Schiffskatastrophe Die letzten Nacht auf der Titanic
Die Titanic rammt am 14. April 1912 einen Eisberg und sinkt nahe Neufundland. Das als unsinkbar geltende Schiff reißt knapp 1.500 Menschen mit in den Tod. Seitdem schlummert der Luxusdampfer mitsamt seiner letzten Geheimnisse auf dem Grund des Atlantiks.
Dreimal läutet der Ausguck Frederick Fleet am 14. April 1912 gegen 23:40 Uhr die Alarmglocke: "Eisberg, direkt voraus!" Die Titanic dreht, doch sie ist auf ihrer Reise von Southampton nach New York zu schnell unterwegs und dem kalten Koloss schon zu nahe gekommen: Mit voller Reisegeschwindigkeit schrammt sie steuerbords am Eisberg entlang.
Titanic: Das Schiffsunglück kam ohne Vorwarnung
Zur gleichen Zeit liest der 35-jährige Lawrence Beesley, Augenzeuge und Überlebender des Schiffsunglücks, in seiner Kajüte. "Kein krachendes Geräusch", "kein Misston, wie er sein könnte, wenn sich zwei schwere Körper treffen", einfach nichts bereitet ihn und die rund 2.200 anderen Passagiere sowie Besatzungsmitglieder auf die bevorstehende Katastrophe vor. Die Maschinen werden gestoppt und die Titanic liegt scheinbar friedlich auf der Wasseroberfläche, die See ruhig wie ein Binnengewässer. Doch die Stille trügt.
19. April 1912: Der Untergang der Titanic wird untersucht
Die Titanic ist nicht unsinkbar wie beworben
Die Titanic ist leckgeschlagen, sechs ihrer 16 wasserdichten Segmente werden geflutet, der Bug beginnt sich zu senken. Das Meer bahnt sich den Weg durch Bullaugen, Ladeluken und Lüftungsschächte. Das Vorderteil des Schiffs taucht immer weiter ins Wasser. Um Mitternacht lässt Kapitän Edward John Smith den ersten Notruf absetzen, befiehlt, die Rettungswesten anzulegen und die Rettungsboote klarzumachen.
Titanic: Das Schiff ist ein schwimmender Palast
Die Titanic war 269 Meter lang, 28 Meter breit, 53 Meter hoch und mit bis zu 60.000 PS rund 39 Kilometer pro Stunde schnell.
Zwischen den Eichenfußböden und Glaskuppeln war - zumindest in der ersten Klasse - alles vom Feinsten: Neben den luxuriösen Suiten und den stilvollen Rauch- und Speisesälen gab es ein beheiztes Schwimmbad, ein türkisches Bad, einen Gymnastikraum samt elektrischem Pferd und Kamel, eine mehrstöckige Squash-Anlage - und natürlich das Promenadendeck, auf dem die Reichen und Schönen zu flanieren pflegten.
Bis zu 4.350 US-Dollar ließen sich die Passagiere, darunter auch die vier reichsten Männer der Welt, die Fahrt kosten.
Wie ist die Titanic gesunken?
Ab 0:45 Uhr tauschen die ersten Passagiere den luxuriösen, "unsinkbaren" Stahlgiganten gegen ein kleines, wackliges Holzboot. Aus einiger Entfernung schauen sie zurück auf die "Schönheit der Schiffslinien und Lichter", wie Beesley erzählt - und erst dann offenbart sich ihnen der schreckliche Winkel, in dem die Titanic bereits liegt.
"In diesem Augenblick gab es einen Lärm, den viele Leute, ich glaube fälschlicherweise, als Explosion beschrieben. Für mich hat es immer so ausgesehen, dass es nichts anderes war als das Abstürzen der Maschinenanlage aus ihren Bettungen, die durch die Abteilungen krachten und alles in ihrem Weg zerschlugen. [...] Ich nehme an, dass sie durch den Rumpf schlugen und zuerst versanken, noch vor dem Schiff. Aber es war ein Geräusch, was noch niemand je zuvor vernommen hatte und niemand wird sich wünschen, es je wieder zu hören."
Lawrence Beesley in seinem bereits im Juni 1912 erschienenen Buch: Titanic - Augenzeuge der Katastrophe
Wann und wo ist die Titanic gesunken?
Gegen 2:20 Uhr kann der Schiffsrumpf den immer stärker werdenden Kräften nicht mehr standhalten - und bricht. Die Titanic versinkt nahe Neufundland im eisigen Atlantik, das Heck steil nach oben gerichtet. Mit einer Geschwindigkeit von bis zu 80 Kilometern pro Stunde schlägt sie in mehr als 3.800 Metern Tiefe auf und bohrt sich bis zu 15 Meter weit in den Schlamm.
Wie viele Überlebende gab es beim Untergang der Titanic?
Zusammen mit anderen Überlebenden wird Beesley in den frühen Morgenstunden vom herbeieilenden Passagierschiff Carpathia nach New York gebracht. Laut einem britischen Untersuchungsbericht überstehen die Katastrophe nur 712 Menschen. 1.495 ertrinken oder sterben an Unterkühlung: Die Wassertemperatur liegt unter 0 Grad Celsius, etwas oberhalb des Gefrierpunkts von Meerwasser.
Bilder der Titanic und des Wracks
Titanic - fatale Fehler
01.09.1985: Das Wrack der Titanic wird gefunden
1985 wird das Wrack der Titanic am Meeresboden aufgespürt
Unzählige Forscher machen sich in den darauffolgenden Jahrzehnten daran, das Wrack des Luxusdampfers zu finden. Am 1. September 1985 ist es dank moderner Technik soweit: Für den amerikanischen Tiefseeforscher Robert Ballard lässt "der erste Blick nicht den geringsten Zweifel" - zusammen mit seinem Team stöbert er die Titanic auf. Ballard setzt sich dafür ein, die Titanic vor Grabräubern zu schützen. Die letzte Überlebende des Unglücks, Millvina Dean, wehrt sich noch kurz vor ihrem Tod im Jahr 2009 dagegen, dass Stücke aus dem Wrack geholt werden. "Ich habe immer gehofft, dass man keine Gegenstände vom Schiff bergen wird. Das ist doch ein Grab, mein Vater liegt dort unten."
Titanic - populäre Irrtümer
Das Wrack der Titanic zerfällt
Mittlerweile stirbt die Titanic selbst: Mikroorganismen zersetzen das Metall des Schiffs, fressen es regelrecht auf. "Eines Tages wird das Schiff auf dem Meeresboden kollabieren", heißt es von Seiten der Firma RMS Titanic Inc., die sich 1994 die Rechte am Wrack sicherte. In mehreren Expeditionen wurden technische Gerätschaften, Schmuck, Münzen und andere Erinnerungen geborgen, mehr als 5.500 Fundstücke sind es mittlerweile. Forscher des Unternehmens versuchen, das gesamte Wrack für die Ewigkeit zu bewahren - wenn auch bisher nur als dreidimensionales digitales Modell. Im 2012 eröffneten Titanic-Erlebniszentrum in Belfast können Besucher originalgetreue Nachbauten und Animationen bewundern, aber auch menschliche Tragödien nachverfolgen.
Brigitte Saar: Mit einem Spezialtauchboot zum Wrack der Titanic
Kartierung: die Titanic wird 2023 in 3-D-Bildern sichtbar
So sieht das Wrack der Titanic aus. Um das Schiff ganz zu sehen, mussten 700.000 Aufnahmen gemacht und zu einem Scan zusammengesetzt werden.
Bevor die Titanic ganz zerfällt, ist es nach 111 Jahren gelungen, das in 3.800 Metern Tiefe liegende Schiff zu kartieren und hochauflösende 3-D-Bilder zu machen. Ein auf Tiefsee-Kartierung spezialisiertes Unternehmen machte von Tauchbooten aus rund 700.000 Aufnahmen. Dabei kämpfte das Team mit der Tiefe und Meeresströmungen sowie damit, dass sie das Wrack nicht berühren durften, um Schäden zu vermeiden.
Dank der Kartierung der Titanic und der Zusammensetzung der 3-D-Scans ist es nun erstmals möglich, das Schiff ganz und bis ins Detail zu sehen, bis hin zur Seriennummer eines Propellers. Wissenschaftler hoffen, dass sie mithilfe der 3-D-Scans mehr über die genaue Unglücksursache der Titanic herausfinden können. Die BBC veröffentlichte am 17. Mai 2023 Bilder der Titanic-Kartierung.
Titanic - merkwürdige Zufälle
So hat sich der Untergang der Titanic ins Gedächtnis eingebrannt
Aufsehen um die Titanic
Die erste Aufmerksamkeitsspitze hat die Titanic gleich 1912 erfahren: Innerhalb weniger Wochen erschienen zig Bücher und Filme zur Katastrophe. Die zweite Welle ereignete sich dann in den 1950er-Jahren, angeregt durch das Buch "A Night to Remember" von Walter Lord.
John Wilson Foster, selbst Titanic-Buch-Autor, weiß, wie es dann weiterging: "Bis in die 1980er-Jahre hinein schlief das Ereignis wieder." Erst die Entdeckung des Wracks 1985 und Camerons Film 1997 hätten das Interesse dann globalisiert. Die Kartierung der Titanic und die Veröffentlichung von 3-D-Bildern im Mai 2023 sorgen wieder für weltweites Aufsehen.
In den Köpfen bleibt die Titanic unvergesslich: Schon seit hundert Jahren fasziniert uns der Untergang des Stahlgiganten. Massen von Büchern und Filmen haben versucht, den Glanz des Luxusdampfers und den Horror seines Endes zum Leben zu erwecken. Der Titan war damals das Stärkste und Spektakulärste, was die Menschheit den Naturgewalten entgegenzusetzen hatte. Heute liegt er gebrochen tief am Meeresgrund, muss sich der Natur beugen - und kann sich doch als Mythos über sie hinwegsetzen.
Sendungen zur Titanic, ihren Untergang und das Wrack der Titanic:
- "Stimmt's, dass im Wrack der Titanic keine sterblichen Überreste gefunden wurden?": Stimmt's?, radioeins, 15.01.2024
- "Mythos Titanic": radioWissen am Nachmittag, Bayern 2, 01.08.2023, 15.05 Uhr
- "Neue Bilder von der Titanic": BR24, BR, 18.05.2023, 16.00 Uhr
- "111 Jahre Titanic - die Lust am Untergang": Kulturzeit, 3sat, 14.04.2023, 19.20 Uhr
- "1.9.1985: Das Wrack der Titanic wird entdeckt": SWR2 Zeitwort, 01.09.2022
- "Titanic": #BR24 Zeitreise, 14.04.2022
- "Was heute geschah - 15. April 1912: Die Bordmusiker der 'Titanic' haben ihren letzten Auftritt": Allegro, BR-Klassik, 14.04.2020, 06.05 Uhr
- "Gedenktag Titanic": BR24 Retro, BR, 15.04.2016
- "Legendäre Schiffsuntergänge": Planet Wissen, ARD alpha, 09.07.2012, 21.45 Uhr
- "100 Jahre Titanic - wie sicher ist Schifffahrt heute?": W wie Wissen, ARD alpha, 18.04.2012, 23.45 Uhr
- "Unsinkbar: Was fasziniert so an der Titanic": Tagesgespräch, Bayern 2, 13.04.2012, 12.05 Uhr
- "'Tauchfahrt zum Titanic-Wrack': Die Reise meines Lebens": 14.04.2012, Der lange Samstag auf Bayern 1, Bayern 1, 07.05 Uhr
- "19. April 1912: Untersuchungen zum 'Fall Titanic' beginnen": Kalenderblatt, Nah dran, Bayern 2, 20.12.2011, 09.50 Uhr