Versprecher Wenn Peinliches zum Vorschwein kommt
Wenn man in die gludernde Lot sprüht und damit die gludernde Flut, nein! Die lodernde Flut gemeint hat, dann zeigt er sich von der schönsten Seite: der Versprecher. Und was zeigt er uns noch?
Versprecher bringen uns zum Lachen und führen bei den Verursachern oft zu einem hochroten Kopf. Manche Menschen sind förmlich Versprecher-Weltmeister, zum Beispiel der ehemalige bayerische Ministerpräsident Edmund Stoiber.
"Ich hab's mir auch angewöhnt, dass ich jeden Tag in der Früh' in den Garten schaue und vielleicht eine Blume hinrichte oder aufrichte."
Edmund Stoiber, ehem. bayerischer Ministerpräsident
Alle zehn Minuten vertauschen wir im Schnitt Silben, Laute, Wörter oder Redewendungen, also pro 1.000 Wörter ein Versprecher. Aber warum? Darüber machen sich Sprachforscher und Psychoanalytiker schon lange Gedanken.
Durcheinander in der Sprachplanung
Sprachwissenschaftler sagen: Versprecher kommen dann vor, wenn wir in unserer Sprachplanung durcheinander kommen. Wörter mit ähnlicher Bedeutung oder Form sind im Gehirn zum Beispiel nahe nebeneinander abgelegt - und manchmal wird eben das falsche Wort aus dem Speicher abgerufen. Dann entstehen so schöne Versprecher wie man sie im Krankenhaus hören könnte, sagt Sprachwissenschaftlerin Helene Leuniger:
"'Entschuldigen Sie bitte Schwester Monika, ich hab gar keine Zeit, ich muss zur Pornographie.' - Die Patientin wollte natürlich nicht Pornografie sagen, sondern sie wollte 'Sonographie' sagen. Sonographie und Pornographie haben, glaube ich, der Bedeutung nach wenig gemeinsam, aber in der Form."
Helen Leuniger, Versprecherforscherin
Wir planen also eine Äußerung, wählen dann aber das falsche Element aus dem Gehirn-Lexikon aus. Bevor wir uns versehen, ist der Versprecher da. Manchmal nehmen wir ihn nicht einmal wahr, doch oft korrigieren wir ihn noch im Redefluss.
Regelgerechtes Versprechen
Wir versprechen uns nicht einfach irgendwie, sondern nach gewissen Regeln, sagte der Sprachwissenschaftler Rudolf Meringer schon im Jahr 1895. Er hat fünf Kategorien ausgemacht:
Versprecherregeln
Vertauschung
Wörter werden vertauscht, Silben und Laute wechseln ihren Platz und so kommt es zu so wunderschönen Wort- und Satzneuschöpfungen wie "Gebrecherverhirne" statt "Verbrechergehirne" oder "À prapa Popo" für "À propos Papa".
Wenn man so einen Versprecher korrigieren will, wird es manchmal sogar noch schlimmer, wie zum Beispiel bei Edmund Stoiber:
"Dann bedarf es nur noch eines kleinen Sprühens sozusagen in die gludernde Lot, in die gludernde Flut ... in die lodernde Flut! Wenn ich das sagen darf."
Antizipation
Dabei werden sprachliche Einheiten vorweggenommen. Das passiert auch dem Präsident des Bundesverfassungsgericht:
"Ich darf nun die Anwesenheit feststellen. Es sind erschienen für die Rundfunk-Anstalten als Beschwerdeverführ ... als Beschwerdeführer im Verfahren ..."
Dabei ließ sich Hans-Jürgen Papier vom Wort "Verfahren" am Ende des Satzes auf die Neuschöpfung der "Beschwerdeverführer" verführen.
Kontamination
Dabei verschmelzen mehrere Sätze oder Satzteile zu einem Satz oder mehrere Worte zu einem Satz. Das kann auch ein Fußballspieler, zum Beispiel der ehemalige Stürmer des 1.FC Nürnberg, Markus Schroth:
"Wir wollen schauen, dass wir in der Bundesliga schon noch so gut wie möglich absteigen. Ähhhh, Schnitt, nochmal. Dass wir in der Bundesliga so gut wie möglich abschneiden und den fünften Platz, den wir jetzt haben, natürlich verteidigen bis zum Ende."
Zwei gleich bedeutende Ideen stehen zur gleichen Zeit zur Verfügung, also: "nicht absteigen" und "so gut wie möglich abschneiden". Das ähnlich klingende Absteigen drängt sich dann in das Abschneiden hinein.
Nachklang
Am besten ist ein Nachklang mit einem Beispiel zu erklären.
"Mein Geist war willig, doch mein Fleisch war flach."
Die Buchstaben "fl" vom Fleisch sind noch im Arbeitsspeicher des Gehirns zurück geblieben, nicht gelöscht und darum wurde aus "schwach" ein "flach".
Substitution
Freud'sche Versprecher
Der Begründer der Psychoanalyse, Sigmund Freud, allerdings würde sagen, dass Versprecher viel mehr mit unserem Unbewussten zu tun haben als unseren Gehirnstrukturen. Sie sind die berühmt-berüchtigten "Freud'schen Fehlleistungen". Unbewusste Vorgänge kommen zum Vorschein, vor allem sexueller Natur und kommen dann förmlich zu "Vorschwein". Freud deutet solche Versprecher assoziativ. Er beschreibt zum Beispiel einen Fall aus seiner Praxis, in dem eine junge Frau Folgendes über ihre Familie sagte: "Man muss ihnen das eine lassen. Es sind doch besondere Menschen, sie haben alle Geiz, ich wollte sagen Geist." Freud schloss aus so einem Versprecher, dass die junge Frau sich ihrer Familie schämte und sich deswegen verplapperte.
Sprachwissenschaftlerin Helene Leuniger hält wenig von den Freud'schen Versprechern. Denn man könne nicht in den Sprecher hineinsehen, sondern interpretiere als Therapeut nur munter drauflos. Ob man aus einem Versprecher eines Menschen auf seine Seele schließen kann, bleibt fragwürdig.
Grammatik überlebt Versprecher
Interessant bei Versprechern ist, dass sie sich übrigens nahtlos in die Grammatik unserer Sprache einbauen. Und auch taube Menschen, die Gebärdensprache sprechen, können sich versprechen. Denn dem Gehirn ist es völlig egal, ob die Sprache durch den Mund oder die Hände daher kommt. Die Art und Weise, wie Begriffe abgelegt sind, ähnelt sich sehr - und lädt bei Gebärdensprache genauso zu Versprechern ein.