Meilensteine der Naturwissenschaft und Technik Alexander Fleming, Howard Florey, Ernst Boris Chain und das Penicillin
Das lebensrettende Antibiotikum Penicillin wurde zufällig entdeckt. Schimmelpilze gelangten 1928 in eine Eiterbakterienkultur des Arztes Alexander Fleming und töteten Staphylokokken ab. Howard Florey und Ernst Boris Chain reinigten den Wirkstoff, konzentrierten ihn und machten ihn zum Heilmittel.
Schon im Altertum war die entzündungshemmende Wirkung von Schimmel bekannt, zum Beispiel in China, wo man Wunden mit gammeligen Lebensmitteln behandelte. Dieses Wissen ging im Mittelalter weitgehend verloren, sodass Infektionen für viele Menschen den Tod bedeuteten.
Das alte Wissen rückte erst wieder ins Bewusstsein, als der schottische Bakteriologe Alexander Fleming (1881-1955) das Penicillin entdeckte. Im Ersten Weltkrieg hatte der junge Militärarzt in Lazaretten erlebt, wie unzählige Verwundete an Infektionen starben. Die damaligen Gegenmittel waren oft schädlicher als nützlich, weil sie die weißen Blutkörperchen der Patienten vernichteten. Später arbeitete Fleming im St. Mary’s Hospital in London. Dort fiel ihm 1928 auf, dass versehentlich auf eine Bakterienkultur verschleppte Schimmelpilze deren Wachstum hemmten; um die unerwünschten Eindringlinge hatte sich ein bakterienfreier Hof gebildet. Offensichtlich gaben die Pilze einen Stoff ab, der das Gedeihen der Bakterien beeinträchtigte oder sie gar tötete.
Fleming spürte dem Phänomen nach und fand heraus, dass beispielsweise die Staphylokokken, gefürchtete Eitererreger, in ihrer Entwicklung gebremst wurden, andere Bakterienarten aber nicht. Flemings Pilz wurde später als Penicillium notatum identifiziert. Das daraus gewonnene Medikament nannte man Penicillin. Es wurde zunächst nur für die oberflächliche Behandlung von Wunden verwendet. Im Kampf gegen Infektionskrankheiten setzte die Medizin vorerst auf andere Mittel, Flemings Entdeckung geriet beinahe in Vergessenheit.
Der Weg zum reinen Penicillin
1938 sichtete der nach dem Machtantritt der Nazis aus Deutschland nach Oxford emigrierte Berliner Biochemiker Ernst Boris Chain (1906-1979) Literatur über antibakterielle Mittel. Dabei stieß er auf Flemings Veröffentlichung. Je mehr sich Chain und sein Lehrer, Professor Howard Florey (1898-1968), mit dem Penicillin beschäftigten, desto bewusster wurden sie sich der enormen Bedeutung des unterschätzten Medikaments. 1940 konnten sie die Wirkung des Penicillins in Tierversuchen nachweisen. Nun kam es darauf an, das Antibiotikum von Verunreinigungen zu trennen und in großen Mengen herzustellen. Schließlich gelang es, reines Penicillin zu gewinnen. Zu dieser Zeit stand Großbritannien im Abwehrkampf gegen NS-Deutschland, das Frankreich in einem "Blitzkrieg" überrannt hatte. Die Luftschlacht um England tobte und wegen der Bedrohung durch deutsche Bombenangriffe wurde die Produktion des kriegswichtigen Penicillins in die USA verlagert.
Nobelpreis für die Entdeckung
Dort erhielt Penicillin die höchste Dringlichkeitsstufe nach dem Manhattan-Projekt, dem Bau und der Entwicklung einer Atombombe. Bald konnte das begehrte Antibiotikum industriell in nahezu unbegrenzter Menge hergestellt werden. 1945 wurden Flemming, Chain und Florey für die Entdeckung und Weiterentwicklung des Penicillins mit dem Medizin-Nobelpreis ausgezeichnet.
Antibiotika im Kampf gegen Bakterien
Im Gegensatz zu den in Deutschland entwickelten Sulfonamiden, die starke Nebenwirkungen hervorrufen, schädigt Penicillin nur die Bakterien, nicht aber die menschlichen Zellen. Sein Wirkstoff greift in die Bildung des Stützgerüstes der Bakterienzellwand ein und bewirkt, dass die Zelle platzt. Manche Bakterien bilden allerdings Abwehrstoffe, sodass sich aus ihren Nachkommen ein gegen Penicillin resistenter Stamm entwickeln kann. Hier wird nurmehr ein anderes Antibiotikum helfen, sodass gegen immer neue resistente Stämme neue Antibiotika gefunden werden müssen. Ein Beispiel ist das 1943 in Bodenlebewesen entdeckte Streptomycin, das erste wirksame Medikament gegen Tuberkulose. Durch die Analyse der molekularen Struktur von Antibiotika lassen sich solche Medikamente heute "nach Maß" herstellen.
Von den 1920er-Jahren bis ins frühe 21. Jahrhundert ist die Lebenserwartung in den westlichen Industrieländern von rund 55 auf über 80 Jahre gestiegen – zehn Jahre davon, so schätzt man, sind dem Einsatz der Antibiotika zu verdanken.