Xenotransplantation Kann ein Schweineherz Menschenleben retten?
In Deutschland gibt es zu wenig Organspender. Mit den Mitteln der Xenotransplantation arbeitet ein Münchner Forscherteam daran, Schweineherzen gentechnologisch so zu verändern, dass sie vom menschlichen Körper angenommen werden.
Das Herz eines gentechnisch veränderten Schweines im Brustkorb eines Menschen? Das klingt nach Science-Fiction, könnte aber in einigen Jahren Realität sein, sagt der Münchner Herzchirurg Bruno Reichart. Bruno Reichart hat Anfang der 80er-Jahre schon die allerersten Herztransplantationen in Deutschland ausgeführt. Vor zwei Jahren berichtete sein Team im Fachblatt „Nature“ von einem bahnbrechenden Schritt: Die Wissenschaftler hatten mehreren Pavianen Herzen von genmodifizierten Ferkeln implantiert. Die Affen überlebten den Eingriff und blieben ein halbes Jahr lang am Leben. Das hatte bisher weltweit noch kein Forscher geschafft, sagte Bruno Reichart im BR-Interview:
"Der Fortschritt ist, dass es uns nach 25 Jahren geglückt ist, ein Modell zu entwickeln, in dem das Herz ersetzt wird."
Prof. Bruno Reichart, Walter Brendel Zentrum für Experimentelle Medizin, LMU München.
Xenotransplantation: Gentechnologie macht Schweine „menschenähnlicher“
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Wie Tiere zum Organspender für Menschen werden - Xenotransplantation | beta stories | Doku | BR
Mehrere Maßnahmen führten dabei zum Erfolg: Erstens waren die Schweine gentechnisch verändert, sozusagen "menschenähnlicher", sodass die Organe besser verträglich waren. Zweitens wurden die Schweineherzen zwischen Entnahme und Transplantation dauerhaft mit einer blutähnlichen Flüssigkeit und Sauerstoff versorgt, also nicht einfach nur gekühlt.
Schweineherzen sind sehr empfindlich. Paviane, die Herzen eingesetzt bekommen haben, die nicht lückenlos mit Sauerstoff versorgt wurden, überlebten nur wenige Tage. Eine Technik, die übrigens auch in der Mensch-zu-Mensch-Transplantation zu besseren Ergebnissen führen könnte, sagt Christoph Knosalla vom Deutschen Herzzentrum in Berlin.
Transplantiertes Herz darf nicht wachsen
Der dritte Schritt: Durch Medikamente haben die Forscher ein zu starkes Wachstum der transplantierten Schweineherzen verhindert. Transplantiert wurden nämlich Ferkelherzen, die natürlicherweise noch weiter wachsen - ein Problem für die verhältnismäßig kleinen Paviane.
Darüber hinaus ist der Blutdruck der Paviane sehr viel höher als bei den genveränderten Ferkeln. Die fremde Herzwand reagiert darauf mit Wachstum. Das wiederum schränkt die Funktionstätigkeit des Herzens ein und kann zu tödlichen Leberschädigungen führen, weil es zu einem Rückstau im Blut kommt. Wie bei normalen Transplantationen wurde das Immunsystem bei allen Pavianen dauerhaft unterdrückt, sodass die Spenderorgane nicht abgestoßen wurden und es wurde verhindert, dass das Blut verklumpt.
Hoffnung für Menschen auf der Organspende-Warteliste?
Es muss sich aber erst noch zeigen, inwiefern sich die Versuche reproduzieren lassen und ob diese Ergebnisse wirklich auf den Menschen übertragbar sind. Dennoch sind sich die meisten Experten einig:
"Diese Publikation ist bahnbrechend und überzeugend. Vor allem, weil die verwendeten Herzen im lebenden Tier funktionieren mussten. Natürlich ist dieser Fortschritt klinisch relevant, denn man darf nicht vergessen, dass der Patient der ersten Organtransplantation am Herzen in Deutschland gerade einmal 24 Stunden überlebt hat."
Dr. Joachim Denner, Robert Koch-Institut (RKI), Berlin
Xenotransplantation könnte in wenigen Jahren Realität sein
Die Internationale Gesellschaft für Herz- und Lungentransplantationen hat im Jahr 2000 ein Vorgehen vorgeschlagen: Sollten im Tierversuch 60 Prozent der Tiere drei Monate lang mit einem artfremden Herzen überleben können, könnte man anfangen, klinische Studien an Menschen zu planen. Die nächsten Schritte von Bruno Reichart sind auf jeden Fall klar:
"In den nächsten zwei Jahren müssen wir noch einiges verbessern, die Gruppen vergrößern und die Spenderschweine verfeinern. Ich glaube, dass man - wenn alles schon klappt und die Behörden mitmachen - in drei bis fünf Jahren Xenotransplantationen machen kann."
Prof. Bruno Reichart, Walter Brendel Zentrum für Experimentelle Medizin, LMU, München
Schweineherzen für Menschen?
Für Bruno Reichart ist klar: Mit seinen erfolgreichen Tests ist der Weg für Versuche an Menschen frei, womit in Zukunft der akute Organmangel verringert und die Wartelisten wieder kürzer werden könnten.
"Mit den neuen Methoden der Genschere ist Xenotransplantation nicht mehr Science-Fiction. Die Forscher um Reichart konnten zwei Probleme lösen: Die Konservierung der Spenderherzen und das Wachstum."
Prof. Bernhard Banas, Vorsitzender der Deutschen Transplantationsgesellschaft (DTG) und Leiter des Transplantationszentrums im Uniklinikum Regensburg
Xenotransplantation - noch viele Fragen offen
Hier dient ein Schweineherz stellvertrtend für ein Menschenherz als Demonstrationsobjekt für modernen Organtransport.
Bis es so weit ist, muss aber noch viel geklärt werden. Abgesehen von ethischen Fragen sind noch viele medizinische Fragen offen. Zum Beispiel die Sorge vor Infektionen. Es gibt Viren in Schweinen, die sogenannten porcinen endogenen Retroviren (PERV), die theoretisch auch auf den Menschen überspringen könnten. Doch auch dafür gibt es schon Lösungsansätze:
"Es gibt Schweinerassen, die keine oder nur sehr wenige PERVs im Erbgut aufweisen, zum Beispiel Auckland Island Schweine. Des Weiteren böten Genscheren die Möglichkeit, die Viren aus dem Schweinegenom zu eliminieren, was eine amerikanische Arbeitsgruppe bereits zeigen konnte."
Dr. Björn Petersen, Friedrich-Loeffler-Institut, Bundesforschungsinstitut für Tiergesundheit, Neustadt am Rübenberge
Eine Infektion mit solchen tierischen Viren ist bislang noch nicht beobachtet worden, schon heute werden zum Beispiel Herzklappen von Schweinen in Menschenherzen eingesetzt oder Schweinehaut bei Brandopfern verwendet.
Schweineherz als Übergangslösung
In den nächsten Jahren wird sich zeigen, ob die Forschungsergebnisse wirklich auf den Menschen übertragen werden können. Falls solche Xenotransplantationen eines Tages gelingen sollten, wären sie in einem ersten Schritt nicht für einen Dauereinsatz im Menschen geplant, sagt Björn Petersen vom Friedrich-Löffler-Institut im BR-Interview.
"Es geht darum, dass man in Situationen, in denen der Patient ansonsten versterben würde, weil kein Spenderorgan zur Verfügung steht, dass man so eine lebensbedrohliche Situation mit einem Schweineherzen überbrücken könnte, bis man ein normales menschliches Spenderorgan erhält."
Björn Petersen, Friedrich-Loeffler-Institut, Bundesforschungsinstitut für Tiergesundheit, Neustadt am Rübenberge