Grundkurs Deutsch (12) 12.3. Erzählsituation und Handlungsort
Wo und wann spielt die Geschichte, die wir erzählen wollen? Die Antwort auf diese Frage sollte man sich gründlich überlegen - denn sie trägt wesentlich zum Gelingen des Werkes bei.
Neben der Wahl der Handlungsträger ist auch die Wahl des Erzählstils und der Erzählsituation entscheidend. Grundsätzlich wird zwischen drei Typen unterschieden: dem auktorialen, dem personalen und dem Ich-Erzählstil. Was damit gemeint ist, erklärt das Autorenteam von "Wort und Text" im Video.
Wenn Sie sich mit Prosatexten auseinandersetzen, also immer auch die Erzählsituation beachten, denn sie verrät uns etwas über den Erzähler und seine Absichten.
Ob man als allwissender Erzähler auftritt oder gar als "Ich" selbst an der Handlung teilnimmt, hängt auch davon ab, welche Geschichte man erzählen will.
Der Ort und die Zeit der Handlung
Nächste rhetorische Frage: Was haben Chateau d'If, Hadleyville und das Schloss von Doktor Frank-N-furter gemeinsam? … Alle drei Orte sind Schauplätze ziemlich berühmter fiktionaler Geschichten. Chateau d'If ist eine Gefängnisinsel im Mittelmeer. Dort sitzt der Seemann Edmond Dantes, Opfer einer Intrige, vierzehn Jahre lang unschuldig im Kerker, bis er endlich fliehen kann und als mysteriöser "Graf von Monte Christo" furchtbare Rache nimmt.
Hadleyville, ein kleines Nest im Wilden Westen, hat nicht besonders viel zu bieten - außer einem Bahnhof. Und dort warten drei Revolverhelden auf den Mittagszug und auf den Mann, der in ihm sitzt: Frank Miller, der Boss ihrer Gang. Damit ist klar: Dies wird wohl kein besonders guter Tag werden für Marshall Will Kane, denn er hat Miller ins Gefängnis gebracht und der will nur noch eins: Rache. An dieser Stelle braucht man nur noch sagen "Gary Cooper, Grace Kelly" und summen: "Do not forsake me oh my darling", dann wissen Sie endgültig, welcher legendäre Kinowestern in Hadleyville spielt: Fred Zinnemanns "Zwölf Uhr mittags".
Der letzte Schauplatz, das Schloss von Doktor Frank-N-furter: Dazu hauchen wir nur ein kurzes verruchtes "I'm just a sweet transvestite, uuh", werfen etwas Reis in die Luft, murmeln irgendwas von Brad und Janet und Sie wissen Bescheid: Es geht um die "Rocky Horror Picture Show".
Wo und wann spielt unsere Geschichte?
Und unsere Grundkurs-Geschichte? Wo spielt die wohl? Und wann? Das literarische Kopfzerbrechen geht in die nächste Runde. Liebe Autoren, eure Ideen und Gedanken zum Thema "Ort und Zeit" bitte:
Die Autoren von "Wort und Text" machen sich Gedanken über den passenden Ort und die beste Zeit für die Geschichte - die Ideen sprudeln nur so hervor. Sehen Sie, was das Brainstorming bringt und was Kursleiter Arwed Vogel davon hält.
Zusätzliche Spannung durch einen zeitlichen Trick
Zusätzlich kann man in seinen Text auch Spannung erzeugen, indem man das Verhältnis zwischen Erzählzeit (also der Zeit, die ich brauche, um die Handlung zu erzählen) und erzählter Zeit (die Zeit, die die Handlung tatsächlich dauert) variiert, die beiden unterschiedlich dehnt und rafft.
In diesem Satz ist die Erzählzeit zum Beispiel denkbar knapp, die erzählte Zeit jedoch lang:
"Sie fuhr mit dem Schiff nach Amerika."
Und dieser Satz dreht das Verhältnis von Erzählzeit und erzählter Zeit eindeutig um:
"Er nieste, griff mit der linken seiner beiden ringbestückten Hände in die Tasche seiner edlen Anzugshose, aus der er mit eleganter Geste eine weißes Stofftaschentuch zog, welches er an seine bemerkenswert hübsche Nase hob, um sich mit der Selbstverständlichkeit eines Alphamännchens vor aller Damenwelt Augen zu schnäuzen."