Aufgedeckt Investigativer Journalismus
Immer wieder verändern mutige Journalisten die Sicht der Menschen auf die Welt. Durch intensive Recherchen decken sie Skandale auf. Eine Auswahl von Affären der letzten hundert Jahre, die erst durch die Medien bekannt wurden:
-
1913
1913
Spionageaffäre um Oberst Redl
Prag, 1913. Der Journalist Egon Erwin Kisch macht die Spionage-Affäre um den österreichischen Nachrichten-Offizier Alfred Redl publik. Redl hat, angeblich erpresst wegen seiner Homosexualität, militärische Geheimnisse Österreich-Ungarns an Russland, Italien und Frankreich verraten. Als Spion enttarnt begeht er Selbstmord. Kisch erfährt davon durch einen Bekannten, der nach Redls Tod dessen Wohnung aufgebrochen hat. Der Journalist veröffentlicht den Skandal in der Prager Zeitung "Bohemia". In der Bevölkerung löst die Veröffentlichung einen Sturm der Empörung aus.
-
1923
1923
Undercover beim Völkischem Beobachter
Der Journalist Leo Lania schreibt für deutsche und österreichische Zeitungen. Er veröffentlicht eines der ersten Interviews mit Adolf Hitler, das internationale Aufmerksamkeit findet. 1923, getarnt als italienischer Faschist, schleicht er sich in die Redaktion des "Völkischen Beobachters", der Zeitung der NSDAP, ein. Was er dort über die wachsende Nazi-Bewegung erfährt, dokumentiert er in den darauffolgenden beiden Jahren in zwei Büchern: "Die Totengräber Deutschlands" und "Der Hitler-Ludendorff-Prozeß".
-
1962
1962
Spiegel-Affäre
Ein "Spiegel"-Artikel über die schlechte Lage der Bundeswehr zieht eine Lawine von Folgen nach sich. Der "Spiegel" hat von einem Oberst der Bundeswehr und weiteren einschlägigen Quellen Informationen darüber erhalten, dass Deutschland einem sowjetischen Großangriff nicht standhalten könne. Sorgfältig nachrecherchiert veröffentlicht das Magazin dies – und wird wegen Landesverrats angezeigt. Es folgen Redaktionsdurchsuchungen und Festnahmen. Der "Spiegel" wird letztendlich freigesprochen, ranghohe Politiker wie Verteidigungsminister Franz-Joseph Strauß treten im Anschluss an die Affäre zurück.
-
1969
1969
Massaker von My Lai
Der Journalist Seymour Hersh bringt das Massaker von My Lai ans Licht. Amerikanische Soldaten haben 1968 im Zuge des Vietnamkrieges über 500 Dorfbewohner von My Lai, darunter viele Frauen und Kinder, getötet. Das versucht die US-Armee zu vertuschen. Ein Informant im Pentagon verrät es jedoch Hersh. Daraufhin befragt der Journalist den verantwortlichen Offizier, der ihm schließlich alles erzählt. Erst im Dezember 1969 erfährt die Bevölkerung von dem Massaker, als eine Zeitung Hershs Bericht abdruckt. Im Anschluss nehmen die öffentlichen Proteste gegen den Vietnamkrieg enorm zu.
-
1972
1972
Watergate-Skandal
Die Watergate-Affäre gilt als größter innenpolitischer Skandal der USA. Im Jahr 1972 brechen Wahlkämpfer der gegnerischen Partei während des Wahlkampfs in das Hauptquartier der Demokraten in Washington ein. Die Journalisten der "Washington Post", Bob Woodward und Carl Bernstein, decken durch intensive Nachforschungen auf, dass enge Vertraute des republikanischen Präsidenten Nixon davon gewusst haben. Der Präsident versucht dies zu verheimlichen. Als die Affäre bekannt wird, müssen viele Mitarbeiter Nixons ihr Amt aufgeben. Der Präsident selbst tritt 1974 in Folge des Skandals zurück.
-
1977
1977
Unerkannt in der "Bild"-Redaktion
Günter Wallraff macht journalistische Unsauberkeiten der Zeitung "Bild" öffentlich, nachdem er sich dort als Reporter eingeschlichen hat. Daraufhin spricht der Deutsche Presserat sechs Rügen gegen "Bild" aus. Die Zeitung verklagt Wallraff, er muss Passagen aus seinem Buch streichen. Auch der Axel-Springer-Verlag hinter der Zeitung leitet Prozesse gegen den Journalisten ein. Die Gerichte entscheiden jedoch zu Gunsten Wallraffs. Der Journalist hat schon vorher mithilfe von fiktiven Identitäten in Unternehmen recherchiert, um über die Zustände dort zu schreiben.
-
1987
1987
Barschel-Affäre
1987: Der "Spiegel" bekommt von einem engen Mitarbeiter des schleswig-holsteinischen Ministerpräsidenten Uwe Barschel Unterlagen, die von unsauberen politischen Vorgehensweisen gegen Barschels Gegner in der Landtagswahl erzählen. Angeblich hat er ihn ausspionieren und anzeigen lassen. Dies kann nie bewiesen werden, Barschel dementiert vehement. Der "Spiegel" macht es dennoch zur Titelgeschichte, was zum Rücktritt Barschels führt, sein Gegner wird Ministerpräsident. Wenige Wochen nach der Veröffentlichung wird Barschel tot in der Badewanne gefunden: angeblich Selbstmord.
-
1999
1999
CDU-Spenden-Skandal
Die CDU hat von dem Waffenhändler Karl-Heinz Schreiber 100.000 DM als Spende angenommen und nicht versteuert. Nach und nach werden 1999 schwarze Konten der CDU bekannt, auf denen illegale Parteispenden in Millionenhöhe liegen. Ein "Spiegel"-Bericht enthüllt, dass diese für den Wahlkampf benutzt werden. Daraufhin treten Wolfgang Schäuble als CDU-Chef und Helmut Kohl als Ehrenvorsitzender zurück. Verschiedene Medien weiten die Recherchen aus, immer neue Details der Affäre werden bekannt. Einen erheblichen Beitrag zum Bekanntwerden dieses Skandal hat der SZ-Journalist Hans Leyendecker geleistet.
-
2006
2006
Anna Politkowskaja und die Menschenrechtsverletzungen in Tschetschenien
Anna Politkowskaja berichtet jahrelang über den zweiten Tschetschenienkrieg. Dazu begibt sie sich immer wieder in Lebensgefahr. Die Journalistin recherchiert im Kriegsgebiet und macht sich selbst ein Bild vom Alltag voller Folter, Mord und Plündereien. Durch intensive Gespräche mit der tschetschenischen Bevölkerung sowie russischen Soldaten deckt sie Menschenrechtsverletzungen auf, über die andere russische Medien weitgehend schweigen. Beim Militär, der russischen und der tschetschenischen Regierung ist sie dafür verhasst. 2006 wird sie ermordet. Der Auftraggeber bleibt unbekannt.
-
2011
2011
Kredit-Affäre um den Bundespräsidenten
Bundespräsident Christian Wulff muss nach einem Skandal um unklare geschäftliche Beziehungen zu befreundeten Unternehmern im Februar 2012 zurücktreten. Maßgeblich ausgelöst hat diesen Skandal ein Bericht der „Bild“. Die Zeitung hat Dokumente über einen Privatkredit Wulffs bei der Frau eines Unternehmers erhalten. Wulff hatte im Landtag geleugnet, geschäftliche Beziehungen zu dem Unternehmer zu haben. Es folgen weitere Medienberichte über Interessensverflechtungen zwischen Wulff und Geschäftspartnern, der Skandal verdichtet sich, bis Wulff schließlich seinen Rücktritt bekannt gibt.
-
2013
2013
Steueroasen – Offshore Leaks
Ein Netzwerk von Journalisten veröffentlicht im April 2013 brisante Informationen zu weltweiten Steueroasen. Die Washingtoner Journalistenorganisation ICIJ hat aus einer anonymen Quelle einen riesigen Datensatz über Unternehmen und Personen bekommen, die ihr Vermögen an sogenannten "Offshore-Finanzplätzen" anlegen, also in Ländern wie den britischen Jungferninseln, in denen kaum Steuern anfallen. Journalisten aus 46 Ländern werten die Daten aus und finden prominente Steuerflüchtlinge. Ein Großteil der Bevölkerung hat bis zu dieser Enthüllung keine Ahnung über diese Steuerwelt der Reichen.