Meilensteine der Naturwissenschaft und Technik Dünger aus der Luft - Fritz Haber und Carl Bosch
Im frühen 20. Jahrhundert begann der Chemiker Fritz Haber mit seinen Arbeiten an der Ammoniak-Synthese. Damit war die Epoche der künstlichen Düngung eingeläutet.
Bereits Mitte des 19. Jahrhunderts zeigte Justus von Liebig, dass die dem Boden nach Pflanzenwachstum und Ernte entzogenen Mineralien durch Düngung wieder zugeführt werden müssen. Als lebenswichtig für die Pflanzen erwiesen sich neben anderen Mineralien die Verbindungen des Stickstoffs, z. B. in Form von Nitraten.
Große Vorkommen von Nitraten fand man in den Salpeterlagern in Chile. Salpeter war zunächst für die Herstellung von Sprengstoff und Munition besonders wichtig, so dass über den Besitz dieser Lager sogar ein Krieg zwischen Chile und zwei Nachbarländern entbrannte.
Um die Jahrhundertwende war der Salpeterverbrauch für die Herstellung von Dünger so stark gestiegen, dass man über einen Ersatz durch künstlich hergestellte Stickstoffsalze nachzudenken begann. 1902 gelang es den norwegischen Forschern Christian Birkeland und Samuel Eyde, durch elektrische Funkenentladungen aus Luftstickstoff und Sauerstoff Stickoxide herzustellen. Das Verfahren benötigte aber große Mengen an elektrischer Energie, die in Deutschland nicht ausreichend zur Verfügung standen.
Fritz Habers Ammoniak-Versuche
Seit 1903/04 versuchte der Chemiker Fritz Haber, Ammoniak aus Luftstickstoff und Wasserstoff herzustellen. Man benötigt aber sehr hohe Temperaturen, um das chemisch stabile Stickstoffmolekül vor der erwünschten Reaktion mit Wasserstoff zu spalten. Allerdings zerfällt bei diesen hohen Temperaturen der gebildete Ammoniak gleich wieder in seine Ausgangsstoffe. Auf Anregung von Walter Nernst ließ Haber die Reaktion bei sehr hohem Druck ablaufen, um so das Reaktionsgleichgewicht zugunsten des Ammoniak zu verschieben. Als vorteilhaft erwies sich auch der Einsatz eines Katalysators, mit dem die Reaktionsgeschwindigkeit erhöht werden konnte.
Der Chemiker Carl Bosch, Mitarbeiter bei der BASF, setzte sich bei seiner Firmenleitung für Habers Verfahren ein, so dass es technisch weiterentwickelt werden konnte. 1909 gelang so im Labor die kontinuierliche Synthese von 80 Gramm Ammoniak in der Stunde. Unter der Leitung von Carl Bosch wurde das Verfahren nun großtechnisch vorangetrieben. Bald wurde ein billiger Katalysator aus Eisen, Tonerde und Kalium erfunden. Nun aber stellte sich heraus, dass die Reaktionsgefäße aus Stahl durch die Einwirkung des Wasserstoffs ihre Festigkeit verloren und platzten. Bosch verkleidete daher die Innenseite des Reaktorrohrs mit einer Lage aus Weicheisen, dem der Wasserstoff nichts anhaben konnte.
Die erste Ammoniakfabrik der Welt
Im September 1913 begann im BASF-Werk in Oppau die Ammoniakherstellung. Den Wasserstoff erzeugte man aus Wasserdampf, der über glühende Kohlen geleitet wurde. Dabei entstanden neben Kohlenmonoxid die benötigten großen Mengen an Wasserstoff. Durch Hochdruckpumpen wurden Luftstickstoff und Wasserstoff komprimiert und in den Reaktorrohren entstand Ammoniak, das nun zu Stickstoffsalzen weiter verarbeitet werden konnte.
Von den Erfahrungen der neuen Ammoniakfabrik profitierte zu Beginn des Ersten Weltkriegs die deutsche Heeresrüstung. Der Grund: Die Alliierten schnitten Deutschland von der Versorgung mit Salpeter aus Chile ab. Ohne Salpeter aber konnte Munition für die Artillerie nicht produziert werden. Bosch bot der Heeresleitung an, den benötigten Salpeter aus Ammoniak herzustellen und schon Ende 1914 nahm ein Salpeterwerk die Produktion auf. Fritz Haber wollte als deutscher Patriot - der Sohn jüdischer Eltern war Protestant geworden und strebte nach Ansehen in der wilhelminischen Gesellschaft - dem Militär auch auf andere Weise helfen. Im Range eines Reservehauptmanns entwickelte er grausame Kampfstoffe aus Phosgen und Senfgas sowie Schutzmasken für die deutsche Armee. Dennoch erhielt der "Gaspionier" Fritz Haber für die Entwicklung der Ammoniaksynthese bereits 1919 den Nobelpreis für Chemie, Carl Bosch musste auf diese Ehrung bis 1931 warten.
In den kommenden Jahrzehnten wuchs der Bedarf an Ammoniak weiter. Neue Fabriken wurden gebaut und die alten erweitert und erneuert. Am grundlegenden technischen Verfahren von Haber und Bosch aber hat sich bis heute kaum etwas geändert.