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DNA-Speicher Gigantische Datenmengen auf DNA

Klingt wie Science Fiction, ist es aber nicht: Was USB-Stick und Festplatte können, kann unsere DNA schon lange – nämlich Informationen speichern. Forscher sind der Ansicht, das Speichermedium der Zukunft könnte deshalb aus DNA bestehen.

Von: Leander Beil

Stand: 11.05.2021

DNA-Doppelhelix; DNA soll in Zukunft gigantische Datenmengen speichern können | Bild: colourbox.com

Um das Jahr 2000 gelang Wissenschaftlern erstmals die Entschlüsselung der menschlichen DNA. Was vor 20 Jahren in der Genetik einem Quantensprung glich, ist heute die Basis für Forschungen unterschiedlichster Natur: Das zeigt unter anderem die Arbeit von Reinhard Heckel, Professor am Institute for Advanced Study der TU München. Er übersetzt digitale Daten in DNA.

Daten werden mithilfe eines Algorithmus in DNA übersetzt

Die Daten können zum Beispiel Bücher, aber auch Filme sein; sie liegen als Sequenzen von Nullen und Einsen vor. Die DNA wiederum besteht aus den Grundbausteinen Guanin (G), Thymin (T), Cytosin (C) und Adenin (A) – sogenannte Nukleinbasen. Ähnlich wie bei den Nullen und Einsen ergeben sich die Informationen aus der Reihenfolge der Einzelbestandteile G, T, C und A.

Mithilfe eines Algorithmus übersetzt Reinhard Heckel die jeweiligen Buch- oder Film-Daten in kurze DNA-Segmente. Die Segmente liegen dann ungeordnet vor. Dieses Problem und weitere daraus resultierende Fehler müssen in der Folge durch einen Code korrigiert werden. Nicht immer funktioniert die Übertragung also ganz reibungslos, auch wenn sie im Prinzip recht simpel ist: Gemäß der Systematik des Binärcodes wird 00 zu A, 01 zu C, 10 zu G und 11 zu T.

DNA wird Nukleotid für Nukleotid zusammengesetzt

Prof. Reinhard Heckel forscht an der Übersetzung von Daten in DNA; Reagenzfläschen mit DNA-Material

Liegt nun so das neue Rezept für die Daten-DNA vor, geht das Ganze ans Labor. Dort werden die Stränge nun gemäß Vorgabe aus G, T, C und A vollautomatisiert zusammengesetzt. DNA-Stränge werden unter anderem durch verschiedene Technologien, wie zum Beispiel DNA-Print-Verfahren, Nukleotid für Nukleotid auf einem Array aufgebaut. Das ist relativ schwierig umzusetzen und daher im Moment noch sehr teuer.

Aber: Wie macht man die Daten-DNA haltbar?

Nun muss die DNA noch haltbar gemacht werden. Eine spezielle Methode dafür hat der Chemieingenieur Robert Grass von der ETH Zürich zusammen mit seinem Kollegen Wendelin Stark entwickelt, für die beide den Europäischen Erfinderpreis 2021 erhalten. Sie verwenden winzige Glaspartikel als Schutz um die einzelnen DNA-Moleküle:

"Auf der Oberfläche von DNA lassen wir sozusagen Glas molekular wachsen. Dabei müssen wir sicherstellen, dass die Moleküle vollkommen umschlossen sind, dass es keine Lücken gibt. Denn die Hauptfeinde sind Wasser und Sauerstoff. Das sind die Hauptreagenzien, bei denen DNA mit der Zeit kaputtgeht. Glas hat da eine sehr kleine Durchlässigkeit von Sauerstoff und Wasser und eignet sich deshalb besonders gut."

Robert Grass, ETH Zürich

Riesige Datenmenge auf DNA

DNA als Speicher: Robert Grass und Wendelin Stark, Finalisten des Europäischen Erfinderpreises 2021

Auf diese Weise machen die Glaspartikel die DNA für circa 1000 Jahre haltbar – viel länger als bei herkömmlichen Datenspeichern. Und die Methode hat noch weitere Vorteile. Robert Grass betont besonders die kaum zu fassende Datenmenge, die auf gerade mal einem Gramm von Glas ummantelter DNA gespeichert werden könnte: Hier liegt seine Schätzung bei circa einem Exabyte, umgerechnet eine Million Terabyte. Zum Vergleich – ein Exabyte Speicher würde Platz bieten für circa elf Millionen HD-Filme. Aufgrund dieser immensen Kapazität könnte man wegkommen von Serverfarmen, die extrem viel Energie schlucken.

Produkte könnten "Fingerabdruck" erhalten

DNA-Doppelhelix: Mit der Datenspeicherung auf DNA könnten Produkte eine Art "Fingerabdruck" erhalten

Daüber hinaus beeindrucken die vielfältigen Nutzungsmöglichkeiten der winzigen DNA-Glaskügelchen. Denn sie könnten in Zukunft direkt in verschiedene Materialien eingearbeitet werden, um den Produkten so einen nicht fälschbaren "Fingerabdruck" zu verleihen. Von der Produktion bis hin zum Endverbraucher – all diese Informationen könnte man dann beispielsweise direkt in das jeweilige Kleidungsstück oder Kunstwerk integrieren.

DNA-Glashülle wird mit hochgiftiger Flusssäure aufgelöst

Um die schützende Glashülle dann wieder zu lösen, verwenden die Forscher Flusssäure, eine hochgiftige Flüssigkeit. Sie kann Glas zersetzen, beschädigt aber bei richtiger Konzentration und Anwendung die DNA nicht. Schlussendlich analysiert dann ein DNA-Lesegerät die Daten-DNA, damit die dort gespeicherten Informationen wieder per Computer gelesen werden können.

Noch ist das Ganze ziemlich teuer: Knapp 500 Euro kostet es, gerade mal ein Megabyte an Daten auf DNA zu speichern. Scheitert der DNA-Datenspeicher am Ende nicht doch an zu hohen Kosten? "Das ist sehr schwierig abzuschätzen", so Robert Grass, "ich glaube, vielleicht braucht man eine ganz spezielle Anwendung, um dann damit zu wachsen".


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