tutanchamun beschließt, die beiden Früchte dieser Beziehung mit in sein Grab zu nehmen."

Prof. Dr. Tawfik, Ägyptologe, Associate Professor an der Archäologischen Fakultät der Universität Kairo und ehemaliger Direktor des 'Grand Egyptian Museum'.

Der junge Pharao: Tutanchamuns Regentschaft

Eine goldene Statue von Tutanchamun. Der junge Pharao Tutanchamun ist die Ikone des Alten Ägypten. Die Entdeckung seiner Grabkammer, seiner Mumie mit der Goldmaske und den wertvollen Grabschätzen durch den Archäologen Howard Carter machten ihn weltberühmt. | Bild: picture-alliance/akg-images/François Guenet

Tutanchamun wurde mit nur neun Jahren plötzlich König. Trotz seines jungen Alters war er wohl ein angesehener Pharao.

Wo Tutanchamun seine Kindheit verbrachte, ist nicht genau bekannt, vielleicht in der neu gegründeten Kultstadt von König Echnaton, in Tell El-Amarna. Die Stadt befand sich rund 300 Kilometer südlich von Kairo, heute ist sie eine archäologische Fundstätte. Echnaton galt als exzentrischer Visionär. Er ließ den Königshof von Theben rund 300 Kilometer nördlich nach Tell El-Amarna umziehen und taufte die Stadt Achet-Aton ("Horizont des Sonnengottes"). Echnaton wandte sich von Amun und den anderen offiziellen Göttern ab und betete stattdessen Aton an - eine altägyptische Gottheit, die in ihrer Erscheinung als Sonnenscheibe verehrt wurde. Gemeinsam mit seiner Hauptfrau Nofretete diente Echnaton Aton als Hohepriester. Auch der junge Tutanchamun wurde mit diesem Glauben erzogen. Anderen Göttern zu huldigen, verbat Echnaton den Ägyptern zu deren Missfallen.

In seiner Kindheit liebte es Tutanchamun, Bogen zu schießen und zu jagen, das belegen viele Zeichnungen in seinem Grab, in dem auch etliche Bögen und Pfeile geborgen wurden. Mit seiner unbeschwerten Kindheit war es allerdings vorbei, als König Echnaton starb und Tutanchamun mit nur neun Jahren neuer Pharao wurde. Auf den Kindkönig kamen nun viele Pflichten zu. Doch Tutanchamun wurde als Prinz auf diesen Moment vorbereitet. Er lernte unter anderem die Hieroglyphenschrift, Geographie, Mathematik und die Weltsprachen seiner Epoche.

Es ist nicht belegt, wie viel Macht Tutanchamun als Regent selber hatte. Er hatte auf jeden Fall mehrere hohe Beamte an seiner Seite, die ihn berieten und die Geschäfte im Land in die Hand nahmen. Seine prunkvollen Grabbeigaben zeigen jedoch, dass er trotz seiner recht kurzen Regentschaft, und obwohl er als Kind auf dem Thron war, das Ansehen eines Pharaos hatte. Es wurde offenbar alles standesgemäß für ihn zu seinen Lebzeiten als Pharao und nach seinem Tod auch für seine Reise in die Unterwelt getan. Experte Tarek Sayed Tawfik erklärt: "Zu Beginn war er wahrscheinlich eher eine Marionette seiner Berater, weil er noch ein Kleinkind war, das noch keine eigenen Entscheidungen fällen konnte. Aber als er dann in das Teenageralter kam, zwischen 13 und 17 Jahren, das ist ja ein rebellisches Alter bei Jugendlichen, da kann ich mir vorstellen, dass er ab dieser Zeit auch seine eigene Meinung mit ins Spiel gebracht hat. Da ist dann die Frage, ob seine eigene Meinung immer mit der Meinung seiner Berater übereingestimmt hat oder nicht. War das ein Grund für seinen verfrühten Tod?"

Tutanchamuns größter Verdienst als Pharao war die Abkehr von den radikalen religiösen Reformen von König Echnaton, die das Land destabilisierten. Während der ersten beiden Jahre seiner Amtszeit verließen Tutanchamun und Anchesenamun, die ihn unterstützte, Amarna. Das junge Paar wandte sich von Echnatons Glauben an Aton ab, kehrte zurück nach Theben und erneuerte seine Verbundenheit mit dem Amun-Kult. Die beiden änderten ihre Namen von ursprünglich Tutanchaton („lebendes Abbild des Aton“) und Anchesenpaaton in Tutanchamun und Anchesenamun und ließen die Tempel und Heiligtümer der zuvor verbotenen Götter erneuern und vergrößern. Tutanchamun selbst besuchte den Tempel regelmäßig und huldigte Amun. Durch die Rückkehr zum alten Glauben erhielten die Priester ihre Macht zurück und auch das ägyptische Volk war wieder zufrieden.

Tutanchamuns Verdienst: Die Rückkehr zum alten Glauben

"Obwohl Tutanchamun nur kurz regierte, macht seine Regentschaft einen großen Unterschied in der ägyptischen Geschichte aus. Vielmehr, als diesem König normalerweise nachgesagt wird."

Prof. Dr. Tarek Sayed Tawfik ist Ägyptologe, Associate Professor an der Archäologischen Fakultät der Universität Kairo und ist ehemaliger Direktor des 'Grand Egyptian Museum'.

Tutanchamuns plötzlicher Tod: Warum starb der junge Pharao so früh?

Eine Replik von Tutanchamuns goldenem Sarkophag liegt in einer Glaskammer. Der junge Pharao Tutanchamun ist die Ikone des Alten Ägypten. Die Entdeckung seiner Grabkammer, seiner Mumie mit der Goldmaske und den wertvollen Grabschätzen durch den Archäologen Howard Carter machten ihn weltberühmt. | Bild: picture alliance/dpa Uwe Anspach

Starb der junge Pharao Tutanchamun an einer Krankheit, nach einem Unfall - oder war es Mord?

Nach nur etwa zehn Jahren an der Macht kam Tutanchamun im Alter von 19 Jahren ums Leben. Doch warum? Fest steht: Tutanchamun war nicht bei bester Gesundheit. Zeichnungen in seinem Grab zeigen ihn oft sitzend, sogar beim Bogenschießen, und auch über 100 Gehstöcke lagen in seinem Grab. Den Kindkönig plagten offenbar schon in jungen Jahren einige Leiden, die wohl besonders seine Beine betrafen. Wissenschaftler vermuten, dass er unter einer Knochenkrankenheit litt und einen leichten Klumpfuß hatte. Sowohl der Klumpfuß als auch die Knochenkrankheit könnten Tutanchamun beim Gehen eingeschränkt haben, doch tödlich war beides nicht. Tutanchamun war auch mit Malaria infiziert, wie sich bei DNA-Untersuchungen herausstellte.

Die genauen Umstände seines Todes beschäftigen Wissenschaftler auf der ganzen Welt. Vielleicht kämpfte er mit weiteren gesundheitlichen Problemen? Vielleicht war ein schwerer Malariaanfall der Grund für seinen plötzlichen Tod? Auch die These, Tutanchamun sei ermordet worden, ist laut dem Ägyptologen Tarek Sayed Tawfik nicht restlos widerlegt.

Starb Tutanchamun nach einem Sturz vom Streitwagen?

Forscher aus Südafrika haben die CT-Scans von Tutanchamuns Knochen 2023 erneut untersucht. Sie vermuten, dass der junge Pharao durch einen Unfall starb. Ihre Annahme basiert auf einem komplizierten Bruch des linken Oberschenkels, den sich Tutanchamun unmittelbar vor seinem Tod zugezogen haben muss. Eine solch offene Fraktur passiere, wenn viel Wucht im Spiel sei. Tutanchamun könnte vom Streitwagen gefallen sein und sich den Oberschenkel gebrochen haben. Vermutlich habe er dabei auch ein Trauma des Brustkorbs mit Rippen- und Brustbeinfrakturen sowie Quetschungen von Herz und Lunge erlitten. Der komplizierte Bruch könne durch großen Blutverlust oder auch eine anschließende Infektion der Wunde zum Tod geführt haben. Der Befund passt zu den Schätzen, die man in Tutanchamuns Grabkammer gefunden hat. Die Streitwagen, die vielen Gehstöcke, der Klumpfuß und die Abbildung von Tutanchamun mit Pfeil und Bogen sind für die Wissenschaftler Hinweise darauf, dass der gehbehinderte Tutanchamun den Streitwagen gerne als Fortbewegungsmittel nutzte.

Die Todesursache: Der Zustand von Tutanchamuns Mumie erschwert die Untersuchungen

"Was auffällig ist, ist dass die Mumie insgesamt relativ schlecht erhalten ist, sie ist sehr stark beschädigt, zum Teil wegen der Ausgrabungen und zum Teil wegen der Mumifizierung. (…) Weil der Erhalt der Mumie so schlecht ist, ist eine definitive Todesursache fast unmöglich zu benennen, weil auch Teile der Mumie und auch gewisse Organe fehlen. Man kann nur Vermutungen anstellen. Aus meiner Sicht ist das Wahrscheinlichste: ein Bruch im Bereich des linken Knies mit entsprechenden Konsequenzen, die zu seinem Tod geführt haben."

Prof. Dr. Dr. med. Frank Rühli leitet das Institut für Evolutionäre Medizin der Universität Zürich. Er analysierte die Scans von Tutanchamuns Mumie erstmals 2005 und forscht weiterhin an Tutanchamun.

Einbalsamierung: Rätsel um Tutanchamuns Mumie

Zu sehen ist der Kopf von Tutanchamuns Mumie. Der junge Pharao Tutanchamun ist die Ikone des Alten Ägypten. Die Entdeckung seiner Grabkammer, seiner Mumie mit der Goldmaske und den wertvollen Grabschätzen durch den Archäologen Howard Carter machten ihn weltberühmt. | Bild: picture alliance/Photoshot

Tutanchamuns Mumie weist einige Anomalien auf.

Die Ägypter glaubten, dass der Tod eines Menschen nicht sein Ende war, sondern dass der Geist im Jenseits weiterlebte. Hier sollte der Geist den Körper wiederfinden, deshalb konservierten die Ägypter Verstorbene, indem sie sie mumifizierten. Nicht nur Pharaonen wurden mumifiziert, sondern auch einfachere Bürger, diese allerdings deutlich weniger aufwendig und kostenintensiv, und auch einige Tiere, wie zum Beispiel Katzen und Hunde.
Ganz erforscht sind die Mumifizierungstechniken der rund 3.000 Jahre lang währenden ägyptischen Hochkultur noch nicht. Was bisher bekannt ist: Die Mumifizierung erfolgte nach einem bestimmten Ritual. Es dauerte in der Regel 70 Tage, bis der Verstorbene für die Bestattung hergerichtet war. Zuerst wurde der Leichnam gewaschen und die Eingeweide bis auf das Herz entnommen. In den ersten 40 Tagen entwässerten und trockneten die Bestatter die Leiche und die Organe - die in einem eigenen Gefäß, sogenannten Kanopen, bestattet wurden - durch die Beigabe von Natron.

In den 30 Tagen darauf wurde der Körper noch einmal gewaschen, mit Ölen eingerieben sowie Harze und Fette aufgetragen. Anschließend wurde der Leichnam unter anderem mit Leinen- und Natronpäckchen, Gewürzen, Samen und Flechten ausgestopft. Den Füllstoffen schrieben die Ägypter nicht nur einen guten Geruch, sondern auch eine konservierende Wirkung zu. Welche chemischen Reaktionen die Substanzen an den Körpern der Toten genau hervorgerufen haben, ist bisher jedoch noch nicht bekannt. Einige Körperteile wie Nägel oder die Augen wurden gesondert präpariert und der Einschnitt im Bauch, durch den die Organe entnommen wurden, geschlossen. Zum Schluss bandagierten die Bestatter die Mumie, dabei sangen Priester Zaubersprüche und legten magische Amulette auf der Mumie ab. Sie hatten eine spezielle Schutzfunktion. 

Welche Substanzen genau bei der Einbalsamierung der Toten verwendet wurden, untersuchten Wissenschaftler der Universität Tübingen und der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) München im Jahr 2022. In der Stadt Sakkara nahe Kairo hatte ein deutsch-ägyptisches Forscherteam bereits 2016 eine Balsamierungswerkstatt für Mumien aus dem 7. und 6. Jahrhundert v. Chr. entdeckt. Die Balsamierungswerkstatt hatten die Ägypter vor fast 3.000 Jahren unterirdisch angelegt, mit ausgeklügelter Luftzufuhr, Ablaufrinnen für Körperflüssigkeiten und eigenen Grabkammern. Hier fanden die Forscher auch Öl- und Salbgefäße. In einem Labor in Kairo konnte Professor Philipp Stockhammer von der LMU mit seinen Kollegen den Inhalt entschlüsseln. Die Gefäße enthielten unter anderem Zedernöl und Pistazienharz sowie Hinweise und Handlungsanweisungen, wann und an welchem Körperteil die Substanzen während der Einbalsamierung verwendet werden sollten. Die Wissenschaftler entschlüsselten auch, dass eine Substanz namens Antiu, die bislang immer mit Weihrauch oder Myrrhe übersetzt wurde, aus einer Mischung aus Zedernöl, Wacholder- oder Zypressen-Öl sowie einem tierischen Fett bestand.
Die Forscher konnten nachweisen: Viele Substanzen, die zur Einbalsamierung verwendet wurden, stammten gar nicht aus Ägypten: Zedernöl und Pistazienharz kamen aus dem Ostmittelmeerraum, einige Harze sogar aus dem tropischen Afrika und Südostasien. Für die Wissenschaftler ein Zeichen dafür, wie globalisiert die Welt bereits damals war und wie viel Aufwand die Ägypter in das Leben nach dem Tod investierten.

Soweit die Tradition. Tutanchamuns Mumie wies jedoch einige Besonderheiten auf: Ihr fehlte zum Beispiel das Herz, was für eine Mumie unüblich war. Außerdem wurde Tutanchamuns Penis in einem 90 Grad Winkel einbalsamiert - die einzige Mumie, an der dieses Begräbnisritual bisher festgestellt werden konnte. Wissenschaftler vermuten, dass dies an den verehrten Totengott und Gott der Widergeburt Osiris erinnern sollte.

Tutanchamuns Mumie: Eine Erinnerung an Osiris?

"Zu Zeiten von König Echnaton gab es keinen klaren Jenseitsglauben. Eine der Haupterrungenschaften von Tutanchamun ist es, dass er nicht nur den Gott Amun wieder zu Ruhm bringt, sondern auch den Jenseitsglauben wieder zurückholt. Und der Jenseitsglaube ist sehr stark mit dem Totengott Osiris verbunden. Und wenn er hier als Osiris dargestellt wird - und die Idee mit dem aufgerichteten Penis hat mit der Idee der Wiedergeburt zu tun - dann ist also der gesamte Jenseitsglaube wiederhergestellt."

Prof. Dr. Tarek Sayed Tawfik ist Ägyptologe, Associate Professor an der Archäologischen Fakultät der Universität Kairo und ehemaliger Direktor des 'Grand Egyptian Museum'.

Kostbare Grabschätze: Tutanchamuns Dolch aus dem Weltall

Ein Dolch aus der Grabkammer Tutanchamuns. Der junge Pharao Tutanchamun ist die Ikone des Alten Ägypten. Die Entdeckung seiner Grabkammer, seiner Mumie mit der Goldmaske und den wertvollen Grabschätzen durch den Archäologen Howard Carter machten ihn weltberühmt. | Bild: picture alliance/dpa | The Egyptian Museum of Cairo

Neue Untersuchungen zeigen, aus welcher Art von Meteoriten die Klinge von Tutanchamuns Dolch gemacht ist.

Der Brite Howard Carter fand 1922 in Tutanchamuns Grabkammern neben der Mumie des jungen Pharaos rund 5.400 Grabbeigaben: darunter zum Beispiel Tiere und Statuen aus Gold, aufwendige Schnitzereien, seine berühmte goldene Maske, Kleidung, Schuhe, Betten, Gehstöcke, Bögen, Pfeile, einen kleinen Thron, Streitwägen und auch einen sehr wertvollen Dolch.

Schon vor einigen Jahren stand fest, dass die Klinge dieses Dolchs von Meteoriten aus dem Weltall stammt. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler vom "Chiba Institute of Technology in Japan" haben die Waffe erneut untersucht und berichteten 2022 im Fachblatt "Meteoritics & Planetary Science" über ihre Erkenntnisse.

Für ihre Untersuchungen legten sie den Dolch im Ägyptischen Museum in Kairo unter eine Fotokamera, sowie unter ein spezielles Röntgengerät, um die Verteilung der Elemente auf der Oberfläche der Klinge zu untersuchen. Dabei fanden sie sogenannte Widmanstätten-Strukturen, die typisch für Oktaedrite, die häufigste Gruppe von Nickel-Eisenmeteoriten, sind. Damit konnten die Wissenschaftler zum ersten Mal die Art des Meteorits, aus dem die Klinge des Dolchs gemacht ist, nachweisen. Die Forscher fanden auch heraus, dass die Klinge bei Temperaturen von unter 950 Grad Celsius geschmiedet wurde. Die Untersuchungen lieferten ebenfalls einige Hinweise zur Herkunft des Dolchs: Der goldene, edelsteinbesetzte Griff kann nicht aus Ägypten stammen. Die Diamanten auf dem Griff wurden mit Kalkputz angebracht, einem Material, das in Ägypten erst viel später verwendet wurde. Die japanischen Wissenschaftler vermuten deshalb, dass der Dolch möglicherweise das Geschenk eines fremden Herrschers war, das dann zum Familienerbstück wurde. Der Dolch soll erstmalig zusammen mit den rund 5.400 Grabbeigaben von Tutanchamun im neuen "Grand Egyptian Museum" bei den Pyramiden von Gizeh ausgestellt werden.

Sendungen: Tutanchamun und sein Entdecker Howard Carter