Alternativer Nobelpreis 2015 Für den Einsatz, Menschenrechte durchzusetzen
Der Right Livelihood Award belohnte 2015 den mutigen Einsatz für Kriegsopfer und für die Rechte von Homosexuellen. Ausgezeichnet wurden außerdem eine Inuitaktivistin - und ein ganzes Volk.
Der Right Livelihood Award 2015 ging nach Italien, Kanada, Uganda und an die Marshallinseln im Pazifischen Ozean. Das Volk der Marshallinseln und ihr Außenminister Tony de Brum erhielten einen undotierten Ehrenpreis für ihr Beharren auf die atomare Abrüstung.
Je 106.000 Euro gehen an ...
Mit dem Alternativen Nobelpreis, der mit je rund 106.000 Euro dotiert ist, wurde zum einen der mutige Einsatz für Kriegsopfer in den Krisenherden der Welt ausgezeichnet: Der italienische Arzt Gino Strada erhielt den Preis, weil er seit zwei Jahrzehnten Opfer von Krieg und Verfolgung medizinisch versorgt. Die Auszeichnung ging zudem an die kanadische Inuit-Aktivistin Sheila Watt-Cloutier und die Menschenrechtsaktivistin Kasha Jacqueline Nabagesera. Die junge Frau kämpft "trotz unerträglicher Einschüchterung und Gewalt" in ihrer Heimat Uganda für die Rechte von Homo-, Inter- und Transsexuellen. Verliehen wurden die Preise am 30. November 2015 im schwedischen Reichstag.
"Die vier Preisträger tun nicht weniger, als für unsere Grundrechte zu kämpfen - für die Rechte von indigenen Völkern oder Homosexuellen und für das Recht aller Bürger auf ein Leben frei von Krieg und Klimachaos."
Ole von Uexküll, Direktor der Right-Livelihood-Award-Stiftung
Ehrenpreis für Kampf gegen Atommächte
Das Volk der Marshallinseln im Pazifischen Ozean und ihr Außenminister Tony de Brum erhielten den Ehrenpreis "in Anerkennung ihrer Vision und ihres Mutes, mit rechtlichen Mitteln gegen die Atommächte vorzugehen, weil diese ihren Abrüstungsverpflichtungen aus dem Atomwaffensperrvertrag nicht nachkommen", begründete die Right-Livelihood-Stiftung die Entscheidung. Der 1945 geborene Tony de Brum setzt sich für die Unabhängigkeit, Sicherheit und Zukunftsfähigkeit der Marshallinseln ein und kämpft für die Vision einer atomwaffenfreien Welt. Als Jugendlicher erlebte er 67 Atomwaffentests der USA mit, unter deren Verwaltung die Inselgruppe zu dieser Zeit noch stand. 2014 klagte er dann als Außenminister vor dem Internationalen Gerichtshof gegen alle neun Atomwaffenstaaten: Sie waren ihren im Atomwaffensperrvertrag vereinbarten Abrüstungspflichten nicht ausreichend nachgekommen. Tony de Brum war auch maßgeblich daran beteiligt, dass sich die pazifischen Inselstaaten zu konkreten Klimaschutzmaßnahmen verpflichtet haben. Der Ehrenpreis ist nicht mit einem Geldpreis verbunden. Das Preisgeld in Höhe von insgesamt rund 320.000 Euro teilten sich die drei weiteren Preisträger.
Nothelfer im Krisengebiet
Der italienische Chirurg Gino Strada hat zusammen mit seiner Frau 1994 die Organisation "Emergency" gegründet. Er erhielt den Preis "für die Schaffung hervorragender medizinischer und chirurgischer Nothilfe für die Opfer von Konflikt und Ungerechtigkeit und für seinen furchtlosen Einsatz gegen die Ursachen von Krieg", erklärte die Stiftung. Mit seiner Organisation setzt er sich von Afghanistan bis Sudan seit zwei Jahrzehnten für die Opfer von Kriegen und Verfolgung ein. Er schlage so die "Brücke von Europa zu den Konfliktregionen", sagte Ole von Uexküll, der Direktor der Right-Livelihood-Award-Stiftung und Neffe des Gründers Jakob von Uexküll. "Emergency" betreibt mehr als 60 Krankenhäuser, Kliniken und Erste-Hilfe-Stationen, oft in Zusammenarbeit mit den Regierungen vor Ort, die sich kostenlos und auf hohem medizinischen Niveau um Kriegsopfer kümmern. Die Organisation sorgt außerdem dafür, dass die aufgebauten Strukturen und medizinischen Kenntnisse auch nach der Notsituation im Land verbleiben und sich weiterentwickeln. Strada und "Emergency" haben sich gegen die militärische Beteiligung Italiens an den Kriegen in Afghanistan und im Irak ausgesprochen. Bereits 1997 erwirkten sie, dass die Produktion und Nutzung von Landminen in Italien verboten wurden.
"Alle zeigen, dass es immer doch Wege gibt, wie man etwas bewegen kann."
Ole von Uexküll, Direktor der Right-Livelihood-Award-Stiftung
Vorkämpferin für die Rechte der Inuit
Die Jury ehrte die 61-jährige Sheila Watt-Cloutier aus Kanada "für ihren lebenslangen Einsatz für die Rechte der Inuit und für den Erhalt ihrer Lebensgrundlage und Kultur, die vom Klimawandel akut bedroht sind". Als Chefin des Inuit Circumpolar Councils in Kanada vertrat sie ab 1995 die Interessen der Menschen in den Ländern der Arktis. Watt-Cloutier setzt sich für die wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte der arktischen Inuit ein. Sie sorgte dafür, das Bildungssystem der Provinz Nunavik in Nord-Quebec besser an die Bedürfnisse der Inuit anzupassen. Sie war mit daran beteiligt, die Stockholm-Konvention durchzusetzen, sodass langlebige organische Schadstoffe, die sich in der arktischen Nahrungskette besonders stark anreichern, verboten wurden. Der internationalen Gemeinschaft machte sie deutlich, wie die Treibhausgasemissionen die kollektiven Menschenrechte der Inuit verletzen.
Preis für mutige Menschenrechtsaktivistin aus Afrika
Kasha Jacqueline Nabagesera aus Uganda zeichnete die Jury aus, "weil sie sich trotz unerträglicher Einschüchterung und Gewalt mit Mut und Hartnäckigkeit für das Recht von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Transgender und Intersexuellen auf ein Leben ohne Vorurteile und Verfolgung einsetzt". Gegen Vorurteile und Diskriminierung geht sie mit kreativen Aktionen vor und versucht so, Mythen und Stereotype in Uganda und weltweit abzubauen. Die 1980 geborene Kasha Nabagesera wäre mit Anfang 20 fast von der Universität geflogen, weil sie offen homosexuell lebte. Seither setzt sie sich für die Rechte von Homo-, Bi-, Trans- und Intersexuellen in ihrer Heimat Uganda ein und bringt sich damit oft selbst in Gefahr. Doch selbst als andere Aktivisten ermordet wurden, ließ sie sich nicht abschrecken. 2014 zog sie erfolgreich gegen ein Gesetz vor Gericht, das Homosexualität unter schwere Strafen bis hin zu lebenslanger Haft stellte. Im selben Jahr gründete sie das Hochglanzmagazin "Bombastic" mit, das über das Leben von sexuellen Minderheiten in Uganda aufklärt. "Mit einem wahnsinnigen Mut und Stolz schafft sie es, einen politischen Raum zu schaffen, den viele im Land am liebsten komplett abschaffen würden", sagte Ole von Uexküll. Die Right-Livelihood-Stiftung nannte sie eine der "mutigsten Menschenrechtsaktivistinnen in Afrika".
"Mit ihrer unermüdlichen Arbeit, an den Schauplätzen globaler Krisen und in Gerichtssälen, verteidigen die vier Preisträger die Werte, die vor 70 Jahren zur Gründung der Vereinten Nationen führten. Im Angesicht sich zuspitzender humanitärer Notstände bieten sie konkrete Antworten auf die großen Herausforderungen unserer Zeit wie Krieg, Klimawandel und Diskriminierung."
Ole von Uexküll, Direktor der Right-Livelihood-Award-Stiftung
Deutsche Davids gegen Goliaths
Der Right Livelihood Award
Albert Einstein sagte einmal, eine wirklich gute Idee erkenne man daran, dass ihre Verwirklichung von vornherein ausgeschlossen scheint. Seit 1985 zeichnet der Right Livelihood Award, bei uns als "Alternativer Nobelpreis" bekannt, Menschen aus, die solche unmöglichen Ideen verwirklichen und sich für den Schutz der Umwelt, für Menschenrechte und Frieden einsetzen.
Jakob von Uexküll
Die Idee, einen alternativen Nobelpreis ins Leben zu rufen, hatte der ehemalige Europa-Abgeordnete Jakob von Uexküll (geb. 1944) in den 1970er-Jahren. Damals reiste er um die Welt, sah die Armut und Umweltzerstörung in den Ländern. Zurück in Stockholm schlug er dem Nobelkomitee vor, auch einen Preis für Umwelt und Entwicklung zu vergeben. Der Plan wurde abgelehnt.
Erfinder des Alternativen Nobelpreises
Doch von Uexküll hielt an seiner Vision fest, verkaufte seine exklusive Briefmarkensammlung und gründete von dem Erlös über eine Million US-Dollar die Stiftung für Richtige Lebensführung, die bis heute den Alternativen Nobelpreis vergibt. Seit 1980 wurden zahlreiche Menschen und Initiativen aus den verschiedensten Ländern gewürdigt. Die Feierlichkeiten im schwedischen Parlament in Stockholm finden meist einige Tage vor oder nach der Verleihung der Nobelpreise am 10. Dezember statt. Oft gibt es vier Alternative Preisträger, die sich das Preisgeld von zwei Millionen Schwedischer Kronen (rund 200.000 Euro) teilen. Manchmal wird noch zusätzlich ein Ehrenpreis (undotiert) vergeben. Ermöglicht wird die Unterstützung der Preisträger durch Spenden und Vermächtnisse.
"Der Right Livelihood Award will dem Norden helfen, eine Weisheit zu finden, die zu seiner Wissenschaft passt, und dem Süden, eine Wissenschaft zu finden, die seine alte Weisheit ergänzt."
Jakob von Uexküll