Marine Kohlenstoffpumpe Der Ozean als CO2-Speicher
Seit der Industrialisierung nehmen die Ozeane jedes Jahr rund ein Drittel des menschengemachten CO2 auf und speichern es. Das funktioniert über die sogenannte marine Kohlenstoffpumpe. Hier erklären wir euch, was das ist.
Das Meer und die Atmosphäre stehen in einem ständigen Austausch. Kohlendioxid wandert von der Atmosphäre ins Meer und umgekehrt. "Die Meeresoberfläche möchte sich überall ins Gleichgewicht setzen mit dem atmosphärischen CO2-Gehalt", erklärt Professor Gregor Rehder vom Leibniz Institut für Ostseeforschung. "Steigt der Kohlendioxid-Gehalt in der Luft, dann will das Wasser das zusätzlich aufnehmen", sagt der Wissenschaftler.
Genau das ist in den vergangenen 200 Jahren passiert. Seit der Industrialisierung ist der Anteil des menschengemachten Kohlendioxids in der Atmosphäre stetig gestiegen. Das hängt hauptsächlich damit zusammen, dass wir Kohle, Erdöl und Erdgas verbrennen und Wälder abholzen. Bisher haben die Ozeane diese Entwicklung ein stückweit ausgeglichen. Laut einer Studie speichern sie etwa 30 Prozent des zusätzlichen menschengemachten Kohlendioxids. Durch ihre Fähigkeit, CO2 in großen Mengen zu binden, bremsen die Ozeane also den Klimawandel. Doch wie machen sie das eigentlich?
Kalte Meeresströmungen transportieren CO2 in die Tiefe
Die sogenannte marine Kohlenstoffpumpe sorgt dafür, dass CO2 in die Tiefen des Ozeans gelangt und dort für hunderte Jahre gespeichert wird. Das passiert einerseits über ein physikalisches Prinzip: Das Kohlendioxid löst sich zunächst im Oberflächenwasser und gelangt über Strömungen und Wasserumwälzungen in die Tiefsee.
"Dort, wo das Wasser besonders kalt ist, vor allem im Nordatlantik und im Bereich der Antarktis, ist es auch besonders dicht. Es kann zudem zur Eisbildung kommen, das macht es salzreicher und führt dazu, dass diese Wassermassen die dichtesten sind, die wir haben. Diese Wassermassen neigen dazu, abzusinken. Damit gelangt das CO2 in die Tiefe."
Gregor Rehder, Professor für Meereschemie am Leibniz Institut für Ostseeforschung
Große Kohlenstoffsenken im Meeresgebiet der Antarktis entdeckt
Experten sprechen in diesem Zusammenhang von Kohlenstoffsenken. Welch riesige Mengen CO2 das Meeresgebiet um die Antarktis aufnimmt, belegte das Team um Wissenschaftler Matthew Long. Die Forscher führten drei Messkampagnen mit Flugzeugen durch. Die gesammelten Daten beziffern ziemlich genau, wie viel CO2 das Meeresgebiet aufnimmt, das sich rings um die Antarktis südlich von 45 Grad südlicher Breite befindet: Zwischen 2009 und 2018 waren es pro Jahr knapp 2 Milliarden Tonnen Kohlendioxid. Das ist mehr als der jährliche CO2-Ausstoß Russlands, nach Indien der viertgrößte CO2-Emittent der Welt.
Die biologische Pumpe: CO2 sinkt als Biomasse auf den Meeresboden
CO2 gelangt jedoch nicht nur durch einen physikalischen Prozess in die Tiefsee, sondern auch über einen biologischen. Ähnlich wie die Bäume an Land nehmen winzige, an der Wasseroberfläche schwimmende Algen CO2 auf und nutzen es zum wachsen. Das geschieht über die Photosynthese: Das Phytoplankton nutzt die Energie der Sonne, um mit dem gasförmigen CO2 aus der Atmosphäre Biomasse aufzubauen. Stirbt das Phytoplankton ab, sinkt es hinab auf den Meeresboden und damit auch das in ihm gebundene CO2. Die abgestorbenen winzigen Teilchen bilden dabei Klümpchen, beispielsweise mit Fischkot zusammen. Experten nennen das klebrige Gemisch "Meeresschnee".
Zu viel CO2 im Ozean führt zur Versauerung
Die marine Kohlenstoffpumpe funktioniert zwar. Doch die Frage ist: Wie lange noch? Verschiedene Entwicklungen beeinflussen die Kapazität der Meere, weiterhin als CO2-Speicher zu fungieren. Dazu gehört die Versauerung. Sobald CO2 ins Wasser gelangt, wandelt es sich in andere chemische Verbindungen um. Zum größten Teil reagiert es mit Wasser und Karbonat zu Hydrogenkarbonat. "Dadurch wird das Karbonat im Wasser weniger, der pH-Wert sinkt, der Ozean wird saurer", erklärt Gregor Rehder.
Das schadet bestimmten Meeresorganismen, zum Beispiel den Korallen. Sie brauchen das Karbonat zum Aufbau von Schalen und Skelettstrukturen. Außerdem führen fehlendes Karbonat und immer wärmer werdende Gewässer dazu, dass auch die Aufnahmekapazität der Meere für CO2 zurückgeht.
Schadet Wärme der physikalischen Kohlenstoffpumpe?
Die steigenden Temperaturen könnten auch die physikalische Pumpe bedrohen. Forscher ziehen dabei zwei Szenarien in Betracht, erklärt Gregor Rehder. Steigt die Temperatur der oberen Wasserschichten immer mehr, dann wird möglicherweise auch die Durchmischung mit den kälteren, tieferen Wasserschichten schwieriger. Dadurch gelänge auch weniger CO2 in die Tiefsee.
Dazu kommt die Eisschmelze im Bereich der Pole. Wenn das Eis vermehrt schmilzt, sinkt auch der Salzgehalt des Wassers ab. "Beide Effekte können dazu führen, dass die Effizienz der physikalischen Pumpe, also in der Menge Wasser, die da umgewälzt wird, geringer werden könnte", sagt Gregor Rehder.
Forschung: Lässt sich die marine Pumpe künstlich ankurbeln?
Weltweit suchen Wissenschaftler nach Wegen, wie sich die CO2-Speicherkapazität des Ozeans ausbauen ließe. Die Idee dahinter: Nur den CO2-Ausstoß zu verringern wird nicht reichen, um das Klimaziel des Pariser Abkommens zu erreichen. Um den Klimawandel zu stoppen, müsste CO2 aus der Atmosphäre entfernt werden. Ein möglicher Speicherort wäre den Forschern zufolge der Ozean. Doch die Methoden dazu sind noch in der Entwicklungsphase.
In der Ostsee versuchen Ozeanologen im Rahmen des Projekts "CDRmare" Seegraswiesen aufzuforsten. Denn auch Seegras bindet durch die Photosynthese CO2 und speichert es in seinen Wurzelballen. Eine äußerst mühsame und langwierige Prozedur, denn das Seegras muss per Hand eingepflanzt werden. Außerdem wächst es äußerst langsam und speichert dafür vergleichsweise wenig Kohlendioxid, so Rehder.
Ein anderer Ansatz ist die sogenannte Alkalinisierung. Ein bestimmtes Silikatgestein oder Kalziumkarbonat wird dabei im Meerwasser gelöst. Das überschüssige Karbonat bindet CO2 und erhöht den pH-Wert, sodass es nicht zur Versauerung kommt. Wie effektiv diese Ansätze sind und welche Nebenwirkungen sie für die Natur haben, ist noch nicht bekannt.
Die Frage, ob man in das marine Öko-System eingreifen sollte, um darin aus der Atmosphäre entzogenes CO2 zu speichern, ist unter Experten umstritten. Auch Gregor Rehder war vor etwa zehn Jahren skeptisch. Doch angesichts der rasenden Erderwärmung musste er seine Meinung überdenken: "Im Vergleich zu einem `Do-Nothing-Szenario´ sind Gegeneingriffe, die dazu führen, dass es dem Ökosystem Erde bessergeht, möglicherweise vorzuziehen."