Meilensteine der Naturwissenschaft und Technik Otto Hahn und die Kernspaltung
Vom Pionier der Kernspaltung zum Propheten der atomaren Katastrophe: Als am 6. August 1945 beim Abwurf einer Atombombe über Hiroshima Hunderttausende starben, verfluchte Otto Hahn (1879-1968) den militärischen Missbrauch jener Kräfte, die er 1938 als Entdecker der Kernspaltung entfesselt hatte.
Ein Film von Werner Kiefer
Die unkontrollierte Spaltung von Uranatomkernen am 16. Juli 1945 bei einer Versuchsexplosion in der Wüste von Nevada und wenige Wochen später die Atombombenabwürfe auf Hiroshima und Nagasaki machten mit einem Schlag der Weltöffentlichkeit die ungeheuren Kräfte klar, mit denen normalerweise die Atomkerne zusammengehalten werden.
Der Entdecker der Kernspaltung, Otto Hahn, wurde in 1879 Frankfurt geboren, studierte Chemie und begann seine wissenschaftliche Laufbahn am University College in London. Dort beschäftigt er sich erstmals mit seinem späteren Spezialgebiet, der Radiochemie, und wechselt ein Jahr später zu Ernest Rutherford nach Montreal. 1907 kehrt Hahn nach Deutschland zurück und wird Leiter des Instituts für Radioaktivität am Kaiser-Wilhelm-Institut in Berlin. Dort beginnt die fruchtbare Zusammenarbeit mit der Wiener Physikerin Lise Meitner.
Hahns Arbeiten bauen auf den Forschungen von Ernest Rutherford auf, der den Aufbau des Atoms aus Kern und Hülle nachgewiesen und die Art der Bestandteile der von radioaktiven Elementen ausgesandten Strahlung aufgeklärt hatte. Woher aber stammt die Energie, die beim Zerfall der radioaktiven Atome frei wird? Die Antwort gibt der theoretische Physiker Albert Einstein: Er postuliert die Wesensgleichheit von Masse und Energie, die er durch die Formel E = mc2 verknüpft. Die Freisetzung von Energie muss demnach mit einem Massenverlust des Atomkerns verbunden sein.
Die Radiochemiker beschäftigen sich in den 1930er-Jahren mit der künstlichen Umwandlung von Atomkernen. So kann sich etwa der Urankern durch Beschuss mit Neutronen in ein Element mit größerer Ordnungszahl, ein so genanntes Transuran, umwandeln. Der Nachweis dieser nur in äußerst geringer Menge auftretenden künstlichen Elemente ist eine Aufgabe, der sich Hahn und andere Radiochemiker widmen. Für die physikalische Interpretation der Vorgänge ist Lise Meitner zuständig. Die Zusammenarbeit von Hahn und Meitner wird jäh unterbrochen, als Frau Meitner auf Druck der Nationalsozialisten nach Schweden flieht, aber die beiden bleiben in intensivem Briefkontakt.
Zusammen mit seinem Assistenten Fritz Straßmann setzt Hahn seine Versuche fort. Er bestrahlt Filme mit Uransalzen mit Neutronen und kann dann mit einem Geigerzähler feststellen, dass ein stärker radioaktives Isotop entstanden sein muss. Die chemische Analyse zeigt aber überraschender Weise kein Umwandlungsprodukt, das dem Uran im Periodensystem nahe steht, sondern Barium. Mehrere Wiederholungen des Experiments zeigen immer wieder das gleiche Ergebnis. Hahn wendet sich am 20. Dezember 1939 brieflich an Lise Meitner und bittet um eine physikalische Interpretation der Ergebnisse. Frau Meitner und ihr Neffe vermuten, dass der Urankern durch die Aufnahme eines weiteren Neutrons so instabil wird, dass er in Schwingungen gerät und in zwei Teile zerreißt. Eines der leichteren Bruchstücke wäre demnach das von Hahn nachgewiesene Barium. Die Forschungsergebnisse von Hahn und ihre Interpretation werden nach der Veröffentlichung von anderen Forschern bestätigt, Hahn erhält für seine Entdeckung 1946 den Nobelpreis.