Astronom Johannes Kepler Revolution in drei einfachen Gesetzen
Als Johannes Kepler vor 450 Jahren geboren wurde, kreisten die Planeten in den meisten Köpfen um die Erde. Doch der unermüdliche Astronom bestätigte, dass sie um die Sonne kreisen müssen - in Ellipsen. Mit drei einfachen Gesetzen revolutionierte Kepler das Weltbild.
Als Johannes Kepler vor 450 Jahren geboren wurde, da kreisten die Planeten erst seit wenigen Jahrzehnten um die Sonne, und das nur in einigen wenigen Köpfen. Die meisten Gelehrten und insbesondere die Kirche lehnten dieses heliozentrische Weltbild von Nikolaus Kopernikus strikt ab. Viele wissenschaftliche Werke landeten auf dem Index, Forscher wie Galileo Galilei vor der Inquisition oder gar auf dem Scheiterhaufen wie Giordano Bruno. Reformation und Gegenreformation lieferten sich bitteren Streit und der Dreißigjährige Krieg begann. Währenddessen revolutionierte Johannes Kepler das Weltbild weiter - und zugleich die Wissenschaft.
In einer Zeit, in der gerade erst Fernrohre erfunden wurden, die Uhren noch sehr ungenau gingen und man von den Planeten weder wusste, wie groß oder schwer, noch wie weit sie entfernt sind, fand Kepler die Gesetze, nach denen sich die Planeten bewegen. Und die im Wesentlichen bis heute gültig sind.
Im Überblick: Die Keplerschen Gesetze
Der Kern von Keplers astronomischer Forschung sind seine drei Gesetze zur Planetenbewegung um die Sonne.
- 1. Keplersches Gesetz: Die Planeten bewegen sich auf elliptischen Bahnen, in deren einem Brennpunkt die Sonne steht.
- 2. Keplersches Gesetz: Die Verbindungslinie zwischen Planet und Sonne überstreicht in gleichen Zeiträumen gleich große Flächen.
- 3. Keplersches Gesetz: Die Umlaufzeiten der Planeten stehen untereinander in Beziehung. Das Verhältnis ihrer Umlaufzeiten zum Quadrat entspricht dem Verhältnis ihrer mittleren Entfernungen in dritter Potenz.
In ihrer Bedeutung waren die Keplerschen Gesetze revolutionär. Und sie sind auch gar nicht so kompliziert, wie sie vielleicht klingen.
1. Keplersches Gesetz: Das Gesetz ist göttliche Harmonie, nicht andersrum
1. Keplersches Gesetz: Die Planeten bewegen sich auf elliptischen Bahnen, in deren einem Brennpunkt die Sonne steht.
Die von Gott geschaffene Welt kann nur eine perfekte und harmonische sein - das war die unumstößliche Lehrmeinung zu Keplers Zeiten. Schon dass der Astronom Nikolaus Kopernikus, der hundert Jahre vor Kepler wirkte, alle Planeten um die Sonne kreisen ließ und die Erde nicht das Zentrum von Gottes Schöpfung sein sollte, war für die Kirche nicht annehmbar. Galileo Galilei, Zeitgenosse Keplers, musste in Rom vor der Heiligen Inquisition der katholischen Kirche dieser Lehre abschwören, um nicht wie Giordano Bruno auf dem Scheiterhaufen zu enden. Er vertrat unter anderem die These, das Weltall sei unendlich und es gäbe darin viele Sonnen, umkreist von Planeten. Indem Johannes Kepler, studierter Theologe und gläubiger Anhänger der evangelischen Kirche, sein erstes Keplersches Gesetz der elliptischen Planetenbahnen aufstellte, lieferte er zum Einen den mathematischen Beweis für Kopernikus' heliozentrisches Weltbild und erteilte zum Anderen auch noch der perfekten Kreisbahn, die für eine göttliche Ordnung bis dahin einzig denkbar war, eine Absage.
Kepler konnte auf die sehr genauen Stern- und Planetenbeobachtungen des damaligen kaiserlichen Hofastronomen Tycho Brahe zurückgreifen, der vor allem die Bahn des Mars über zwanzig Jahre exakt festgehalten hatte. Johannes Kepler, leidenschaftlicher Mathematiker, suchte nach der Formel, die die empirischen Beobachtungen erklären konnte. Seine enorme Kompetenz im Bereich der Geometrie (für die Kepler schon so berühmt war, dass Brahe ihn an den Hof von Kaiser Rudolph II. in Prag rufen ließ) brachte Kepler zum Ergebnis, dass allein eine Ellipse als Umlaufbahn des Planeten die Beobachtungen richtig beschreibt. Und das fand Kepler heraus, obwohl die Planetenbahnen im Sonnensystem zumeist nur wenig exzentrisch sind und nur minimal von einer Kreisbahn abweichen.
Damit dreht Kepler die damals gängige Denkweise um: Mathematik und Geometrie dienen nicht zur Beschreibung einer göttlichen Ordnung, die schon vorab als Lehrmeinung feststeht - die Erde als Zentrum der Welt, die perfekte Kreisbahn als Postulat göttlicher Harmonie. Sondern für Kepler gilt es, mit Hilfe der Mathematik, die "göttliche" Formel erst zu finden, nach der die Welt geordnet ist. Und wenn das im Falle der Planeten eine Ellipse ist, dann offenbart sich genau in dieser Gesetzmäßigkeit die Schönheit der göttlichen Ordnung.
2. Keplersches Gesetz: War Gott Mathematiker?
2. Keplersches Gesetz: Die Verbindungslinie zwischen Planet und Sonne überstreicht in gleichen Zeiträumen gleich große Flächen.
Die Planeten sind nicht immer gleich schnell, das ist die Kernaussage des 2. Keplerschen Gesetzes. Befindet sich ein Planet auf seiner elliptischen Umlaufbahn in Sonnennähe, bewegt er sich schneller, befindet er sich weiter weg, wird er langsamer.
Wie unschön!, mag da jeder Naturphilosoph und Theologe gedacht haben, der eine harmonische Weltordnung für unumstößlich hielt. Hatte nicht Gott selbst die Planeten auf ihren Bahnen in Bewegung gesetzt? Wie kann diese Bewegung dann anders als perfekt sein?
Für Kepler war die göttliche Harmonie wieder hergestellt, als er die so einfache Formel hinter den unterschiedlichen Bahngeschwindigkeiten entdeckte: In der gleichen Zeitspanne ist auch immer die Fläche gleich, die die Linie Planet-Sonne in dieser Zeit überstreicht: ΔA / Δt = konstant.
3. Keplersches Gesetz: Diese Formel hat Dimension
3. Keplersches Gesetz: Die Umlaufzeiten zweier Planeten im Quadrat stehen im gleichen Verhältnis wie ihre mittlere Entfernung in dritter Potenz.
Das dritte Keplersche Gesetz klingt komplizierter, beschreibt aber einen ganz einfachen Sachverhalt: Die Planeten, die um die Sonne kreisen, brauchen für eine Runde umso länger, je weiter sie von der Sonne entfernt sind. Aber - und das ist das Überraschende - nicht einfach irgendwie, sondern gesetzmäßig in einem konstanten Verhältnis zueinander. Kepler fand dafür die Formel:
Die Umlaufzeiten zum Quadrat der Planeten verhalten sich zueinander wie die mittleren Sonnenabstände in dritter Potenz. Oder auch: Das Verhältnis der Umlaufzeit (in 2. Potenz) zur mittleren Entfernung zur Sonne (in dritter Potenz) ist immer gleich, für alle Planeten im Sonnensystem. Das ist die Kepler-Konstante.
Die Folgen dieses Gesetzes sind bahnbrechend. Denn jetzt ist es dem Astronomen Johannes Kepler möglich zu errechnen, welche Entfernung jeder Planet zur Sonne hat. Allerdings nur relativ zur Erde, denn zu Keplers Zeit ist von keinem Planeten bekannt, wie weit er von der Sonne weg ist, auch von der Erde nicht.
Aber wenn das Marsjahr - ein kompletter Umlauf um die Sonne - 1,88 Erdjahre dauert, dann muss nach dem 3. Keplerschen Gesetz sein mittlerer Abstand zur Sonne rund 1,52 mittlere Erdabstände betragen: die dritte Wurzel aus dem 1,88-fachen im Quadrat. Ganz einfach, fand Kepler.
Und zugleich eine Sensation: Bis zu diesem Moment waren Planeten Lichtpunkte am Himmel, von denen ein Astronom nur eines sagen konnte: Wann sie genau wo zwischen welchen Sternbildern beobachtet wurden. Jetzt plötzlich ließ sich sagen, wie weit die Planeten voneinander entfernt waren - nicht absolut in Kilometern, aber relativ zueinander.
Auch den absoluten Werten war Kepler näher gekommen: Er postulierte, dass die echten Entfernungen herausgefunden werden könnten, wenn man einmal den Mars zeitgleich von zwei weit entfernten Punkten auf der Erde beobachten würde: aus der winzigen Verschiebung seiner Position gegenüber den Fixsternen - der Parallaxe. Diese Vermessung der Mars-Parallaxe gelang den Astronomen Giovanni Domenico Cassini (in Paris) und Jean Richer (in Französisch-Guyana) nur rund vierzig Jahre nach Keplers Tod. Der daraus errechnete Abstand der Erde zur Sonne lag mit 139 Millionen Kilometern nur knapp neben dem heute bekannten tatsächlichen mittleren Abstand von 149,5 Millionen Kilometern.
Bis heute ist die Vermessung der Parallaxe die einzige Methode, um die Entfernung kosmischer Objekte zu bestimmen. Auch die Weltraumsonde Gaia nutzt sie zur Kartographierung der Milchstraße.
Ursachenforschung: Hier wirkt eine Kraft, nicht nur Wille
Für Kepler wurde deutlich, dass es die Sonne mit ihrer "Schwere" sein musste, die dafür sorgte, dass Planeten umso schneller um sie kreisen, je näher sie ihr sind. Die Sonne war für ihn der einende Körper, der diese gesetzmäßigen Bewegungen der Planeten verursachte.
Mit Blick auf diese Kraft der Sonne als Ursache der Bewegung verließ Kepler das Feld der Mathematik und kam in der Physik an. Seine Gedanken kreisten nicht mehr nur um eine möglichst genaue Beschreibung der einzelnen messbaren Planetenbewegungen, sondern um die dynamische Beziehung der kosmischen Körper zueinander, ihre Wirkung aufeinander.
Genau beschrieben hat das allerdings erst der britische Astronom Sir Isaac Newton, der etwa ein Jahrhundert nach Kepler lebte. Newton erklärte diese Wechselwirkung zwischen den kosmischen Körpern mit der Gravitationskraft, der Anziehungskraft durch Masse. Newtons Gravitationsgesetz lässt sich sogar aus dem dritten Keplerschen Gesetz herleiten, wenn man von der "kleinen" Unsauberkeit absieht, dass für Kepler die Masse der jeweiligen Körper noch keine Rolle spielte.
Kosmische Ausmaße: Universale Gültigkeit mit einem kleinen Fehler
Kepler selbst war sich sicher, dass das 3. Keplersche Gesetz nicht nur für die Planeten um die Sonne, sondern für jedes kosmische System gilt, das um einen zentralen Körper kreist: Auch die Monde Jupiters kreisten nach seiner Ansicht in einem zueinander konstanten Verhältnis von Abstand und Geschwindigkeit um Jupiter, ebenso der Mond um die Erde.
Und Kepler sollte Recht behalten: Auch wenn Satelliten um die Erde kreisen oder Sonnen um das Zentrum einer Galaxie, sind die Keplerschen Gesetze anwendbar. Wenn man von den Fehlern absieht, die Kepler selbst auffielen: Wie genau er auch rechnete, es gab in den Planetenbahnen immer kleine Abweichungen.
Kepler wusste noch nicht, dass in Wirklichkeit nicht ein Körper um den anderen kreist, sondern beide um einen gemeinsamen Schwerpunkt. Bei den Planeten fiel das im Rahmen der zeitgemäßen Ungenauigkeiten bei Vermessungen mit Quadranten, Zirkeln und ersten Fernrohren noch nicht ins Gewicht, da die Masse eines Planeten im Vergleich zur Sonne verschwindend gering ist und der gemeinsame Schwerpunkt nah der Sonnenmitte liegt (außer bei Jupiter). Beim Doppelsystem Erde-Mond hingegen wirkt sich der gemeinsame Schwerpunkt deutlich aus, weshalb Kepler zeitlebens damit zu kämpfen hatte, dass sich die Bahn des Mondes nicht exakt genug errechnen ließ.
Und Kepler wusste auch noch nichts von den Bahnstörungen, die die Planeten untereinander verursachen: Der Riese Jupiter etwa "zupft" mit seiner großen Gravitationskraft an den Umlaufbahnen kleinerer Körper, wenn sie in seine Nähe kommen und irritiert damit beispielsweise regelmäßig die Umlaufbahn des Mars um die Sonne.
Anschauen: Johannes Kepler und die moderne Astronomie
Tycho Brahe und Kepler: Schleifen der Marsbahn und ein gewagter Gedankensprung
Tycho Brahe suchte den Kompromiss zur kirchlichen Lehre mit einem Weltbild, in dem die Planeten um die Sonne kreisen, diese aber um die Erde.
Der Däne Tycho Brahe (1546 - 1601) galt seinerzeit als einer der besten Astronomen, gut ausgestattet mit den modernsten Instrumenten seiner Zeit. Über Jahrzehnte beobachtete er den Nachthimmel und erstellte einen Sternenatlas von bis dahin unerreichter Genauigkeit.
Auch die Planeten beobachtete Brahe sehr genau, vor allem unseren äußeren Nachbarn Mars. Doch dessen beobachtete Bahn brachten Brahe ins Schleudern: Alle zwei Jahre zieht der Planet scheinbar eine Schleife am Sternenhimmel und wandert einige lang Monate rückwärts.
Oppositionsschleifen wie hier zur Mars-Opposition 1600 entstehen jedes Mal, wenn die Erde einen äußeren Planeten auf der Innenbahn überholt.
Brahe holte sich den schon berühmten Mathematicus Kepler an den kaiserlichen Hof in Prag zu Hilfe. Und Kepler tat mit seiner Leidenschaft für Genauigkeit einen erstaunlichen Sprung: Er katapultierte sich gedanklich auf den Mars. Denn Kopernikus' Lehre, dass die Planeten um die Sonne kreisen, hat Folgen für den irdischen Beobachter: Auch der dreht sich ja mitsamt der Erde um die Sonne und ist kein fixer Beobachtungspunkt. Kepler muss die Eigenbewegung der Erde berücksichtigen, wenn er aus den irdischen Beobachtungen Planetenbahnen errechnen will (gerade die Oppositionsschleife entsteht ja nur durch die Bewegung der schnelleren Erde beim Überholen). Indem er Brahes Beobachtungsdaten des Mars aus dem umgekehrten Blickwinkel betrachtet - was sagen diese Daten für einen Beobachter auf dem Mars über die Positionen der Erde? - errechnet Kepler die elliptische Umlaufbahn der Erde.
Kurz-Biografie Johannes Kepler: Hofastronom in Geldsorgen
Johannes Kepler wurde am 27. Dezember 1571 in Weil der Stadt im heutigen Baden-Württemberg in einfachen Verhältnissen geboren. Dank seiner schwächlichen Statur und seinem Talent beim Lernen erhielt Kepler eine gute Ausbildung und begann mit 17 Jahren in Tübingen Theologie zu studieren. Weil zum allgemeinen Studium auch Mathematik, Philosophie und Astronomie gehörten, lernte der junge Student das kopernikanische Weltbild kennen. Statt evangelischer Theologe zu werden, verschlug es Kepler im Alter von 22 Jahren als Mathematik-Professor nach Graz. Sein Ruf als außerordentlicher Mathematiker verbreitete sich bald. Bis nach Prag, wo der kaiserliche Hofastronom Tycho Brahe, seinerseits berühmt für seine exakten Beobachtungen des Sternenhimmels, mathematische Unterstützung suchte.
Zur Jahrhundertwende ging Kepler samt seiner Familie an den Prager Hof, wo er nach dem baldigen Tod Brahes ab 1601 als Hofmathematiker von Kaiser Rudolph II. angestellt wurde, für mehr als ein Jahrzehnt. Hier erhielt er den kaiserlichen Auftrag für sein Hauptwerk, die Rudolphinischen Tafeln: Kepler sollte einen neuen, genaueren Kalender der Himmelsereignisse anlegen, Mond- und Sonnenfinsternisse berechnen und Planetenbegegnungen prognostizieren. Nicht nur für astrologische Horoskope, die hoch im Kurs standen, waren solche Tabellen wichtig. Auch die Seefahrt war darauf angewiesen, denn eine genaue Navigation war nur mit astronomischer Hilfe möglich.
Die Wirren der Reformationskriege und die knappe Kriegskasse des Kaisers, der seinem Hofastronom bis zu dessen Tode viel Geld schuldig blieb, sowie der Tod seiner ersten Frau und die Sorgen ums Überleben seiner Familie brachten Kepler dazu, 1612 nach Linz umzusiedeln und sich von den oberösterreichischen Ständen für die folgenden 15 Jahre als Mathematiker anstellen zu lassen.
26 Jahre dauerte es insgesamt, bis Johannes Kepler die "Tabulae Rudolphinae" fertig gestellt hatte und sie 1627 in Ulm drucken lassen konnte. Dieses Werk machte ihn dank seiner Genauigkeit für die nächsten beiden Jahrhunderte unvergessen. Heute sind die genauen Bahndaten, die Kepler für alle Planeten über Jahrhunderte hinweg errechnete, zwar beeindruckend, wichtiger aber sind die vielen wissenschaftlichen Erkenntnisse, die auf dem Weg zu diesem Werk entstanden, wie eben zum Beispiel die Keplerschen Gesetze.
Am 15. November 1630 starb Johannes Kepler während eines Aufenthaltes in Regensburg an einer Lungenentzündung, kurz vor seinem 59. Geburtstag.