Mit Geoengineering die Klimakrise stoppen Science-Fiction oder Zukunftsoption?
Es klingt nach Science-Fiction: Können wir mit Spiegeln im All, Aerosolen am Himmel oder riesigen CO2-Filtermaschinen die globale Erwärmung aufhalten? Geoengineering wird kontrovers diskutiert - auch, weil sich solche Eingriffe auf die ganze Welt auswirken. Wir erklären euch, welche Methoden es gibt, ob einige davon zukunftstauglich sind und welche Risiken bestehen.
Experten befürchten bereits jetzt, dass wir den Klimawandel nicht mehr rechtzeitig aufhalten können, weil wir unser Verhalten zu langsam ändern oder unsere Bemühungen nicht ausreichen - und wir so das maximale 2-Grad-Ziel weit verfehlen. Die verheerenden Folgen wären unter anderem noch stärkere Temperaturanstiege, Extremwetter wie Hitze und Starkregen. Als Notlösung kommen daher immer wieder technische Möglichkeiten - sogenanntes Geoengineering - ins Spiel. Aber was ist Geoengineering genau - und welche Risiken und Möglichkeiten bringen die Methoden mit sich?
Geoengineering: Was ist das eigentlich?
Als Geoengineering oder Climate-Engineering werden technische Methoden bezeichnet, die das Klima künstlich beeinflussen. Sie sollen helfen, den Klimawandel zu bremsen oder zu kompensieren. Unter den Begriffen werden verschiedene Ideen zusammengefasst.
Die Krux dabei: Sie greifen teilweise massiv in die Natur ein. Die Auswirkungen und Folgen solcher Eingriffe für unseren Planeten sind aber bisher wenig erforscht. Unklar ist auch, ob einzelne Maßnahmen realisierbar sind.
Je nach Methode schätzt der Weltklimarat das Nutzen-Risiko-Verhältnis unterschiedlich ein.
Es gibt zwei Ansätze des Geoengineerings:
1. Das Solar Radiation Management (SRM) fasst verschiedene Methoden zusammen, die die Sonnenstrahlung von der Erde abhalten und so dafür sorgen sollen, dass es auf der Erde kühler wird. Der Weltklimarat rät aktuell von diesen Methoden ab.
2. Der andere Ansatz basiert auf Methoden, Kohlendioxid aus der Luft zu entnehmen, das sogenannte Carbon Dioxide Removal (CDR) oder Negative Emissions Technologies (NET).
Das von uns ausgestoßene CO2, das für den Treibhauseffekt sorgt, soll aus der Luft gefiltert und gespeichert werden. Dabei wird nochmals zwischen technischen und naturnahen Methoden, die natürliche Prozesse imitieren und beschleunigen sollen, unterschieden. Laut Weltklimarat können wir die Klimaziele wohl nicht mehr ohne "negative Emissionen" erreichen.
Video: Carbon Capture - So holen wir mit Geoengineering CO2 aus der Luft
Sonnenstrahlen: Von außen bremsen
Solar Radiation Management ist ein Ansatz des Geoengineerings: Sonnenschirme und Spiegel im All sollen Sonnenstrahlen reflektieren. (Symbolbild)
Was wäre, wenn wir Sonnenstrahlen von der Erde abhalten und damit die Erderwärmung aufhalten könnten? Die Ideen reichen von riesigen Sonnenschirmen bis Spiegeln im Weltall, die die Strahlung reflektieren sollen. Jedoch wären die Kosten immens - und die Umsetzung wahrscheinlich mit einem riesigen Aufwand verbunden. Eine andere Idee ist es, einen Vulkanausbruch "nachzuahmen", und entstand nach dem Ausbruch des Vulkans Pinatubo auf den Philippinen 1991. Damals gelangten Schwefelpartikel in die Stratosphäre, reflektierten die Sonnenstrahlung und sorgten dafür, dass die Durchschnittstemperatur auf der Erde kurzzeitig um ein halbes Grad sank. Den Effekt könnten wir imitieren, indem wir Schwefelpartikel mit Flugzeugen in der Stratosphäre versprühen. Allerdings hätte ein solcher Eingriff erhebliche Nebenwirkungen: Die Schwefelpartikel könnten die Ozonschicht schädigen und der Temperaturunterschied zwischen den Tropen und den Polen würde sich verringern. Forscher gehen außerdem davon aus, dass der Sommermonsun in Ländern wie China und Indien beeinträchtigt wird. Der Regen dort ist aber für die Bauern der Region überlebenswichtig. Umweltschützer und Wissenschaftler halten schon Experimente für so gefährlich, dass sie 2021 einen Feldversuch in Schweden stoppten.
Zitat: Künstliches Klima ohne blauen Himmel
"Durch Emissionsminderungen den Klimawandel zu bremsen, ist in jedem Fall den Aerosolen in der Stratosphäre vorzuziehen. Die künstlichen Aerosole wären nicht nur ein immenser Eingriff in die Natur mit Risiken für den ganzen Planeten, sondern hätten auch gesellschaftliche Konsequenzen: Es gäbe keinen blauen Himmel mehr. Dadurch hätten vermutlich mehr Menschen Depressionen."
Ulrike Niemeier, Klimaforscherin, Max-Planck-Institut für Meteorologie Hamburg
Künstliche Aerosole: Abhängigkeit mit Nebenwirkungen
Nach dem Ausbruch des Vulkans Pinatubo 1991 sank die globale Durchschnittstemperatur um ein halbes Grad.
Wir müssten außerdem immer wieder Aerosole versprühen, denn der Effekt wäre vermutlich nur kurzzeitig: Reduzieren wir unseren Emissionsausstoß parallel nicht stark und hören nach einigen Jahren mit den Injektionen am Himmel auf, müssten wir innerhalb von weniger als zehn Jahren mit einem abrupten Temperaturanstieg rechnen. Daran könnten sich Natur und Tiere wohl nur schwer anpassen, sagt Ulrike Niemeier, Klimaforscherin am Max-Planck-Institut für Meteorologie in Hamburg. Berechnungen legen nahe, dass wir jährlich fünf bis achtmal so viel Aerosole in die Stratosphäre bringen müssten als nach dem Ausbruch des Vulkans Pinatubo 1991: Um jährlich ein einziges Grad Celsius zu senken, bräuchten wir täglich mindestens 7.000 Flüge mit Spezialflugzeugen, die die Partikel in der Stratosphäre versprühen. Und dann stellt sich noch die Frage, woher wir die Schwefelpartikel nehmen: Dafür müssten wir wohl andere Ressourcen verbrauchen. Wegen der vielen Risiken rät der Weltklimarat in seinen aktuellen Berichten von Solar Radiation Management ab.
Riesige Filtermaschinen: Die Luft säubern
CO2-Entnahme auf Island: Filtermaschinen des Projektes "Orca" sollen seit 2021 jährlich 4.000 Tonnen CO2 aus der Luft saugen.
Nach Berechnungen des Weltklimarats werden wir das 2-Grad-Ziel wohl nur noch mit "negativen Emissionen" erreichen können. Die Idee dahinter: CO2 soll wieder aus der Luft geholt werden. Auch für unsere "Restemissionen" werden sie demnach unvermeidlich sein. Dabei handelt es sich um Bereiche, die wohl unvermeidlich nach wie vor Treibhausgase ausstoßen werden - auch wenn wir unsere Klimaziele erreicht haben. Dazu werden wohl die Landwirtschaft oder die Industrie zur Herstellung von Beton und Zement zählen. Forschende gehen davon aus, dass diese Bereiche auch dann noch etwa eine Menge an Treibhausgasen emittieren werden, die mit 10 bis 15 Prozent der heutigen Emissionen vergleichbar sind.
Wissenschaftler versuchen schon jetzt mit Maschinen CO2 aus der Luft zu filtern oder direkt an Kohlekraftwerken zu entnehmen. Unterirdische Lager in der Erde oder am Meeresboden müssten das CO2 im Anschluss lange und sicher lagern können. In Norwegen wird bereits flüssiges CO2 in ehemalige Erdgas- und Erdöllagerstätten in die Erde oder in den Meeresgrund gepresst. Ob das CO2 dann dauerthaft gespeichert wird, ist nicht unbedingt klar. Die Projekte erwiesen sich bisher als relativ sicher. Allerdings zeigen Experimente und Modelle, dass es auch zu Lecks kommen kann. Im schlimmsten Fall könnte das CO2 durch Naturkatastrophen, Unfälle oder Kriege zurück in die Atmosphäre gelangen oder dem Ozean schaden. Ein weiteres Problem dieser Methoden: Die riesigen Maschinen, die das C02 filtern, haben bisher selbst einen immensen Energieverbrauch - und wir würden sehr viele von ihnen brauchen. Um einen Effekt auf die Erderwärmung zu haben, müssten sie mit erneuerbaren Energien betrieben werden. Eine andere Idee ist, die Energie zu nutzen, die bei der Müllverbrennung entsteht, um die Maschinen zum Laufen zu bringen.
Audio: Mit Technik gegen die Klimakrise
Aufforsten: Fläche fünfzig mal so groß wie Deutschland
In der Natur wird CO2 aufgenommen, gespeichert und umgewandelt - nur dauert das teilweise lange. Deshalb gibt es die Idee, natürliche Prozesse künstlich zu beschleunigen und nachzuahmen. Zum Beispiel, indem wir Wälder ausdehnen. Eine weitere Möglichkeit ist, schnellwachsende Pflanzen wie Elefantengras auf Biomasseplantagen anzubauen, sagt Julia Pongratz, Professorin für physische Geographie und Landnutzungssysteme an der LMU München, die das Forschungsprogramm zur landbasierten CO2-Entnahme "CDRterra" leitet. Verbrennen wir diese Biomasse, könnten wir die dabei gewonnene Energie anstatt fossiler Brennstoffe verwenden. Das CO2 könnten wir dabei abzweigen. Dann müssten wir es sicher im Boden speichern.
In Szenarien, die die globale Erwärmung auf 1, 5 Grad begrenzen, bräuchten wir der Wissenschaftlerin zufolge bis 2050 weltweit rund 300 Millionen Hektar zusätzlichen Wald und 200 Millionen Hektar Ackerland für Bioenergie. Das entspricht ungefähr der Größe von Indien beziehungsweise Mexiko, sagt Julia Pongratz. Laut Pongratz sei das eine Größenordnung von zusammengenommen einem Drittel aller landwirtschaftlichen Flächen weltweit und einem Viertel der Felder in Deutschland, die wir aufforsten müssten. Andere Forscher gehen sogar von einer benötigten Fläche aus, die fünfzig mal so groß wie Deutschland sein müsste - nur um unsere weltweiten Restemissionen zu tilgen.
Auch nicht ohne Risiken: Aufforstung im ganz großen Stil
Eine der größten Hürden dabei ist, dass wir die meisten Flächen für die Landwirtschaft nutzen. Daher werden immer wieder Vorschläge laut, Wüsten und Steppen, die sich weltweit stärker ausbreiten, zu nutzen. Die Idee, eine "Great Green Wall", einen Grünstreifen in der Sahara zu pflanzen, kam bereits im vergangenen Jahrhundert auf. Auch dann würden wir jedoch Ökosysteme und Wasserkreisläufe verändern. Forsten wir in den oft hellen Wüsten auf, könnte es auf der Erde sogar wärmer werden. Die Farbe der Erde würde sich verändern und das Sonnenlicht nicht mehr so stark reflektieren.
Alle CO2-Entnahme-Methoden haben nur begrenzte Potentiale und gehen mit Risiken und verschiedenen Nebenwirkungen einher, betont Julia Pongratz. Ihrer Ansicht nach müssten wir verschiedene Maßnahmen sinnvoll kombinieren. Alleine in der Gruppe, die die Fotosynthese von Pflanzen nutzt, gäbe es eine ganze Reihe von Methoden, so die Wissenschaftlerin. Einige Methoden nutzen wir bereits jetzt: Um Biokraftstoffe zu gewinnen, verwenden wir Erntereste, Gülle und andere Bioabfälle. Die beim Verbrennen entstehende Biokohle kann den Boden sogar fruchtbarer machen. Dennoch können auch diese Methoden der Biodiversität und den Böden schaden.
Kleinraspeln: Jedes Jahr einen Berg
Künstliche Verwitterung ist eine Methode der CO2-Entnahme: Auch diese Geoengineering-Technik ist mit hohen Risiken verbunden.
Eine der aussichtsreichsten Ideen der naturnahen Methoden: Das Prinzip der Verwitterung nachahmen. Zumindest nach den Untersuchungen des DFG-Forschungsprojekts "Climate Engineering - Risks, Challenge, Opportunities?", das von Klimaforscher Andreas Oschlies vom GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel geleitet wird. In der Natur entfernen verschiedene Gesteinsarten in Kombination mit Wasser CO2 aus der Atmosphäre und binden es dauerhaft. Wir nutzen diesen Effekt schon jetzt, um saure Böden zu bearbeiten und Felder zu düngen. Gleichzeitig macht Kalk oder Basaltgestein den Boden fruchtbarer. Künftig könnten wir Gestein auf Felder und in Ozeane streuen. Eine Studie von der Universität Augsburg kam sogar zu dem Ergebnis, dass der klimaschützende Effekt in natürlichen Ökosystemen mit nährstoffarmen Böden noch stärker ist als auf Feldern. In diese Ökosysteme einzugreifen, wäre jedoch riskant: Der Boden kann mit Schwermetallen belastet werden, aber es kann auch zu uns noch völlig unbekannten Nebeneffekten kommen. Außerdem wäre der Aufwand immens: Wir bräuchten sehr viel Gestein - global gesehen jedes Jahr die Größenordnung eines Berges, den wir kleinraspeln müssten. Auch das Gestein zu verteilen, würde eine Kraftanstrengung bedeuten. Eine Option jedoch ist, die Infrastruktur der Kohleindustrie zu nutzen.
Viele Forscher betonen jedoch: Bei naturnahen Methoden handelt es sich ebenfalls um Geoengineering - auch sie greifen stark in Ökosysteme und das Klima ein.
Ethische Bedenken: Soziale und politische Folgen
Bei den meisten Ideen zeigt sich: Geoengineering und seine Risiken sind auch aus ethischer Perspektive bedenklich. Die Methoden können als Ausrede dienen, den Klimaschutz aufzuschieben. Und sollten wir Menschen überhaupt so stark in die Natur eingreifen? Bereits Feldversuche können erhebliche Nebeneffekte haben - auch solche, die wir noch gar nicht kennen. Deshalb fordern einige Wissenschaftler sogar, Experimente mit Geoengineering ganz zu lassen. Andererseits gibt es von Forschern das Argument, dass wir durch unsere Emissionen schon so stark in die Natur eingreifen, wie wir es mit Geoengineering auch tun würden. Durch die Forschung könnten wir Risiken besser abschätzen und wären für die Zukunft zumindest vorbereitet.
Der im Juli 2015 veröffentlichte europäische Forschungsbericht "Eutrace" betrachtete Geoengineering ebenfalls skeptisch. Zum einen wegen der ungewollt ausgelöst werden könnten, eventuell auch gefährlichen, klimatischen Nebenwirkungen. Zum anderen, weil durch einen Geoengineering-Einsatz durchaus nationale Konflikte oder sogar ein Krieg ausgelöst werden könnte. Deshalb sei Geoengineering in den nächsten Jahrzehnten nicht praktikabel. Prof. Dr. Mark Lawrence ist wissenschaftlicher Direktor des Potsdamer Instituts für Nachhaltigkeitsstudien IASS und sieht die Gefahr, dass wir uns auf Methoden, die die Luft filtern, verlassen.
Zitat: Nicht auf Geoengineering verlassen
"Erst zur Mitte dieses Jahrhunderts wären wir mit den CDR-Technologien soweit, dass sie eine Möglichkeit der CO2-Entfernung in klimarelevanten Mengen darstellen könnten. Aber bis 2050 müssten wir bereits die klimaschädlichen Emissionen auf Null reduziert haben, um unter zwei Grad zu bleiben."
Prof. Dr. Marc Lawrence, wissenschaftlicher Direktor des Potsdamer Instituts für Nachhaltigkeitsstudien (IASS)
Beispiel Meeresspiegel: Geoengineering kann Anstieg nicht stoppen
Eine Geoengineering-Idee: Der Anstieg des Meeresspiegels soll gebremst werden, indem Wassermassen umverteilt werden.
Dass es kaum möglich ist, mit Technik die Folgen der Erderwärmung zu reduzieren, zeigt das Beispiel des steigenden Meeresspiegels: Bis Ende des Jahrhunderts soll der Meeresspiegel global im Durchschnitt um mindestens 40 Zentimeter ansteigen. Experten erwarten, dass es bei fehlenden Klimaschutzmaßnahmen bis zum Jahr 2100 mehr als 130 Zentimeter werden. Um den Anstieg zu bremsen, wurde überlegt, Wassermassen auf den antarktischen Kontinent zu pumpen. Dieser Geoengineering-Idee erteilte das Potsdam-Institut für Klimaforschung (PIK) im März 2016 jedoch eine Absage: Nachdem die Forscher das Szenario durchgerechnet hatten, stellten sie fest, dass das auf die Antarktis gepumpte Wasser zwar dort gefrieren, sein Gewicht aber das Eis verstärkt in Richtung antarktische Küste drücken würde. Dort würden die Eismassen in den Ozean abbrechen und zu einem weiteren Anstieg des Meeresspiegels führen. Damit das Wasser für ein Jahrtausend dort gespeichert werden könnte, so die Studie, müsste es mindestens 700 Kilometer ins Landesinnere gepumpt werden. Dazu würde ein Zehntel der aktuellen weltweiten Energieversorgung benötigt. Das entspricht rund 850.000 Windrädern, die auf dem Eiskontinent gebaut werden müssten. Wie Katja Frieler vom PIK betonte, sollte geprüft werden, ob es theoretisch möglich sei, unbewohnte Antarktisgebiete zu opfern, um stark bevölkerte Küstenregionen zu retten. Doch läuft der Treibhausgasausstoß weiter wie bisher, würde nicht mal so ein gigantisches Projekt den Anstieg des Meeresspiegels substanziell begrenzen.
Naturnahe Methoden: Ebenfalls hohe Risiken
Der Weltklimarat schätzt Solar Radiation Management (SRM) in seinen aktuellen Berichten als risikoreicher als CO2-Entnahme (CDR) ein. Die IPCC-Berichte gehen sogar davon aus, dass wir nur noch mit negativen Emissionen, also CO2-Entnahme, die Klimaziele erreichen können. Außerdem gibt es selbst im besten Fall, wenn wir unsere Emissionen stark reduzieren, Bereiche, die wahrscheinlich weiterhin Treibhausgase ausstoßen wie die Müllindustrie oder die Landwirtschaft. Dadurch entstünde ein Rest an Treibhausgasen - etwa 10 bis 15 Prozent der heutigen Emissionen, die sich noch auf das Klima auswirken. Auch diese können wir wahrscheinlich nur mit negativen Emissionen kompensieren. Die EU und Deutschland fördern mittlerweile mehrere Projekte wie das EU-Programm "GENIE" oder das Projekt "CDRterra", ein vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderter Zusammenschluss von hundert Forschenden zum Thema landbasierte CO2-Entnahme unter der Leitung von Prof. Dr. Julia Pongratz. Dabei möchte man neben den naturwissenschaftlichen Risiken auch herausfinden, wie Geoengineering sozialverträglicher werden kann.
Experimente: Kaum internationale Regeln
Um Geoengineering zu verhindern, können Gegner sich bisher auf das Völkerrecht und internationale Abkommen zum Schutz der Biodiversität, des Meeres und der Ozonschicht beziehen. Eine weltweit gültige Definition von Geoengineering oder eine verbindliche Gesetzgebung gibt es bisher aber nicht. Deshalb ist auch die Abgrenzung zum Klimaschutz schwammig. Das lässt das Risiko für einen willkürlichen Einsatz von Geoengineering steigen. Auch globale Ungleichheiten könnten sich verstärken, wenn durch Geoengineering Dürren oder Niederschläge in einigen Ländern stärker auftreten. Aber wer sollte über den Einsatz von Geoengineering mit Folgen für den gesamten Erdball bestimmen? Ein Teil der Wissenschaft fordert deshalb, Institutionen zu schaffen, die den Einsatz von Geoengineering kontrollieren und gleichzeitig Regelwerke für die Forschung vorgeben. Die meisten Wissenschaftler betonen jedoch, dass Geoengineering im besten Fall nur eine Ergänzung zu Emissionsminderungen sein kann - damit wir schneller die Klimaziele erreichen oder Restemissionen entfernen können.
Zitat: CO2-Entnahme kein Ersatz für Klimaschutz
"CO2-Entnahme-Methoden dürfen kein Ersatz dafür sein, unsere Emissionen schnell, massiv und dauerhaft zu mindern. CDR sollte nur zusätzlich eingesetzt werden und keinesfalls eine ambitionierte Klimapolitik untergraben. Um CO2-Entnahme so umsetzen zu können, dass sie ökologisch und ökonomisch sinnvoll sowie gesellschaftlich und politisch machbar ist, brauchen wir eine offene Forschung zu allen Verfahren der Kohlenstoff-Entnahme."
Prof. Dr. Julia Pongratz, Professorin für physische Geographie und Landnutzungssysteme, LMU München, und Koordinatorin des Forschungsprogramms CDRterra
Nutzen und Risiko: Vor- und Nachteile im Überblick
PRO:
● Wir könnten die Klimaziele nicht mehr erreichen, nur indem wir unser Verhalten ändern und Emissionen reduzieren.
● Selbst wenn wir die Klimaziele erreichen und kaum Emissionen mehr ausstoßen, gibt es noch unvermeidliche Restemissionen, also Bereiche, die weiter Treibhausgase verursachen - wie die Landwirtschaft.
● Der Einsatz von Methoden zur CO2-Entnahme (CDR) wird teilweise als weniger risikoreich eingeschätzt als Solar Radiation Management (SRM).
● Der Weltklimarat empfiehlt negative Emissionen (CDR), um die Klimaziele zu erreichen, und sieht sie sogar als notwendig an, um unvermeidliche Emissionen aus der Atmosphäre zu entfernen.
● Durch die Forschung zu Geoengineering können Risiken besser eingeschätzt und Regierungen auf den Ernstfall vorbereitet werden.
● Internationale Gesetze können dazu führen, dass CO2-Entnahme nicht dazu genutzt wird, Emissionsminderungen zu vermeiden, sondern sie zu ergänzen.
CONTRA:
● Geoengineering kann als Ausrede für weniger Klimamaßnahmen genutzt werden.
● Die Technologien sind in einem frühen Entwicklungsstadium und nur theoretisch erprobt: Die Risiken sind selbst bei Feldversuchen hoch.
● Die Methoden benötigen viel Energie und Rohstoffe und sind teurer, als wenn wir unsere Emissionen senken.
● Ökosysteme können zerstört werden.
● Die Ansätze stellen keine dauerhafte Lösung dar.
● Unser ganzer Planet wäre betroffen und es kann zu starken sozialen und politischen Folgen wie Ungleichheiten und Krieg kommen.
● Der Einsatz erfordert stabile politische Systeme, da die Methoden sonst willkürlich eingesetzt werden können.
● Es gibt bisher keine verbindliche Definition und nur wenig Gesetze und Kontrollmechanismen.
Zukunftsszenario: Portfolio an unterschiedlichen Methoden
"Wahrscheinlich ist, dass künftig ein Portfolio an CDR-Methoden in verschiedenen Regionen eingesetzt wird. Auch, weil keine Methode eine Wunderwaffe ist. Jede hat ein begrenztes Potential und birgt Risiken. Daneben brauchen wir ein Zertifizierungssystem, damit transparent bewertet werden kann, wie viel CO2 eine Maßnahme der Atmosphäre tatsächlich entzieht und wie dauerhaft sich die Speicherung von CO2 gestaltet. Ein Zertifizierungssystem ist auch eine notwendige Grundlage, um finanzielle Anreize für eine Umsetzung von CDR zu schaffen."
Prof. Dr. Julia Pongratz, Professorin für physische Geographie und Landnutzungssysteme, LMU München, und Koordinatorin des Forschungsprogramms CDRterra
Bildergalerie: Verschiedene Geoengineering-Methoden im Überblick
Quellen und Sendungen: Weitere Infos über Geoengineering
- DFG-Forschungsprogramm "Risiken, Herausforderungen, Möglichkeiten" zur Bewertung von Geoengineering-Methoden (spp-climate-engineering.de)
- FAQ zum Thema Geoengineering (deutsches-klima-konsortium.de)
- Was sind "negative Emissionen" und warum brauchen wir sie? (leopoldina.org)
- Informationen des GEOMAR Helmholtz-Zentrums für Ozeanforschung Kiel (carbondioxide-removal.eu)
- BMBF-Fördermaßnahme CDRterra, die an terrestrischen CO2-Entnahmemethoden forscht (fona.de)
- Report des EU-Projekts EuTRACE (rifs-potsdam.de)
- EU-Projekt GENIE (cordis.europa.eu/project/id/951542/de)
- Studie über Gesteinsmehl zur Verwendung von Geoengineering (uni-augsburg.de)
- "Kann Geoengineering das Klima retten?": 42 - Die Antwort auf fast alles, ARD alpha, 18.11.2024, 21.45 Uhr
- "Kühlung für die Erde - Wie holen wir das CO2 aus der Luft?": ARD alpha, 18.11.2024, 21.00 Uhr
- "Natur oder Technik gegen den Klimawandel": Wissen vor acht - Erde, Das Erste, 02.11.2022, 19.45 Uhr
- "Geoengineering - Wenn Ingenieure Klima machen": WDR 5 Tiefblick, 16.06.2019