Mathematik Vektoren - Kreuzprodukt
Die Mathematik bietet Möglichkeiten, Ereignisse des täglichen Lebens durch Rechnung nachvollziehen zu können. Am Beispiel des Radfahrens zeigen wir, welche Rechnungen sich mit Vektoren und Kreuzprodukt "zaubern" lassen.
Übersicht über Lektion 11
11.1. Drehmoment und Vektorprodukt
Die Mathematik bietet Möglichkeiten, Ereignisse des täglichen Lebens aber auch in der Technik durch Rechnung nachvollziehen zu können. Wir stellen einige dieser Möglichkeiten vor.
Wählen wir mal als Beispiel das Fahrradfahren und überlegen uns, wie die Kraft vom Bein des Radfahrers in die Maschine Fahrrad übertragen werden kann: Die Kraft des Fahrers wird über das Pedal auf die Drehachse des Antriebes übertragen. Der Fahrer überträgt mit dem Fuß die Kraft auf das Pedal. Am größten ist die Kraftübertragung, wenn der Pedalarm mit dem Kraftvektor des Fußes einen rechten Winkel bildet.
Aus der Physik ist Ihnen bekannt, dass der Betrag des Drehmoments M gleich dem Produkt aus Hebelarm, wirkender Kraft und dem Sinus des von Hebelarm und Kraft eingeschlossenen Winkels ist.
In der Technik ist es gebräuchlich, dem Drehmoment unterschiedliche Bezeichnungen zu geben, je nach dem, in welchem Zusammenhang sie wirken. Man unterscheidet nach Richtung, in der Leistung fließt. In unserem Falle wäre es ein Abtriebsmoment, also ein Drehmoment, womit die Maschine angetrieben wird und Leistung aufnimmt.
Was ist ein Vektorprodukt?
Betrachten wir noch einmal unseren Radfahrer. Der Drehmomentsvektor, welcher auf die Drehachse wirkt, steht senkrecht auf der Ebene, die vom Hebelarmvektor r und dem Kraftvektor F aufgespannt wird.
Stehen die Vektoren r und F senkrecht aufeinander, ergibt das Produkt ihrer Beträge r · F den Betrag M des Drehmomentsvektors M.
Wählen wir einmal für den Hebelarm 25 cm und für die wirkende Kraft 600 N, so würde das Drehmoment M als Produkt der Größen 25 cm = 0,25 m und 600 N dann 150 Newtonmeter betragen.
Dies entspricht auch dem Ergebnis, wenn wir mit der eingangs genannten Formel M = r · F · sin Phi gerechnet hätten.
Nämlich M ist 0,25 Meter mal 600 Newton mal sin 90 Grad, da wir den Punkt des Antriebes gewählt haben, in dem Kraftvektor und Hebelarmvektor senkrecht aufeinander stehen.
Die Berechnung ergibt 150 Newtonmeter.
11.2. Weitere Drehmoment-Berechnungen
Ein weiteres praktisches Beispiel: Es gibt eine Pedalstellung, bei der zwar immer noch mit der Kraft F angetrieben wird, aber trotzdem kein Drehmoment erzeugt wird
Wir wollen nun das Pedal weiterbewegen und in einem neuen Punkt festhalten: Hebelarmvektor und Kraftvektor schließen jetzt einen Winkel von 110 Grad , also nicht mehr 90 Grad, miteinander ein.
Dies bedeutet für die Berechnung des Drehmomentes M:
M ist 0,25 Meter mal 600 Newton mal Sinus von 110 Grad.
Der Betrag des Drehmoments beträgt jetzt nur noch 140,95 Newtonmeter.
Wirken der Hebelarmvektor r und der Kraftvektor F in einer Richtung - wenn also das Pedal an der untersten Stelle angekommen ist - so beträgt der Winkel
Phi = 180 Grad.
Es wird zwar immer noch mit der Kraft F angetrieben, aber trotzdem wird in dieser Stellung kein Drehmoment erzeugt.
Die Rechnung M ist 0,25 Meter mal 600 Newton mal Sinus 180 Grad ergibt den Beweis, dass das Drehmoment M den Wert Null hat.
11.3. Kreuzprodukt
Das Vektorprodukt haben Sie bereits kennengelernt. Jetzt erfahren Sie, warum man das Vektorprodukt auch als "Kreuzprodukt" bezeichnet.
Da Vektoren in ihrer Angabe Richtung und Betrag beinhalten, ist einleuchtend, dass das Produkt aus den Vektoren von Hebelarm und Kraft den Drehmomentsvektor bilden muss. Vektor M ist das Vektorprodukt aus Vektor r und Vektor F.
Das Vektorprodukt zweier Vektoren im dreidimensionalen reellen Vektorraum ist ein Vektor, der senkrecht auf der von den beiden Vektoren aufgespannten Ebene steht. Als Verknüpfungszeichen für diese Multiplikation von zwei Vektoren verwendet man ein "Kreuz": x. Man bezeichnet daher das Vektorprodukt auch als "Kreuzprodukt".
Das Kreuzprodukt zweier Vektoren a und b ergibt einen Vektor c, der auf der Ebene, welche die Vektoren a und b aufspannen, senkrecht steht.
Dieser senkrechte Vektor c kann überall auf der Ebene stehen, er ist also an keinen bestimmten Anfangspunkt gebunden.
Es gibt aber zwei Vektoren, die senkrecht auf a und b stehen und die entsprechende Länge haben. Sie weisen in entgegen gesetzte Richtungen.
Den korrekten Vektor bestimmt die Orientierung des Vektorraums.
Das nicht nur im Telekolleg sondern heutzutage allgemein verwendete Koordinatensystem ist ein Rechtssystem. Das heißt, sowohl die Koordinatenachsen x1, x2 und x3, oder auch mit x, y und z bezeichnet, als auch die Vektoren a, b und a x b verhalten sich wie Daumen, Zeigefinger und Mittelfinger der rechten Hand, wenn man den Mittelfinger im rechten Winkel zu Daumen und Zeigefinger von der Handfläche wegstreckt.
Zeigt der Vektor a in Richtung des Daumens und der Vektor b in Richtung des Zeigefingers, so zeigt das Vektorprodukt a x b in Richtung des rechtwinklig abgespreizten Mittelfingers.
11.4. Einheitsvektoren
Wie hängen Koordinatensystem, Einheitsvektoren, Richtungskomponenten und Kreuzprodukt zusammen? Welche Koordinatenwerte hat der auf den Einheitsvektoren der x-Achsen senkrecht stehende Vektor?
Der euklidische dreidimensionale Raum besitzt die Einheitsvektoren 1, 0, 0 in x1-Achsenrichtung und 0, 1, 0 in x2 -Achsenrichtung. Der Einheitsvektor in x3-Achsenrichtung muss, da er auf der Grundebene, die von der x1- und x2-Achse aufgespannt wird, senkrecht steht, das Kreuzprodukt aus den Einheitsvektoren 1, 0, 0 und 0, 1, 0 sein.
Das Ergebnis aber wissen wir, da der Einheitsvektor der x3-Achse die Richtungskomponenten 0, 0, 1 hat.
Wie kommt man also von dem Kreuzprodukt
1,0,0 kreuz 0,1,0 auf den Vektor 0,0,1 ? (Achtung: Dies sind die korrekten Angaben. Im Video verspricht sich Herr Gascha beim Erklären dieser Rechnung.)
Wir wissen, dass senkrechte Vektoren das Skalarprodukt Null besitzen. Dem auf den Vektoren a und b senkrechten Vektor geben wir mal den Buchstaben n. Der Vektor n steht senkrecht auf Vektor a und senkrecht auf Vektor b.
Schreiben wir nun für Vektor n n1, n2 und n3 multiplizieren ihn mit dem Einheitsvektor der x1-Achse, so ergibt sich als Skalarprodukt 0.
Ausmultipliziert ergibt sich n1 mal 1 plus n2 mal 0 plus n3 mal 0 ist 0.
Die Gleichung ist dann wahr, wenn n1 gleich Null ist.
Dasselbe Spielchen machen wir jetzt mit dem Einheitsvektor der x2-Achse.
n1, n2, n3 als Vektor mal Vektor 0, 1, 0 ergibt ebenfalls das Skalarprodukt Null. Ausmultipliziert n1 mal 0 plus n2 mal 1 plus n3 mal 0 gleich Null.
Die Gleichung ist wahr, wenn n2 gleich Null ist.
Der auf den Einheitsvektoren der x1-Achse und x2-Achse senkrecht stehende Vektor hat die Koordinatenwerte 0, 0 und den beliebigen Zahlenwert k. Wenn es aber der Einheitsvektor sein soll, muss k = 1 sein.
11.5. Kreuzprodukt-Berechnung
Jetzt ermitteln wir das Drehmoment des Radfahrers: Wir wandeln Hebelarm und Kraft in räumliche Vektoren um und berechnen unser erstes Kreuzprodukt, oder auch Vektorprodukt.
Nach diesem Muster können wir jetzt auch das Drehmoment unseres Radfahrers ermitteln. Der Hebelarm hatte eine Länge von 0,25 Meter und die wirkende Kraft des Radfahrers einen Betrag von 600 Newton.
Dies wollen wir in räumliche Vektoren verwandeln. Dabei soll der Hebelarmvektor die x1-Achsensichtung einnehmen und der Kraftvektor die x2-Achsenrichtung.
Es ergeben sich dann die Vektoren 0,25 m , 0, 0 sowie 0, 600 N und 0. Diese werden als Kreuzprodukt dargestellt und ergeben dann den auf beiden Vektoren senkrecht stehenden Vektor n mit n1, n2 und n3.
n senkrecht auf dem Vektor 0,25 m , 0, 0, bedeutet, dass das Skalarprodukt gleich Null sein muss. Demnach ergibt sich die Gleichung
n1 · 0,25 m + n2 · 0 + n3 · 0 = 0
mit der Lösung n = 0.
Für n senkrecht auf dem Vektor 0, 600 N und 0 ergibt sich die Gleichung
n1 · 0 + n2 · 600 N + n3 · 0 = 0 mit der Lösung n2 = 0.
Von der Physik her wissen wir aber, dass das Produkt aus Hebelarm und Kraft den Betrag des Drehmomentes ergibt. In unserem Beispiel 0,25 m mal 600 Newton ist 150 Newtonmeter. Und dieses Drehmoment hat die Richtung der x3-Achse. Es ergibt sich somit der Drehmomentsvektor M gleich 0, 0, 150 Newtonmeter. Damit ist unser erstes Kreuzprodukt, oder auch Vektorprodukt, berechnet.
Wir erstellen nun die Definition für das Vektorprodukt - eine Formel, die Sie ab sofort als gegeben anwenden können. Führt man die Rechnung mit allgemeinen Vektoren a und b, wenn also Vektor a die Richtungskomponenten a1, a2 und a3 sowie Vektor b die Richtungskomponenten b1, b2 und b3 aufweist, ergibt das Kreuzprodukt den Vektor n mit den Komponenten
n1, n2 und n3.
Da der Vektor n sowohl auf Vektor a als auch auf Vektor b senkrecht steht, ergibt sich ein Gleichungssystem.
Mit Gleichung I aus n · a = 0
und Gleichung II aus n · b = 0
Es ergeben sich die Gleichungen
a1 · n1 + a2 · n2 + a3 · n3 = 0 und
b1 · n1 + b2 · n2 + b3 · n3 = 0, die ein System bilden.
Um nicht Zeit mit sturen Rechenoperationen zu vergeuden, geben wir nebenstehend das Ergebnis für das Gleichungssystem und somit für den senkrechten Vektor n an. Und somit steht die Definition für das Vektorprodukt, oder auch Kreuzprodukt genannt, fest. Klicken Sie links auf das Bild, um die Definition des Vektorprodukts zu sehen.
Diese Formel finden Sie in Ihrer Formelsammlung. Sie kann ab jetzt als gegeben angewendet werden - ein neues Werkzeugteil in Ihrem Werkzeugkasten.
Sollten Sie Ihre Formelsammlung einmal vergessen haben, lässt sich die Formel aber leicht selbst erstellen.
Sie streichen aus dem Kreuzprodukt in Gedanken die 1. Zeile und rechnen bei den beiden übrig gebliebenen Zeilen links oben mal rechts unten minus links unten mal rechts oben und es ergibt sich die erste Zeile des senkrechten Vektors n mit a2 · b3 minus a3 · b2.
Streichen Sie dann in Gedanken die zweite Zeile und schreiben die erste Zeile als vierte Zeile, damit die Zeilen wieder untereinander stehen, ergibt sich nach demselben Rechensystem links oben mal rechts unten minus links unten mal rechts oben die zweite Zeile des senkrechten Vektors n mit a3 · b1 minus a1 · b3. (Hinweis: Im Video hat sich an dieser Stelle ein Fehler eingeschlichen. Statt b2 müsste es b1 heißen.)
Und das Spielchen noch einmal mit dem gedanklichen Wegdenken der dritten Zeile. Es ergibt sich als dritte Zeile des senkrechten Vektors n
a b minus a b.
Wir fahren fort mit der praktischen Anwendung: Wir können jetzt in jeder Pedalstellung das Drehmoment angeben. Und wir haben nun zwei Methoden, um eine Fläche zu berechnen - eine alte, zeitaufwendige und eine neue, einfachere.
Für unseren Radfahrer könnten wir also jetzt in jeder Stellung des Pedals bei vektorieller Darstellung das Drehmoment angeben.
Zur optischen Wahrnehmung sehen Sie nebenstehend eine grafische Darstellung der beiden Möglichkeiten des senkrechten Vektors n auf einer Ebene, die aus zwei Vektoren a und b aufgespannt ist. Klicken Sie bitte auf das Bild.
Vektor a und Vektor b - in einem beliebigen Winkel Phi zu einander stehend - können das Vektorprodukt a x b als senkrechten Vektor haben, aber auch das Vektorprodukt b x a, das gleichbedeutend dem negativen Kreuzprodukt aus a x b ist. Das Kreuzprodukt zweier Vektoren ergibt also immer einen neuen, auf den beiden Vektoren senkrecht stehenden Vektor.
Der Betrag des Kreuzproduktes a x b entspricht der Fläche des Parallelogramms, das durch die beiden Vektoren a und b aufgespannt wird.
Möchte man aber nur eine Fläche berechnen, so wäre dies nach der alten Methode Betrag von Vektor a mal Betrag von Vektor b mal Sinus eingeschlossener Winkel ebenfalls möglich.
Ob Sie nun weiterhin die alte Methode mit der zeitaufwendigen Berechnung des eingeschlossenen Winkels Phi verwenden wollen, oder die einfachere Methode mit dem neuen Werkzeug anwenden, ist Ihnen überlassen.
Es ergibt die Beziehung:
Betrag des Kreuzproduktes |a x b| ist gleich dem Produkt aus den Beträgen der Vektoren a und b und dem Sinus des eingeschlossenen Winkels Phi.
11.6. Kreuzprodukt: ein weiteres Beispiel
Wir bilden nun das "Kreuzprodukt" der beiden Richtungsvektoren. Unser Werkzeug zur Lösung des Kreuzproduktes ist die vorher erarbeitete Formel.
Zwei Geraden g1 und g2 mit nebenstehenden Vektorgleichungen spannen eine Ebene e auf.
Die beiden Geraden besitzen einen gemeinsamen Punkt P ( -2; 3; 4) und haben die Richtungsvektoren (5; 4; -1) und (2; -2; 3).
Die Richtungsvektoren alleine genügen nun bereits, um einen Vektor ermitteln zu können, der auf dieser Ebene senkrecht steht.
Wir bilden dazu das "Kreuzprodukt" der beiden Richtungsvektoren.
Unser Werkzeug zur Lösung des Kreuzproduktes ist die vorher erarbeitete Formel. Vektor a kreuz Vektor b ist a2 mal b3 minus a3 mal b2, a3 mal b1 minus a1 mal b3 und a1 mal b2 minus a2 mal b1.
Wählen wir nun für den Vektor a den Richtungsvektor der Geraden g1 mit den Komponenten 5, 4 und -1 sowie für den Vektor b den Richtungsvektor der Geraden g2 mit den Komponenten 2, -2 und 3, so erhalten wir durch einfache Zuordnung der Formvariablen unserer Formel einen auf der Ebene senkrecht stehenden Vektor mit a2 gleich 4 mal b3 gleich 3 minus a3 gleich (-1) mal b2 gleich (-2) sowie a3 gleich (-1) mal b1 gleich 2 minus a1 gleich 5 mal b3 gleich 3.
Und als dritte Zeile a1 gleich 5 mal b2 gleich (-2) minus a2 gleich 4 mal b1 gleich 2.
Wir erhalten in der ersten Zeile für 4 · 3 die 12 und für (-1) mal (-2) die Zahl plus 2. Das Subtraktionszeichen bleibt noch unbeachtet.
Für die zweite Zeile (-1) mal 2 gibt (-2) und 5 mal 3 gibt 15.
Und noch die dritte Zeile mit 5 mal (-2) gleich (-10) minus 4 mal 2 gleich 8.
Nach der Punktrechnung nun noch die Strichrechnung und es ergibt sich der auf der Ebene senkrecht stehende Vektor mit den Richtungskomponenten.
12 minus 2 ist 10, (-2) minus 15 ist (-17) und (-10) minus 8 ist (-18).
Natürlich ist dies jetzt nur eine Möglichkeit eines senkrechten Vektors auf der durch unsere beiden Geraden g1 und g2 gebildeten Ebene.
Jedes beliebige Vielfache dieses errechneten Vektors ergibt ebenfalls einen Vektor, der auf der Ebene senkrecht steht. Aber diese Einsicht haben Sie ja bereits aus den letzten Folgen gewonnen. Alle Möglichkeiten könnte man mit k mal 10, -17, -18 beschreiben, wobei k eine beliebige reelle Zahl sein kann.
Zusammenfassung
Zusammenfassend können wir jetzt feststellen, dass man mit Hilfe des Kreuzprodukts, das auch Vektorprodukt genannt wird, sehr schnell Vektoren finden kann, die orthogonal, also senkrecht, zu zwei anderen Vektoren liegen.
Hat man eine Ebene in Parameterform gegeben, so hat man auch immer zwei Richtungsvektoren dieser Ebene. Wendet man das Vektorprodukt auf diese an, erhält man einen orthogonalen Vektor dieser Ebene. Den so gewonnenen Normalenvektor kann man dann für Lagebeziehungen oder Abstände verwenden, oder auch um einfach die Normalenform einer Ebene zu errechnen.
Die komplette Sendung sehen Sie oben als Video - klicken Sie bitte auf den Pfeil.