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Meilensteine der Naturwissenschaft und Technik Die Beschleunigung – Wilhelm Ostwald und die Katalyse

Katalysatoren sind nicht nur im Auto, sondern auch in der Natur allgegenwärtig. Als Reaktionsbeschleuniger zünden sie den Turbo bei chemischen Vorgängen, die ohne sie gar nicht oder nur erheblich langsamer ablaufen würden.

Von: Ein Film von Manfred Baur

Stand: 13.01.2012

Chemie-Nobelpreisträger Wilhelm Ostwald | Bild: picture-alliance/dpa

Der Katalysator als Beschleuniger von chemischen Vorgängen ist erst mit seiner Einführung als Abgasreiniger für PKWs ins öffentliche Bewusstsein gedrungen. Grob vereinfacht, nützt ein Abgaskatalysator mit Platin und Rhodium beschichtete Keramikeinsätze, um schädliche Verbrennungsrückstände (Stickstoffoxide) in Wasser und Kohlendioxyd umzuwandeln. Der Clou dabei: Die Katalysatorstoffe setzen diesen Prozess zwar in Gang, werden dabei aber nicht selbst verbraucht. Da Katalysatoren also chemische Reaktionen einleiten und beschleunigen ohne selbst daran teilzunehmen, spielen sie eine wichtige Rolle in der chemischen Industrie.

Ganz so neu und auf die Technik beschränkt ist das Prinzip allerdings nicht. Im Tier- und Pflanzenreich ermöglichen Katalysatoren schon seit Jahrmillionen chemische Reaktionen, die sonst weitaus langsamer ablaufen würden. Mit einem Stück Würfelzucker, einem Streichholz und etwas Asche lässt sich das Funktionsprinzip sehr einfach veranschaulichen: Hält man das brennende Streichholz an den Zucker, passiert zunächst gar nichts. Reibt man den Zucker jedoch mit der Asche ein, lässt er sich zünden und verbrennt. Der Katalysator, also die Asche, verändert sich dabei nicht.

Auch die im 19. Jahrhundert aufstrebende Chemie- und Farbenindustrie setzte aufgrund von Erfahrungen vielfach Katalysatoren zur Beschleunigung chemischer Reaktionen ein, ohne die dabei ablaufenden Vorgänge zu durchschauen. Erst Wilhelm Ostwald (1853-1932) gelang 1894 die Aufklärung des zugrunde liegenden Prinzips. Er definierte den Begriff der Katalyse (griech. "Auflösung") als "Beschleunigung eines langsam verlaufenden chemischen Vorgangs durch die Gegenwart eines fremden Stoffes". Als Katalysator bezeichnete er jeden "Stoff, der, ohne im Endprodukt einer chemischen Reaktion zu erscheinen, ihre Geschwindigkeit verändert".

1909 erhielt Ostwald für seine grundlegenden Untersuchungen über die Katalyse und Reaktionsgeschwindigkeiten den Nobelpreis für Chemie.

Neben seiner Grundlagenforschung beschäftigt sich Ostwald vor allem mit dem Problem der "katalytischen Ammoniaksynthese". Dabei geht es darum, den reaktionsträgen Luftstickstoff an der Oberfläche eines Katalysators zu zerlegen, wo er sich nun mit Wasserstoff zu Ammoniak verbinden kann. Die Lösung dieser Aufgabe gelingt seinem Mitarbeiter Alwin Mittasch (1869-1953) gemeinsam mit Fritz Haber (1868-1934) und Carl Bosch (1874-1940) von der Badischen Anilin- & Soda-Fabrik (BASF). 1906 wird die erste industrielle Anlage zur Gewinnung von Ammoniak aus Luftstickstoff in Oppau in Betrieb genommen. Damit kann der Grundstoff für Düngemittel und Sprengstoffe auch ohne Salpeter direkt aus der Luft gewonnen werden – gerade rechtzeitig, damit das Deutsche Reich den 1. Weltkrieg auch ohne Zugang zu den chilenischen Salpeterminen beginnen kann.

Ein anderes wichtiges Einsatzgebiet finden Katalysatoren in der Petrochemie. Der zunehmende Straßenverkehr benötigt große Mengen an Benzin, das in Raffinerien durch Destillation von Erdöl gewonnen wird. Die gewonnenen Benzinmengen reichen aber weder in der Menge noch in der Qualität aus. Durch Katalysatoren aber kann der Anteil an qualitativ hochwertigem Benzin wesentlich gesteigert werden.

Friedrich Bergius (1884-1949) schließlich erfindet ein Verfahren, mit dem statt aus importiertem Erdöl in Deutschland aus heimischer Kohle Benzin hergestellt wird. Bei hohem Druck und großer Temperatur verbindet sich dabei Kohle unter Einwirkung eines Katalysators mit Wasserstoffgas zu den begehrten Kohlenwasserstoffen, den Grundstoffen für Synthesebenzin. Bis 1945 wird im Deutschen Reich eine Vielzahl dieser sogenannten Hydrierwerke gebaut, die auch Treibstoff für die Fahrzeuge der Deutschen Wehrmacht liefern – ohne dieses Verfahren wäre der 2. Weltkrieg schon viel früher verloren gegangen.

In der Nachkriegszeit steigt der Einsatz von Katalysatoren in der Chemie- und Pharmaindustrie weiter an, kaum eines ihrer Produkte kann noch ohne Einsatz von Katalysatoren hergestellt werden. In den 1980er Jahren erzwingt die zunehmende Luftverschmutzung durch den Straßenverkehr den flächendeckenden Einbau von Abgaskatalysatoren. Dort befindet sich auf einem porösen Keramikkörper eine dünne Schicht aus Platin und Rhodium, auf dem die katalytische Reaktion stattfindet. Dabei werden die Stickoxide zu Stickstoff und Sauerstoff reduziert, der frei werdende Sauerstoff oxidiert das Kohlenstoffmonoxid und die unverbrannten Kohlenstoffwasserstoffe zu Kohlenstoffdioxid und Wasserdampf. Vergleichbare Verfahren helfen auch bei der Abgasreinigung von Kraftwerken und Industrieanlagen.


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