Wie frei sind die Medien? Warum Pressefreiheit ein Grundrecht ist
"Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt", heißt es im Artikel 5 des Grundgesetzes. Doch in Deutschland - wie auch in vielen anderen Ländern weltweit - wächst die Sorge um das garantierte Recht, ohne Einschränkungen berichten zu können. Drohungen, Beleidigungen, Repressalien bestimmen zunehmend den Alltag von Medienschaffenden. Im Ausland müssen Journalisten gar um ihr Leben fürchten. Wie können wir die Pressefreiheit besser schützen?
Die Gedanken sind frei ...? Was die Pressefreiheit in Deutschland einschränkt
Ein Fotojournalist wird auf einer Demonstration an seiner Arbeit gehindert.
Die Organisation "Reporter ohne Grenzen" (Reporters sans frontière - RSF) erstellt alljährlich eine Rangliste der Pressefreiheit. Die Lage in Deutschland hat sich demnach im vergangenen Jahr um fünf Plätze von Rang 16 auf 21 verschlechtert. Ein Abstieg, der nach Angaben von RSF zum einen mit dem Vorbeiziehen anderer Länder zu erklären sei, die sich stark verbessert hätten. Zum anderen wachse aber auch die Gewalt gegen Journalistinnen und Journalisten in Deutschland: 103 physische Angriffe gegenüber Medienschaffenden dokumentierte RSF im vergangenen Jahr - der höchste Stand seit Beginn der Zählung im Jahr 2015. „Erschreckend ist, dass die Zahl der Übergriffe in Deutschland auf ein Rekordhoch gestiegen ist“, sagt RSF-Vorstandssprecher Michael Rediske. Die Mehrheit dieser Attacken fand dabei in verschwörungsideologischen, antisemitischen und extrem rechten Zusammenhängen statt.
Auch die deutsche Kriminalstatistik zeichnet ein düstereres Bild, wenn es um Angriffe gegen Medienschaffende geht. Nach einer Antwort der Bundesregierung vom März 2023 auf eine Kleine Anfrage im Bundestag hat die Zahl der Straftaten gegen Journalisten und Medienschaffende in Deutschland im Jahr 2022 einen Höchststand erreicht. Insgesamt gab es demnach 320 Delikte gegen Pressevertreter, darunter 46 Gewaltdelikte, 41 Nötigungs- und Bedrohungsdelikte, 31 Sachbeschädigungen sowie 27 Volksverhetzungen. Allein bei Demonstrationen im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie kam es in Deutschland zu 64 Straftaten gegen Journalisten und Medienschaffende, davon 15 Gewaltdelikte. Innerhalb von vier Jahren hat sich damit die Zahl der Angriffe auf Pressevertreter etwa vervierfacht.
Was hat Pressefreiheit mit Demokratie zu tun? Hier geht's zum "So geht Medien"-Webtalk zum Tag der Pressefreiheit am 03.05.2023
Medien als vierte Gewalt: Warum Pressefreiheit wichtig ist
Das Grundgesetz garantiert die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung.
Eine grundlegende Idee der Demokratie ist die Gewaltenteilung: Die gesetzgebenden (in Deutschland: Bundestag und Bundesrat), vollziehenden (Bundesregierung) und Recht sprechenden (Gerichte) staatlichen Gewalten kontrollieren sich gegenseitig und begrenzen so die staatliche Macht. Presse, Rundfunk, Fernsehen und Online-Medien sollen unabhängig von Staat und Parteien differenziert, sachlich und verständlich über das gesellschaftliche Leben berichten und so eine öffentliche Kontrolle ermöglichen. Pressefreiheit bedeutet demnach, dass die Bürger einer Gesellschaft das Recht haben, von freien und unabhängigen Medien ungehindert informiert zu werden. In Deutschland ist dies im Grundgesetz in Artikel 5 festgeschrieben.
Populistische Akteure versuchen allerdings, vor allem in den Sozialen Medien, mit Kampfbegriffen wie "Lügenpresse" und "Fake News" unabhängige Berichterstattung zu verunglimpfen. Stattdessen stellen unter anderem Meinungsmacher und Populisten einseitige oder extreme Positionen als Fakten dar. In der unübersichtlichen Flut von Nachrichten richtig von falsch zu trennen, ist dabei nicht einfach und verlangt von allen Menschen, die Nachrichten und andere Medieninhalte verfolgen, eine gehörige Portion Medienkompetenz.
Pressefreiheit: ein Grundrecht!
"Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt."
Grundgesetz, Artikel 5, Absatz 1
Journalismus international Welches Land die größte Pressefreiheit hat
Die Weltkarte der Pressefreiheit 2023
Wenn Journalisten - in Deutschland oder auch weltweit - bei ihrer Arbeit behindert werden und nicht mehr über Unrecht oder Korruption berichten können, ist die öffentliche Kontrolle und damit die Möglichkeit der Bevölkerung, sich selbst eine Meinung zu bilden, deutlich eingeschränkt. Das betont auch Christoph Dreyer von der Organisation "Reporter ohne Grenzen" (RSF) gegenüber dem Deutschlandfunk: "Länder, die Angst haben vor ihren Bürgerinnen und Bürgern, die Kritik unterdrücken wollen, die nicht zulassen wollen, dass die Herrschenden infrage gestellt werden, haben immer ein Interesse daran, unabhängige Berichterstattung zu unterdrücken und zu behindern." Und umgekehrt sei es so, dass freiheitlich verfasste Länder zulassen, dass es Kritik an den Mächtigen und Regierungswechsel gibt. In diesen Ländern nehme die Presse die Rolle der Vierten Gewalt ein.
Journalistinnen und Journalisten stehen in vielen Teilen der Welt derzeit so stark unter Druck wie selten zuvor. Die Weltkarte der Pressefreiheit ist überwiegend rot und orange, dort ist die Lage "schwierig" oder gar "sehr ernst". Informationssperren und staatliche Desinformation, willkürliche Festnahmen, Gefängnis und sogar Mord schränken die Pressefreiheit auf allen Kontinenten ein, so das Fazit von RSF. Krisen, Kriege und Gewalt bestimmen weltweit die Lage der Pressefreiheit. In der Rangliste von 180 Nationen sind es nur 52 Länder, deren Lage zur freien Berichterstattung als "gut" oder "zufriedenstellend" beurteilt werden kann. Dazu gehören Norwegen, Irland, Dänemark und Schweden auf den ersten vier Plätzen.
Die interaktive Weltkarte zur Pressefreiheit zeigt, dass die freie Berichterstattung selbst in gefestigten Demokratien gefährdet sein kann. So erhalten auch Länder innerhalb der EU, etwa Griechenland auf Rang 107, schlechte Noten. Andere europäische Staaten wie Ungarn, Bulgarien und die Slowakei haben sich in der Rangliste zum Teil deutlich verbessert. Hingegen verschlechterte sich wenig überraschend Russlands Position von Rang 155 auf 164. Insgesamt ist die Lage in 36 von 180 Ländern weltweit „sehr ernst“ – in Kriegsländern wie der Ukraine und dem Jemen ebenso wie in Myanmar und im Iran. Weltweit rangieren Vietnam, China und Nordkorea am unteren Ende der Rangliste der Pressefreiheit.
Berichten unter Lebensgefahr: Diese europäischen Journalisten wurden getötet
Seit 2003 wurden weltweit fast 1700 Journalistinnen und Journalisten aufgrund ihrer oder bei ihren Recherchen ermordet. Die gefährlichsten Länder für Berichterstatter sind Syrien und der Irak. Aber auch in der EU kamen in den vergangenen Jahren mehrere Journalisten aufgrund ihrer Berichterstattung ums Leben. Allein 2022 starben in der Ukraine in den ersten sechs Kriegsmonaten acht Medienschaffende.
Was tun? Wie Pressefreiheit gelingen kann
Polizisten, die die Medien unterstützen, können viel zum Erhalt der Pressefreiheit beitragen
Auch in Deutschland muss sich einiges ändern, damit Medienvertreter unbeeinträchtigt und unabhängig berichten können. Doch welche Maßnahmen würden die Arbeitsbedingungen der Journalisten in Deutschland verbessern?
Der Geschäftsführer von "Reporter ohne Grenzen", Christian Mihr, sieht die Polizei in Deutschland in der Pflicht. Damit sich die Lage der Pressefreiheit bei uns wieder zum Positiven ändere, müssten unter anderem die Aggressionen gegen Medienschaffende aufhören. "Ein wesentlicher Schritt dahin wäre", so der RSF-Geschäftsführer Mihr, "dass die Polizei besser ihrer Aufgabe nachkommt". Häufig würden Polizisten die Journalistinnen und Journalisten nicht ausreichend schützen, etwa, wenn sie am Rande von Demonstrationen geschlagen, getreten oder zu Boden gestoßen werden. Im Rahmen von Polizeiausbildung und Polizeiweiterbildung, so Mihr, müsse die Essenz von Pressefreiheit besser vermittelt werden.
Auch Andrea Czepek, Professorin an der Jade-Hochschule für Journalistik, betont, dass der Beruf für Journalistinnen und Journalisten in Deutschland gefährlicher geworden ist: "Es gibt zwar keine staatliche Gewalt gegen Journalisten, wie etwa in Südamerika, aber es existieren Bedrohungen. Besonders, wenn Journalisten in gefährlichen Milieus recherchieren, wie im organisierten Verbrechen." Medienschaffende benötigten daher einen Schutz nicht nur durch die Polizei, sondern auch durch den Arbeitgeber. Die Arbeitsbedingungen für Journalisten, sagt Czepek, hätten sich in den letzten Jahrzehnten stark verändert. Digitalisierung und Medienkonzentration schränkten die Freiräume für investigativen, kritischen Journalismus ein. Um Themen umfangreich zu recherchieren, benötigen Journalistinnen und Journalisten jedoch Zeit und finanzielle Mittel.