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Wirtschafts-Nobelpreis 2015 Deaton für Analyse von Konsum, Armut und Wohlfahrt geehrt

Der Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften 2015 geht an den 69-jährigen Angus Deaton, der bahnbrechende Arbeiten über Konsum, Armut, Ungleichheit und Gesundheit verfasst hat. Der gebürtige Schotte lehrt an der Universität Princeton.

Stand: 12.10.2015 | Archiv

Angus Deaton, Nobelpreis Wirtschaft 2015 | Bild: dpa-bildfunk, Montage: BR

Wie das Preiskomitee in Stockholm bekannt gab, erhält den "Wirtschafts"-Nobelpreis 2015 Angus Deaton. Der Ökonom wurde für seine bahnbrechenden Arbeiten über Konsum, Armut, Wohlstand und Gesundheit bekannt. Wie kein anderer zuvor habe sich der 69-Jährige mit grundsätzlichen Fragen auseinandergesetzt, um eine Wirtschaftspolitik zu entwerfen, die das Gemeinwohl fördert und die Armut reduziert, teilte die Akademie mit. Seine Forschung sei von "immenser Bedeutung für menschliche Wohlfahrt, nicht zuletzt in armen Staaten".

Sorge um die Armen der Welt

Deaton erhält den Preis, so die Jury, für drei miteinander verknüpfte Leistungen: Zunächst hat er gemeinsam mit John Muellbauer in den 1980er-Jahren ein System entwickelt, mit dem der Bedarf verschiedener Güter prognostiziert werden kann. Dabei ging es auch um die Frage, wie Verbraucher ihre Ausgaben auf verschiedene Güter aufteilen. Aus den Ergebnissen können Politiker auch folgern, wie sich Reformen auf das Verhalten unterschiedlicher Gesellschaftsgruppen auswirken können.

Dann begann der Ökonom Anfang der 90er-Jahre die Beziehung zwischen Konsum und Einkommen zu erforschen. Dabei fand er heraus, dass nur die Analyse von einzelnen Verbraucherdaten Aufschluss darüber geben, wie die Einkommen im gesamten Land genutzt werden. Und schließlich beschäftigt er sich damit, wie Wohlergehen und Armut analysiert und gemessen werden können. Dazu führt er umfassende Haushaltsbefragungen durch.

Deaton, den der Anruf der Akademie aus dem Schlaf gerissen hatte, beschrieb sich nach der Bekanntgabe als jemand, "der sich sorgt um die Armen in der Welt, wie Menschen sich verhalten und was ihnen ein gutes Leben verschafft."

Konsum im Großen und Kleinen

Wie die Akademie erklärte, ist das Konsumieren von Gütern und Dienstleistungen eines der fundamentalen Bestandteile des allgemeinen Wohlergehens. Der Generalsekretär der Akademie, Göran Hansson, erklärte, der diesjährige Preis handele "von Konsum im Großen und im Kleinen."

"Der Geehrte, Angus Deaton, hat unser Verständnis von unterschiedlichen Aspekten des Konsums vertieft. Seine Forschung betrifft ungeheuer wichtige Aspekte des menschlichen Wohlergehens, nicht zuletzt auch das der armen Länder. Deatons Forschung hat starken Einfluss genommen, sowohl auf die praktische Politik als auch auf die Wissenschaftswelt."

Nobelpreis-Kommitee

Indem er die Beziehung zwischen individuellen Konsumentscheidungen und den daraus resultierenden Folgen für die gesamte Wirtschaft hervorhob, half seine Arbeit nach Ansicht des Nobelpreiskomitees, die moderne Mikro- und Makroökonomie sowie die Entwicklungsökonomie weiterzuentwickeln.

Während die Makroökonomie versucht, gesamtwirtschaftliche Märkte und deren Zusammenhänge zu analysieren, werden bei der Mikroökonomie zum Beispiel Haushalte, Kunden oder Unternehmen und deren Entscheidungsprozesse untersucht. Die Entwicklungsökonomie will herausfinden, von welchen Faktoren eine Volkswirtschaft bestimmt ist. Dabei liegt ein besonderes Augenmerk auf der Untersuchung ärmerer Länder.

Gebürtiger Schotte mit doppelter Staatsangehörigkeit

Ein Markenzeichen von Angus Deaton: seine Fliege

Der gebürtige Schotte, der am 19. Oktober 1945 in Edinburgh zur Welt kam, lehrt an der Elite-Universität Princeton in New Jersey (USA). Eine hartnäckige Skepsis und einen Widerwillen, Glück zu bemerken oder zuzugeben, habe er wohl seiner Herkunft zu verdanken, sagte Deaton einmal in einem Interview. Er und seine Schwester waren die ersten in der Familie, die auf die Universität durften, so Deaton.

Deaton studierte an der britischen Cambridge University Ökonomie, 1974 promovierte er dort. In Großbritannien lehrte er an der Universität von Cambridge und an der Universität von Bristol. 1978 wurde er mit der Frisch-Medaille der Economic Society geehrt. 2009 wurde er zum Präsidenten der American Economic Association gewählt. Wie er auf der Webseite seiner Universität erklärt, hat er sowohl die britische als auch die US-amerikanische Staatsbürgerschaft. Dort erläutert er auch seinen aktuellen Forschungsschwerpunkt.

"Meine derzeitige Forschung konzentriert sich auf die Faktoren, die Gesundheit in reichen und armen Ländern bestimmen, sowie auf Messmethoden für Armut in Indien, aber auch weltweit. Zudem widme ich mich auch weiterhin meinem stetigen Interesse an der Analyse von Haushaltsbefragungen."

Angus Deaton

Alle sechs Monate veröffentlicht Deaton in der Royal Economic Society seine viel beachteten "Briefe aus Amerika", in denen er die aktuellen ökonomischen und sozialen Entwicklungen in den USA analysiert und kommentiert.

Der umstrittenste Nobelpreis

Mitglieder der Schwedischen Akademie der Wissenschaften präsentieren den Preisträger Angus Deaton.

Der Preis für Wirtschaftswissenschaften nimmt unter den Nobelpreisen eine Sonderstellung ein: Er wurde erst 1969 zum ersten Mal verliehen. 2009 erhielt mit der US-amerikanischen Politikwissenschaftlerin Elinor Ostrom erstmals eine Frau diesen Preis. Bei den männlichen Preisträgern überwiegen deutlich Ökonomen, die an US-Universitäten oder in den Vereinigten Staaten gearbeitet haben. Insgesamt gilt der Ehrenpreis als umstritten. Denn er geht nicht auf Alfred Nobels Testament zurück, sondern wurde erst nachträglich von der Schwedischen Reichsbank gestiftet – "in Gedenken an Alfred Nobel". Der Anlass war der 300. Geburtstag der Bank.

Dem Chemiker und Industriellen Alfred Nobel selbst sollen die Wirtschaftswissenschaften jedoch nie ganz geheuer und deshalb niemals preiswürdig gewesen sein. Jedoch werden die Preisträger wie bei den Nobelpreisen für Physik und Chemie von der Königlich Schwedischen Akademie der Wissenschaften nominiert und auch im Rahmen der gesamten Preisverleihung überreicht. Doch ihre Namen tauchen im Verzeichnis der Nobelpreisträger nur in einem Anhang auf und werden statt auf die Flächen der Nobel-Medaille auf deren Rand eingraviert.

Bisher wurde diese Ehre nur einem deutschen Wissenschaftler zuteil: dem Bonner Spieletheoretiker Reinhard Selten, der 1994 gemeinsam mit dem US-Amerikaner John Nash und dem ungarisch-amerikanischen Wirtschaftswissenschaftler John Hassanyi den Preis überreicht bekam. Dotiert ist die Auszeichnung 2015 mit etwa 850.000 Euro (8 Millionen Schwedischen Kronen).

Wirtschafts-Preisträger der vergangenen Jahre

  • 2014: Jean Tirole (Frankreich) für seine Arbeiten zu den Themen Marktmacht und Regulierung, vom "Zähmen mächtiger Firmen"
  • 2013: Eugene F. Fama, Lars Peter Hansen und Robert J. Shiller (alle USA) für ihre empirischen Analysen von Aktienkursen
  • 2012: Die Spieltheoretiker Alvin E. Roth (USA) und Lloyd S. Shapley (USA) für ihre grundlegenden Erkennisse, wie verschiedene wirtschaftliche Akteure optimal für alle zusammenkommen.
  • 2011: Thomas Sargent und Christopher Sims für ihre empirische Untersuchung von Ursache und Wirkung in der Makroökonomie
  • 2010: P. Diamond, D. Mortensen, C. Pissarides: für ihre Such-Theorie für Märkte wie den Arbeitsmarkt
  • 2009: Elinor Ostrom, Oliver Eaton Williamson, USA: für ihre Studien über eine konfliktfreie Organisation der Märkte
  • 2008: Paul Krugman, USA: für seine Studien als Handelstheoretiker
  • 2007: Leonid Hurwicz, Eric Maskin, Rober Myerson, alle USA: für die Entwicklung der Theorie des Mechanism Design
  • 2006: Edmund Phelps, USA: für die Erforschung des Zusammenhangs von Preisentwicklung und Arbeitsmarkt
  • 2005: Robert Aumann, Israel und USA, Thomas Schelling, USA: für die Weiterentwicklung der Spieltheorie auf Konfliktsituationen
  • 2004: Finn Kydland, Norwegen, Edward Prescott, USA: für ihren Beitrag zur dynamischen Makroökonomie
  • 2003: Robert Engle, USA, Clive Granger, Großbritannien: für Methoden zur Analyse ökonomischer Zeitreihen
  • 2002: Daniel Kahneman, USA und Israel, Vernon Smith, USA: für die Einführung psychologischer Herangehensweisen in die Wirtschaftswissenschaft
  • 2001: George Akerlof, Michal Spence, Joseph Stiglitz, alle USA: für ihre Analyse von Märkten asymmetrischer Information

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