Rosenkränze und Co. Volksglauben früher und heute
Rosenkranzbeten? Das ist was für alte Leute und langweilig! Aber wie so oft, täuscht der erste Eindruck. Wer sich darauf einlässt, kann eine faszinierende Formenvielfalt und Beispiele gelebter Frömmigkeit entdecken.
Nur wenigen jungen Menschen dürfte das Rosenkranzbeten so lieb und vertraut sein, wie für den Münchner Pfarrer Josef Steindlmüller. Er mag die gleichförmig fließende Litanei, weil sie ihm hilft, zur Ruhe zu kommen und Zeit für Gott zu finden. Darum betet er den Rosenkranz täglich, am liebsten im Freien, beim Spaziergehen an der Isar, auf einer Bergwanderung oder auch in der Fußgängerzone.
Zählhilfe und Gebetsunterstützung
Das Wesentliche ist dabei nicht das Drehen der aufgereihten Perlen aus Holz oder anderen Materialen. Die Himmelsschnur, wie sie auch genannt wird, ist nur eine Zählhilfe, die der Gläubige braucht, um sich in der komplizierten Abfolge festgelegter Gebete, Anrufungen und Betrachtungen des Lebens und Sterbens Christi zurechtzufinden. Im Zentrum stehen dabei zehn durch ein Vaterunser eingeleitete "Gesätze" mit jeweils zehn "Ave Marias", die besondere Glaubenssätze rahmen.
Meist betet Pfarrer Steindlmüller den Rosenkranz stumm und alleine für sich. Besonders angetan ist er aber auch vom gemeinsamen Rosenkranzgebet in der Kirche, wo sich die linke Frauenseite mit der rechten Männerseite im Rezitieren der Gesätze abwechselt. Wenn dann im abgedunkelten Kirchenraum das halblaute Murmeln wir eine fromme Laoloawelle von Wand von schwappt, stellt sich eine Art beruhigender Trance ein, die Trost und Geborgenheit vermittelt.
Katholischer Mainstream vergangener Epochen
Dass er mit seiner Rosenkranzliebe nicht wirklich im Trend liegt, weiß Pfarrer Steindlmüller auch. Der Rosenkranz ist aus der Mode gekommen und nur noch eingefleischte "Katholiken" halten an ihm fest. Dabei war das Rosenkranzbeten über Jahrhunderte hinweg katholischer "Mainstream", ein ständiges frommes Hintergrundgrundrauschen, eine Selbstverständlichkeit, die das gesamte Leben begleitete. Der Rosenkranz gehörte einfach dazu, war so allgegenwärtig wie heute das Handy. Zumal in Bayern, wo Herzog Maximilian I. den katholischen Glauben im 17. Jahrhundert zur Staatsräson erhoben und seinen Landeskindern befohlen hatte, täglich einen Rosenkranz zu beten.
Da Maximilian obendrein jedem Untertanen den persönlichen Besitz eines Rosenkranzes verbindlich vorschrieb, wurden Aberhunderttausende dieser Himmelsschnüre hergestellt, verkauft und verschenkt. Einen überwältigenden Eindruck von der Formenvielfalt und Verbreitung dieser einst blühenden Rosenkranzkultur bietet das Diözesenmuseum in Freising. Die immense Sammlung umfasst neben schlichten Alltagsstücken auch wertvolle Prunkrosenkränze, die nicht nur die Frömmigkeit, sondern auch - und vielleicht vor allem - den Reichtum ihrer stolzen Besitzer zur Schau stellen sollten.
Glaubensperlen international
Auf dem Münchner Tollwoodgelände mit seinen Verkaufsständen und Buden wird schließlich augenfällig, dass Gebethilfen wie der Rosenkranz keine bayerische und auch keine katholische Besonderheit sind. Viele Religionen und Kulturen Bayern kennen ähnliche Gebetsschnüre, die allesamt der meditativen Versenkung dienen. So heißt etwa der indische Rosenkranz Mala, dessen 108 Perlen die 108 Lehren Buddhas repräsentieren. Das hinduistische Gegenstück hat denselben Namen und dieselbe Anzahl Perlen, die allerdings nicht für Buddhas Unterweisungen, sondern für die 108 Namen und Attribute der Götter stehen. Einen ähnlichen Zweck erfüllt auch die islamische Subha oder Mishaba, deren 11, 33, 99 oder gar 1.000 Perlen dabei helfen, die 99 Namen Allahs zu rezitieren.