Alexander Gerst 2018 zum zweiten Mal auf der ISS Die Mission Horizons des deutschen Astronauten
Im Jahr 2018 war der deutsche Astronaut Alexander Gerst ein zweites Mal auf der ISS. Fast 200 Tage verbrachte er auf der Internationalen Raumstation. Am 20. Dezember 2018 landete Astro-Alex dann wohlbehalten mit seinen Kollegen in einer Sojus-Kapsel.
Nach seinem ersten Besuch auf der ISS im Jahr 2014 war Alexander Gerst vom 8. Juni bis 20. Dezember 2018 erneut an Bord der Internationalen Raumstation. Ein halbes Jahr sollte sein Aufenthalt dort ursprünglich dauern, doch es wurde etwas mehr.
Was liegt hinter dem Horizont?
Der Name der zweiten Mission von Alexander Gerst auf der Internationalen Raumstation war Horizons (Horizonte).
"Horizonte stehen für mich für das Unbekannte. Wenn ich einen Horizont sehe, frage ich mich als Erstes: Was liegt dahinter? Deshalb betreiben wir Wissenschaft auf der ISS. Wir wollen unseren Horizont erweitern."
Alexander Gerst
Gut vorbereitet auf die Reise: Essens-Auswahl für die ISS
Weil Alexander Gerst im Jahr 2014 schon einmal auf der ISS war, hatte der Astronaut wichtige Erfahrungen im Gepäck, die ihm für die zweite Reise von Vorteil waren. Und nicht immer sind solche Erfahrungen rein technischer Natur:
"Die Frage des Essens wird wirklich unterschätzt, solange man noch am Boden ist. Aber nach einem Monat auf der ISS ist es Dir nicht mehr egal - und wenn Du die falschen Entscheidungen getroffen hast, dann werden die verbleibenden fünf Monate hart!"
Alexander Gerst
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Alexander Gerst food testing
Kosmonauten-Training im Sternenstädtchen
Start im Juni 2018
Zur ISS gestartet war Alexander Gerst am 6. Juni 2018. Am Morgen des Starttages strahlte "Astro-Alex" beim Verlassen des Kosmonautenhotels und winkte in seinem blauen Overall in die Menge. Nach dem Wecken konnte er ein letztes Mal alltägliche Dinge auf der Erde genießen: "Eben aufgestanden und zum letzten Mal in 6 Monaten geduscht", twitterte er.
Pünktlich um 13:12 Uhr MESZ erfolgte der Start vom kasachischen Weltraumbahnhof Baikonur. Der deutsche Astronaut flog an Bord einer Sojus-Raumkapsel zur Internationalen Raumstation (ISS), zusammen mit der US-Amerikanerin Serena Auñón-Chancellor und dem russischen Kosmonauten Sergej Prokopjew, der das Kommando auf dem Flug zur ISS hatte. Gerst war Copilot.
Der harte Ritt zur ISS in Bildern
34-mal um die Erde zur Raumstation
Bei ihrem Flug zur ISS kreiste die Sojus-Raumkapsel mit einer Geschwindigkeit von knapp acht Kilometern pro Sekunde um die Erde. Bei jeder der insgesamt 34 Erdumrundungen gewann die Kapsel an Höhe, bis sie die Umlaufbahn der ISS in etwa 400 Kilometer Höhe erreicht hatte. Am 8. Juni um 15.01 Uhr dockte die Raumkapsel an die ISS an. Dort erwarteteten sie die US-Astronauten Andrew Feustel und Richard Arnold sowie der Kosmonaut Oleg Artjemjew - in Haiwaiihemden.
Experimente an Bord der ISS
Gerst führte an Bord der ISS viele wissenschaftliche Versuche durch. Deutsche Universitäten, Forschungseinrichtungen und Firmen sowie das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt DLR hatten rund 40 Experimente zur Mission Horizons beigesteuert. Die Versuche sollten Fragen aus Biologie und Medizin beantworten. Weitere Wissenschaftsgebiete waren (Astro-)Physik, Materialwissenschaft und Technologie. Außerdem gab es auch ein Bildungsprogramm für Kinder und Jugendliche.
Experimente während des zweiten ISS-Aufenthalts von Alexander Gerst
Myotones - Müde Muskeln im All
Im Rahmen des Experiments Myotones untersuchten Wissenschaftler der Berliner Charité und der Universität von Southampton an Alexander Gerst die biomechanischen Eigenschaften des ruhenden menschlichen Muskels. Die Ergebnisse sollen für die astronautische Raumfahrt genutzt werden und künftig auch in die Rehabilitation nach Knochenbrüchen einfließen.
Metabolicspace - Kabelsalat ade
Metabolicspace heißt das Expermient des Instituts für Luft- und Raumfahrttechnik der TU Dresden. Dabei analysiert ein Gurt, den die Astronauten am Körper tragen, ihre Körper- und Stoffwechselfunktionen. Es soll die Überwachung und Auswertung des Trainings der ISS-Astronauten deutlich erleichtern und verbessern. Im Gegensatz zu bisherigen Messsystemen kommt Metabolicspace ohne hinderlichen Kabelsalat aus.
Flumias - Echtzeitmikroskop in 3D
Das Gerät Flumias ist nur so klein wie ein Schuhkarton. Es macht es aber möglich, feinsten Strukturen und schnelle Vorgänge in lebenden Zellen und Organismen in der Schwerelosigkeit zu bebachten. An Bord der ISS soll zum Bespiel die Entwicklung menschlicher Immunzellen in 3D und hoher Auflösung verfolgt werden.
Spacetex 2 - Schöner schwitzen
Das Experiment Spacetex 2 soll den Komfort von Astronauten während des Trainings verbessern. Die Astronauten tragen eine speziell für die ISS hergestellte Funktionskleidung, die von einem Forschungsverbund aus den Hohenstein-Instituten, der Charité Berlin und dem DLR entwickelt wurde. Die neuen Hightechstoffe sind für den Wärmeaustausch optimiert.
Asim - Gewitterstürmen auf der Spur
Mit Asim will die europäische Weitraumagentur ESA mehr über Gewitterstürme in der oberen Erdatmosphäre erfahren. Asim soll auf die untere Außenplattform des europäischen Columbus-Labors an der ISS montiert werden und von dort mindestens zwei Jahre lang die Wechselwirkung zwischen Gammastrahlung, Blitzen und Entladungen in der Hochatmosphäre beobachten.
EML - Neue Kamera für heißen Ofen
Den Elektromagnetischen Levitator (EML) installierte Gerst bereits 2014 auf der Raumstation. Im Zuge der Mission Horizons bekommt der Hightech-Schmelzofen nun eine Highspeed-Kamera. Mit dem EML werden materialwissenschaftliche Fragen untersucht. Die entsprechenden Daten sind zum Beispiel wichtig für die Optimierung von industriellen Gießprozessen, etwa von Motorgehäusen oder Flugzeugturbinenschaufeln.
DESIS - Ökosysteme unter Beobachtung
Das Spektrometer DESIS (DLR Earth Sensing Imaging Spectrometer) beobachtet die Erdoberfläche im Spektrum des sichtbaren Lichts und der Infrarotstrahlung, und zwar aus verschiedenen Blickwinkeln. An den gesammelten DESIS-Daten sollen sich Veränderungen im Ökosystem der Erdoberfläche ablesen lassen. Sie könnten beispielsweise dazu dienen, den Gesundheitszustand von Wäldern oder landwirtschaftlichen Flächen zu beurteilen und Ertragsprognosen zu treffen.
Gene Control Prime - Genregulation von Immunzellen
Beeinflusst die Schwerkraft Immunzellen und ihre Gene? Eine Serie von Experimenten in der Schwerelosigkeit soll klären, ob Immunschwäche möglicherweise genetische Ursachen hat. Die Erforschung der molekularen Mechanismen, die das Immunsystem regulieren, ist laut dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt DLR nicht nur für zukünftige Langzeitmissionen von Astronauten von Bedeutung. Die Forschungsergebnisse sollen auch dazu beitragen, die generellen Ursachen von Immunschwäche zu verstehen und neue Therapien zu entwickeln.
CompGran - Dynamik von Granulaten
Ein Granulat ist Materie, die aus Körnern oder Pulver besteht, zum Beispiel Sand oder Getreide. Je nach Zustand verhält sich ein Granulat unterschiedlich: Wenn man es verdichtet, wird es fest. Unverdichtet lässt es sich wie eine Flüssigkeit schütten. In der Schwerelosigkeit lassen sich die Dynamik und die physikalischen Eigenschaften von Granulaten leichter untersuchen. Daher kann das Volumen der ISS-Experimentzellen durch einen Kolben verändert und damit die Kompaktheit der Granulate variiert werden. Mittel- bis langfristig sollen die Forschungsergebnisse helfen, industrielle Prozesse von Schüttgütern wie Kohlenstaub, Mehl oder Getreide zu verbessern.
CAL - Minilabor für große Kälte
CAL (Cold Atoms Lab) ist ein Minilabor zur Erforschung ultrakalter Atome. Deutsche und US-Wissenschaftler werden bei diesem Experiment auf der Raumstation zusammenarbeiten. Im CAL werden Atomwolken fast auf den absoluten Temperaturnullpunkt von minus 273,15 Grad Celsius herabgekühlt. Das soll unter anderem bei der Messung von Gravitationswellen und der Entwicklung von Quantencomputern helfen.
Zeitkapsel - Wünsche von Schülern
Alexander Gerst hat sich auf der ISS auch mit einer Zeitkapsel befasst. Diese Aluminiumkugel ist allerdings kein Instrument für wissenschaftliche Experimente: Sie enthält, auf einem Datenträger gespeichert, die Zukunftsvorstellungen von Schülern. Gerst wollte die Zeitkapsel auf der ISS versiegeln und nach seiner Rückkehr dem Bonner Haus der Geschichte übergeben. Das zeitgeschichtliche Museum soll sie dann 50 Jahre lang verschlossen aufbewahren.
Aufregung im All - ein Loch in der Sojus
Während des ISS-Aufenthalts von Alexander Gerst gab es im Sommer 2018 große Aufregung: In der an die Raumstation angedockten Sojus-Kapsel wurde ein Leck entdeckt. Das winzige Loch in die Wand der Raumkapsel löste auf der ISS einen Druckabfall aus. Die Raumfahrer konnten es bei einem fast achtstündigen Außeneinsatz mit einem klebstoffgetränkten Spezialtuch abdichten.
Roboter Cimon als Reisebegleiter
Alexander Gerst bekam noch ungewöhnliche Gesellschaft auf der ISS: Im November 2018 kam Cimon an Bord, ein fliegender Roboter. Er sollte den Astronauten assistieren und sie bei Laune halten. Cimon kann sprechen, Witze erzählen, auf Sprachbefehle reagieren sowie Videos und Audios abspielen.
Kein Weltraumspaziergang für Gerst
Eigentlich waren für den deutschen Astronauten auch zwei Außeneinsätze geplant, um eine Lithium-Ionen-Batterie an die Außenseite der ISS zu montieren. Doch diese war an Bord des japanischen Versorgungsmoduls HTV-7 "Kounotori", dass aber so verspätet startete, dass Gersts Weltraumspaziergänge zunächst auf Oktober verschoben wurden. Doch dann kam alles anders.
Alexander Gerst war der erste deutsche Kommandant der ISS
In der zweiten Hälfte seines Aufenthalts hatte Alexander Gerst das Kommando auf der ISS, als erster deutscher und zweiter europäischer Astronaut. Am 3. Oktober 2018 um 16.10 Uhr unserer Zeit übergab ihm der bisherige Amtsinhaber Andrew Feustel offiziell das Kommando. Einen Tag später verließen Feustel und zwei weitere Mitglieder der ISS-Besatzung die Raumstation und flogen zurück zur Erde. Eigentlich hätte kurz darauf die nächste Crew-Hälfte für die Raumstation kommen sollen.
Verspätete Rückkehr
Gerst sollte eigentlich schon Anfang Dezember 2018 zur Erde zurückkehren. Wegen des Fehlstarts einer Sojus-Rakete mussten Gerst, Auñón-Chancellor und Prokopjew auf der ISS aber mehrere Wochen auf Verstärkung warten. Die nächste Crew-Hälfte für die ISS kam nicht wie geplant schon im Oktober zur Raumstation, sondern erst am 3. Dezember 2018: Eine Sojus-Rakete brachte die US-Astronautin Anne McClain, den Russen Oleg Kononenko und den Kanadier David für das folgende halbe Jahr zur ISS. Wegen der Verzögerung fielen für Gersts Crew mehrere geplante Experimente aus, außerdem die zwei vorgesehenen Außeneinsätze von Gerst.
Landung in Kasachstan am 20. Dezember 2018
Am 20. Dezember 2018 um kurz nach sechs Uhr landete die Sojus-Kapsel mit Astro-Alex und seinen beiden Begleitern in der Steppe von Kasachstan, rund dreieinhalb Stunden, nachdem sie von der ISS abgedockt hatte: "Die Crew der bemannten Sojus MS-09 ist sicher zur Erde zurückgekehrt." meldete das russische Kontrollzentrum. Dieses Mal seien Rückflug und Landung weitaus weniger ruppig gewesen, meinte Gerst wenige Minuten, nachdem man den lächelnden Astronauten aus der Raumkapsel gezogen hatte. Denn nach seinem ersten Aufenthalt auf der ISS im Jahr 2014 hatte ihn die Landung den Atem stocken lassen: "Ich kann kaum atmen, weil meine Zunge so stark an den Gaumen gedrückt wird", beschrieb Gerst damals.