Gewohnheiten leichter ändern Nudging für ein besseres Verhalten
Gute Vorsätze allein reichen nicht aus, um sich gesünder zu ernähren oder mehr mit dem Rad zu fahren. Nudging soll helfen, Gewohnheiten ohne Vorschriften zu verändern. Auch Regierungen interessieren sich für diese Form der Verhaltensbeeinflussung.
Menschen handeln und entscheiden oft aus Gewohnheit, das liegt in unserer Natur. Trotzdem verwehren wir uns gegen Manipulation und kaufen aus Prinzip nicht immer das Produkt, welches uns die Werbung verheißungsvoll ankündigt. Denn bei Werbespots sind uns meist die Verkaufstricks offensichtlich. Doch wie sieht das mit diskreten Entscheidungshilfen aus, sogenannten Nudges (Englisch für "Stupser"), die uns Menschen zu nachhaltigem Handeln erziehen möchten? Vor allem wenn hinter der Verhaltensänderung gute Vorsätze stehen?
Gewohnheiten subtil verändern
Mit Nudging sollen Gewohnheiten ohne Verbote und Regeln in eine positive Richtung gelenkt werden. Das gelingt nur dann, wenn sich Menschen freiwillig entscheiden dürfen und starre Verhaltensmuster einfach zu durchbrechen sind. Nudging versucht dabei, den emotionalen Teil der menschlichen Entscheidungsfindung anzusprechen.
Beispiele für Nudging:
- Infos und Signale auf Zigarettenschachteln, um die negativen Folgen des Rauchens zu betonen.
- Zugänge erleichtern und gesunde Produkte beim Einkaufen auf Augenhöhe platzieren.
- Grundeinstellungen anpassen, damit beim Drucken der beidseitige Druck automatisch funktioniert, um nicht unnötig Papier zu verschwenden.
- Soziale Normen anstupsen, indem ein Schild beim Händewaschen anzeigt, dass andere Menschen sich auch täglich die Hände vor einem Meeting waschen.
Anstupsen und nicht Vorschreiben
Für Verhaltensforscher hat die Methode großes Potenzial. Dahinter steht eine verhaltensökonomische Forschung die, im privaten Bereich sinnvoll angewendet, großes Bewirken kann. Ursprünglich entwickelt wurde Nudging von dem Rechtswissenschaftler Cass Sunstein zusammen mit dem Wirtschaftswissenschaftler Richard Thaler, als eine Theorie des "libertären Paternalismus". Grundlegend ist die Erkenntnis, dass Menschen ihre Entscheidungen nicht immer rational treffen. Diese typischen menschlichen Fehleinschätzungen auszugleichen, ohne dass die Menschen es selbst merken, bezeichnet man als Nudging: Anstupsen statt Vorschreiben.
Grenzen von Nudging
Nudging für mehr nachhaltiges Verhalten in der Stadt. Mit Gratistickets den Umstieg von Auto auf öffentlichen Verkehrsmittel fördern.
Wenn Regierungen Nudging anwenden wollen, dann wird das zunehmend kritisiert. Bürger sollen Entscheidungen bewusst treffen und über diese gründlich reflektieren, fordern Bildungswissenschaftler. Seit zehn Jahren wird Nudging erforscht. Während der Obama-Regierung war Nudging eine angewandte Methode, Republikanern zu zeigen, dass man die Freiheit des Einzelnen bewahrt und gleichzeitig wohlfahrtsstaatliche Ziele verfolgt werden, betont der Rechtswissenschaftler Professor Hans Michael Einig von der Universität Göttingen. In Deutschland gelingt dieses Nudging nur bedingt, denn der Sozialstaat wird weitgehend akzeptiert, mit seinen Regeln und Anforderungen. Nudging könnte jedoch sinnvoll zum Klimaschutz eingesetzt werden, wenn in Städten mehr Raum für Radfahren und Fußwegen entstehen.
Probleme bei subtilen Nudging
Nudges für eine gesunde Ernährung sollen in Kantinen die Entscheidung für gesunde Gerichte fördern. Zum Beispiel indem die Salatbar auffällig in die Mitte platziert wird und trotzdem Fleischgerichte angeboten werden. Das wird von vielen Menschen eher akzeptiert als ein "Veggie-Day". Der Soziologe Stephan Lessenich betont jedoch, dass bei dem Thema "Gesunde Ernährung fördern" auch eine bewusste Auseinandersetzung notwendig ist.
"Eigentlich ist das eine Frage von öffentlicher Debatte und demokratischer Diskussion: Wie wollen wir uns eigentlich ernähren? Wie soll der Staat das befördern, dass man sich gut ernährt? Soll in Schulen ein Mittagessen umsonst gereicht werden? Soll das eine bestimmte Qualität haben - oder müssen wir auch mal auf bestimmte Dinge verzichten?"
Prof. Dr. Stephan Lessenich, Institut für Soziologie, LMU München
Nudging in der Warteschlange
Ladenbesitzer sind in der Corona-Pandemie gesetzlich verpflichtet, einen Mindestabstand zum Schutz ihrer Kundschaft und Belegschaft sicherzustellen. Auf den Boden geklebte Linien sollen beim Warten von der Kasse helfen, den von der WHO empfohlenen Sicherheitsabstand von 1,5 Metern zu anderen Personen einzuhalten.
Eine Forschungsgruppe der Universität Bayreuth vom Lehrstuhl für Marketing und Konsumentenverhalten suchte nach besseren Hilfestellungen: Ihre Beobachtungen zeigten, dass die 1,5 Meter Abstand in den Warteschlangen nicht ausreichend eingehalten werden. Denn Linien am Boden werden oft übersehen, nur etwa ein Drittel der Kunden hält sich daran. Die Forscherinnen und Forscher klebten Fußabdrücke kombiniert mit Schildern auf den Boden, welche auf einen geforderten Mindestabstand von 1,5 Metern hinwiesen. Ihre Ergebnisse zeigen, dass dieses Nudging bei über der Hälfte der Kunden zu einer Verhaltensänderung führte. 63 Prozent der Kunden hielten daraufhin den geforderten Mindesabstand ein.
"Es bedarf einfach zu verstehender, vorab auf ihre Wirksamkeit getesteter Nudges zur Förderung der notwendigen Verhaltensweisen zum eigenen Schutz. Und es liegt nahe, bei weiteren Lockerungen mehr Nudges als Erinnerungen an das richtige Verhalten zu nutzen, um das selbstverantwortliche Handeln der Bürgerinnen und Bürger zu fördern."
Prof. Dr. Claas Christian Germelmann, Universität Bayreuth, Lehrstuhl für Marketing und Konsumentenverhalten