Wernher von Braun Raumfahrtpionier und Diener der Nazis
Wernher von Braun war Raketenkonstrukteur und gehörte zu den Menschen, die den ersten bemannten Mondflug möglich machten. Doch er arbeitete auch für das NS-Regime und entwickelte die V2-Rakete, die Tausenden den Tod brachte.
Am 2. Mai 1945 stellt sich das SS-Mitglied Wernher von Braun, Raketenkonstrukteur und Technischer Direktor der Heeresversuchsanstalt Peenemünde, im bayerischen Oberjoch der US-Armee. Der Mann hat in der geheimen Raketenschmiede in Peenemünde Hitlers "Vergeltungswaffe 2" entwickelt, die als V2 ab September 1944 Tod und Zerstörung vor allem über London und Südengland bringt. Zugleich ist es die erste Rakete, die mit einer Flughöhe von 84,5 Kilometern die Grenze des Alls erreicht.
In den USA weitermachen, wo er bei den Nazis aufhört
Im Frühjahr 1946 folgt Wernher von Braun mehr als hundert Raketen-Entwicklern und einigen erbeuteten V2-Raketen in die USA, die bereits im Jahr zuvor dorthin verschifft worden waren. Statt Gefängnis und Entnazifizierung blickt der militärische Know-How-Träger des Dritten Reiches nun einer glänzenden Zukunft auf der anderen Seite des Atlantiks entgegen, fortan im Dienste der USA. Im Land der unbegrenzten Möglichkeiten kann der Raketenforscher nach einer Schamfrist und im Kalten Krieg dort weitermachen, wo er im Nazideutschland aufgehört hat.
Mit ehemaligen Kollegen konstruiert er die "Redstone", die weltweit erste atomar bestückte Mittelstreckenrakete. Die Amerikaner scheinen kein Problem mit der Vergangenheit des deutschen Raketenentwicklers zu haben, der Mitglied der NSDAP und der SS war. 1955 erhält er sogar die amerikanische Staatsbürgerschaft, obwohl die geltenden Gesetze dagegen sprechen.
Grundstein für bemannten Mondflug gelegt
Ein Jahr nach Gründung der US-Raumfahrtbehörde NASA im Jahr 1958 wird von Braun Direktor des George C. Marshall Space Flight Centers in Huntsville, Alabama. Damit steht er an der Spitze des Entwicklerteams der Saturn-Trägerraketen und legt somit den Grundstein für den ersten bemannten Mondflug 1969. 1970 – sieben Jahre vor seinem Tod – wird er Planungsdirektor der NASA.
Erst spät bekommt von Brauns Image Risse
Zur Person:
1912: Geboren am 23. März in Wirsitz, heute Wyrzysk, Polen
1933: Eintritt in die SS
1937: Leiter der Heeresversuchsanstalt Peenemünde
1943: Die V2 geht in die Massenproduktion
1945: Übersiedelung in die USA
1947: Ehe mit Maria von Quistorp, drei Kinder
1955: Amerikanische Staatsbürgerschaft
1960: Direktor des "Marshall Space Flight Center" in Huntsville
1970: Vize der NASA-Planungsabteilung
1977: Verstorben am 16. Juni in Alexandria, Virginia
Zeitlebens steht Wernher von Braun auf der Seite der Mächtigen, er selbst kommentiert sein Wirken in erstaunlicher Offenheit: "Mein Land hat zwei Kriege verloren. Diesmal möchte ich auf der Seite der Sieger stehen." Erst in den 1990er Jahren bekommt das lange gepflegte Bild von seinen unpolitischen Weltraumvisionen durch Recherchen des Kanadiers Michael J. Neufeld und des deutschen Politikwissenschaftlers Rainer Eisfeld größere Risse.
Neufeld, der zwei Biografien über von Braun verfasst hat, schreibt, bei der Produktion der V2-Rakete "starben mehr Menschen als durch ihren militärischen Einsatz". Die Zahl der durch Einschläge der V2 getöteten Opfer wird auf 5.000 geschätzt. Im Konzentrationslager Mittelbau-Dora in Thüringen sollen beim Bau der Waffe zwischen 12.000 und 20.000 Zwangsarbeiter und KZ-Häftlinge gestorben sein.
Persönlich KZ-Häftlinge ausgesucht
Die Ausstellung will die Legende widerlegen, dass von Braun nichts vom Schicksal der KZ-Zwangsarbeiter gewusst hätte ...
Von Braun leugnet, von den unmenschlichen Bedingungen gewusst zu haben, unter denen KZ-Häftlinge in den Stollen von Mittelbau-Dora die V2 zusammenschrauben müssen. "Ich möchte nachdrücklich feststellen, dass ich während meiner Besuche nie einen Gefangenen sah", erklärt er. Entgegen dieser Behauptung habe sich von Braun sogar persönlich KZ-Häftlinge ausgesucht, sagt Historiker Eisfeld, der Autor von "Mondsüchtig – Die Geburt der Raumfahrt aus dem Geist der Barbarei".
Der ehemalige Häftling Adam Cabala erinnert sich an Wernher von Braun, wie er bei einer seiner vielen Inspektionsreisen in das thüringische Bergwerk ungerührt an den Bergen von Toten vorüberschreitet: "Wernher von Braun ging daran vorbei, so nahe, dass er die Leichen fast berührte."