Alternsforschung Hoffnung auf ein ewiges Leben
Wir werden immer älter und wünschen uns ein langes, gesundes Leben. Wie kann Altern gestoppt oder vielleicht sogar rückgängig gemacht werden? Die Alternsforschung sucht nach neuen Wegen.
Der Eintritt in die Rente kann heute nicht mehr als Altersbeginn bezeichnet werden, betonen Alternsforscher. Schließlich gibt es genügend gesunde und rüstige Männer und Frauen ab 65 Jahren, die im Vergleich zu Jahrzehnten vorher, mitten im Leben stehen und sich auch nicht alt fühlen. Ihr biologisches Alter entspricht nicht ihrem chronologischen Alter.
Ab wann ist ein Mensch alt?
Die durchschnittliche Lebenserwartung ist in den vergangenen 150 Jahren um 40 Jahre gestiegen. Doch kein Mensch wurde bislang älter als 122 Jahre: Die Französin Jeanne Calment lebte von 1875 bis 1997.
Wenn es inzwischen auch mehr Hundertjährige, sogenannte Supercentenarians, gibt, die maximale Lebensdauer wird nicht länger, trotz aller medizinischen Fortschritte.
Unterscheidung zwischen biologischem und chronologischem Alter
Die Lebensqualität und das biologische Alter zu verbessern, daran forschen Alternswissenschaftler wie Martin Denzel vom Max-Planck-Institut für Biologie des Alterns in Köln. Er und sein Team suchen nach Wirkstoffen für Medikamente, die das biologische Alter verlängern sollen.
Für seine Grundlagenforschung verwendet der Humanbiologe Martin Denzel Fadenwürmer, die er genetisch verändert. Die zellulären Prozesse des "Caenorhabditis elegans" sind denen des Menschen sehr ähnlich. Deshalb eignet sich der Wurm zum Verständnis von Alterungsprozessen. Erste Ergebnisse am Max-Planck-Institut für Biologie des Alterns zeigen, dass gesundes Altern bei Fadenwürmer möglich ist.
"Es gibt tatsächlich Mutanten, für die die ganze Zeit langsamer läuft. Sie entwickeln sich langsamer, die brauchen länger, um ihre Eier abzulegen, um sich fortzupflanzen, sie sind einfach länger fit. Und das Tolle daran ist, dass wir hier eine Trennung von biologischer und chronologischer Zeit haben."
Dr. Martin Denzel, Humanbiologe, Max-Planck-Institut für Biologie des Alterns, Köln
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Bald 150 Jahre? Wie wir länger leben können
Lässt sich der Alterungsprozess aufhalten?
Kann der medizinische Fortschritt den Alterungsprozess aufhalten oder umdrehen? Dann wäre es sogar möglich, den Tod zu besiegen. Doch das bleibt weiterhin Stoff für Science-Fiction-Romane, wenn auch vereinzelte Erfolge gemeldet werden, zum Beispiel mit Medikamenten und Bluttransfusionen. Alternsforscher wie Martin Denzel gehen davon aus, dass die Wissenschaft noch mehr Zeit braucht, bis sie Leben verlängern kann und es soll auch nicht darum gehen, nur ein paar Menschen, die viel Geld dafür zahlen können, sehr alt werden zu lassen.
Wir altern ein Leben lang
Der Alterungsprozess ist sehr komplex und verläuft ein Leben lang. Sichtbar wird er durch Falten auf der Haut und graue Haaren, wenn die Pigmentproduktion nachlässt. Bei mangelnder Bewegung bauen die Muskeln immer mehr ab und das Gedächtnis lässt nach. Die Zellen können sich nicht mehr erneuern und Krankheiten entstehen. Als typische Alterskrankheiten werden Demenz, Schlaganfall, Parkinson oder Arthrose bezeichnet. Altern selbst ist aber keine Krankheit.
Phänomene für die Alternsforschung - ein hässlicher Nager
Ein Nacktmull ist ein mausähnliches Nagetier, das kaum altert und wenn, dann nur sehr langsam. Er ist ein Beweis dafür, dass ein Leben ohne Altern möglich ist. Der Nacktmull ist immun gegen altersbedingte Verfallserscheinungen wie Krebs, Osteoporose oder Herzprobleme. Die Forscher vermuten, dahinter stecke eine ungewöhnlich reparierfreudige DNA und spezielle Proteine, die andere Proteine bei ihrer korrekten Entfaltung unterstützen.
Ein Lurch mit Selbstheilungskräften
Ein anderes Beispiel aus der Tierwelt ist der Axolotl, ein Lurch aus Mexiko mit ganz speziellen Selbstheilungskräften. Wenn er einen Arm oder ein Bein verliert, wachsen sie komplett wieder nach, samt Nerven, Muskeln und Knochen. Sogar Teile des Rückenmarks können sich regenerieren. Bei der Reparatur sind die gleichen Gene und Zellarten aktiv wie beim Menschen, konnte die Regenerationsforscherin Elly Tanaka vom Institut für Molekulare Pathologie in Wien nachweisen. Sie betreut eine der größten Axolotl-Kolonien. Ihre Erkenntnisse wendet sie nun bei Stammzellengewebe an und testet damit Medikamente gegen Altersblindheit.
Können Medikamente das Leben verlängern?
Forscher konnten nachweisen, dass eine Kalorienrestriktion bei Mäusen und Taufliegen zu einem längeren Leben führt. Das wäre an und für sich für uns Menschen ein relativ einfacher Weg: Hungern für ein längeres Leben. Doch Kalorienentzug kann auch zu Mangelerscheinungen führen und schadet der Gesundheit. Deshalb suchen Wissenschaftler nach Stoffen, die ähnliche Prozesse wie Hungern in Gang setzen. "Rapamycin" wurde als vielversprechende Substanz eingesetzt, die das Altern aufhalten könnte. Doch es hemmt auch das Immunsystem. Der Einsatz von Rapamycin als Anti-Aging-Medikament ist deshalb umstritten. Noch wurde der ideale Wirkstoff gegen das Altern nicht gefunden.
Alternsforschung muss auch Lebensqualität stärken
Die Nationale Akademie der Wissenschaften Leopoldina fordert in ihrem Zukunftsreport vom Dezember 2020, dass die Alterns- und Lebenslaufforschung nicht nur Krankheiten im Blick haben sollte, sondern sich zukünftig stärker mit Gesundheitsressourcen und lebenslangem Lernen beschäftigen sollte. Eine längere Lebenszeit fordert einen neuen Blick auf die Gestaltung von Arbeit. Die Wissenschaftler betonen vor allem, dass die gewonnenen Jahre sinnvoll genutzt werden sollten.
Interdisziplinäre Alternsforschung für ein langes Leben
Menschliches Altern ist sehr komplex und es bedarf vieler unterschiedlicher Disziplinen, um den Alterungsprozess zu verstehen. Ein defizitärerer Blick auf das Altern und die damit verbundenen Krankheiten reichen nicht aus. Deutschland hinkt im Vergleich zu anderen Ländern, wie England, den Niederlanden und den USA, bei ihrer Alterns- und Lebenslaufforschung bereits um Jahrzehnte hinterher, erklärt einer der Autoren des Reports. Die Wissenschaftler fordern, Erkenntnisse in Kompetenzzentren zu bündeln und auszutauschen und mehr Forschungsprojekte zu unterstützen. Ziel müsse sein, ein längeres und besseres Leben für den Einzelnen und die Gesellschaft als Ganzes zu ermöglichen.
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