Weltraumteleskope Mit diesen Teleskopen entdeckt ihr das All
Möchtet ihr wissen, wie der Weltraum kurz nach dem Urknall ausgesehen hat? Oder wo in unserer Milchstraße neue Sterne und junge Planeten entstehen? Vielleicht interessiert euch aber auch eher, welche Galaxien unsere eigene Galaxis in ihrer Vergangenheit schon geschluckt und zerrissen hat - oder was passiert, wenn man ein Teleskop hundert Stunden lang ins tiefe, schwarze Nichts des Weltraums blicken lässt. Seit mehr als fünfzig Jahren schicken wir Teleskope ins All: Diese Weltraumteleskope sollen unsere Fragen an das Universum beantworten.
James Webb-Weltraumteleskop: Auf Nimmerwiedersehen!
Das James Webb-Weltraumteleskop ist hier ein letztes Mal zu sehen. Ende Dezember 2021 flog es ins All und wird nie zur Erde zurückkehren.
Hubble Deep Field: Ein Weltraumteleskop blickt ins Nichts
Das Hubble Deep Field wurde im Dezember 1995 über zehn Tage hinweg aufgenommen und ist eine der berühmtesten Aufnahmen der Astronomie.
Die frühen 1990er-Jahre begannen nicht gut für das Hubble-Weltraumteleskop. Nachdem es 1990 in eine niedrige Erdumlaufbahn gebracht worden war, wurde klar: Hier hatte jemand Mist gebaut. Denn ein Konstruktionsfehler beim Hauptspiegel des Teleskops führte zu Aufnahmen von lediglich mäßiger Qualität. Das Teleskop konnte zwar aufwändig von Astronauten repariert werden. Aber was zunächst blieb, war eine Rechnung in Milliardenhöhe und nicht die erwartete astronomische Revolution.
Ob das Hubble-Weltraumteleskop das halten konnte, was es versprach, musste sich somit erst noch zeigen - und dann verfiel der Direktor des Space Telescope Science Institute, Robert Williams, auch noch auf die glorreiche Idee, hundert wertvolle Beobachtungsstunden mit Hubble darauf zu verwenden, das Teleskop einfach mal so ins schwarze Nichts des Weltalls blicken zu lassen. Als Direktor konnte Williams zwar theoretisch seine ihm zustehende Zeit verwenden, wofür er wollte. Aber ob es eine gute Idee war, das Hubble-Weltraumteleskop auf einen winzigen und scheinbar leeren Bereich im Sternbild Großer Bär zu richten, wurde, nun ja, bezweifelt.
Hätte das Hubble-Weltraumteleskop nichts gesehen, es wäre wohl das Ende für Williams' Karriere gewesen - und das Teleskop wäre endgültig zum Gespött geworden. Aber was Hubble da Photon für Photon über hundert Stunden lang im Dezember 1995 einsammelte, sollte revolutionär sein: Unter den rund 3.000 Galaxien wurden auch extrem weit entfernte und extrem alte Galaxien sichtbar. Es wurde klar: Egal, wohin wir im Universum blicken, es ist nirgendwo wirklich leer. Und die Öffentlichkeit, die über die Weltraumagenturen NASA und ESA das Hubble-Weltraumteleskop letztendlich finanziert hat? Die war begeistert - und ist es heute noch.
Video: Das NOEMA-Teleskop
Robert Williams: Warum wollten Sie das Hubble Deep Field aufnehmen?
"Unser Universum entwickelt sich. Und wenn man die Vergangenheit verstehen kann, dann kann man seinen gegenwärtigen Zustand besser verstehen. In der Astronomie sehen wir tatsächlich die Vergangenheit. Deshalb dachte ich mir, dass eine Aufnahme wie das Hubble Deep Field als Blick in die Vergangenheit etwas war, was gemacht werden musste. Mein Hauptgrund für dieses Unterfangen war, dass wir verstehen wollten, wie sich die großen Strukturen im Universum überhaupt entwickelt haben.
Wir haben aus dem Hubble Deep Field sehr viel über die frühe Galaxienentwicklung gelernt. Zum Beispiel, dass rund ein bis drei Milliarden Jahre nach dem Urknall viel mehr Sterne entstanden ist, als dies heutzutage der Fall ist. Das Hubble Deep Field zeigt uns wirklich, dass wir in einem sterbenden Universum leben."
Robert Williams, ehemaliger Direktor des Space Telescope Science Institute
Weltraumteleskope: Warum brauchen wir Teleskope im Weltraum?
Nur wenige Bereiche des elektromagnetischen Spektrums können die Erdatmosphäre durchdringen. Sichtbares Licht gehört dazu - sehr praktisch!
Unsere Erdatmosphäre ist eine prima Sache - außer wenn sie im Weg ist. Tatsächlich lässt die Erdatmosphäre nur einen kleinen Anteil an elektromagnetischer Strahlung aus dem Weltall überhaupt durch: zum Beispiel jene Strahlung, die wir als sichtbares Licht kennen. Radiowellen gehen auch, weshalb wir auch auf der Erde große Radioteleskope bauen können. Für Röntgenstrahlung, UV-Strahlung oder Infrarotstrahlen allerdings gilt: Egal, wie viele Milliarden Jahre sie ungehindert durchs All fliegen konnte, bei der Erdatmosphäre ist Schluss. Irdische Astronomen brauchen daher Teleskope im Weltraum, um diese Strahlung aufzufangen.
James Webb-Weltraumteleskop: Das beste Weltraumteleskop aller Zeiten
Der Krebsnebel: So sieht das All für Weltraumteleskope aus
Der Krebsnebel im Sternbild Stier ist der Überrest einer Supernova, deren Explosion im Jahr 1054 auf der Erde beobachtet wurde.
Prächtig schaut er aus, der Krebsnebel im Sternbild Stier - und noch viel prächtiger, wenn man sich klarmacht, dass diese Aufnahme in mehreren Bereichen des elektromagnetischen Spektrums entstanden ist. Die nicht sichbaren Bereiche wurden für die Gesamtaufnahme entsprechend eingefärbt, sodass wir sie sehen können.
Dabei ist nur die Aufnahme im Radiobereich (ganz unten links in rot) auf der Erde entstanden, mit dem Very Large Array in den USA. Die restlichen Aufnahmen haben Astronominnen und Astronomen mit Weltraumteleskopen gemacht: Das 2020 abgeschaltete Spitzer-Weltraumteleskop lieferte das Bild des Krebsnebels im infraroten Bereich (gelb), das Hubble-Weltraumteleskop eine Aufnahme im sichtbaren Bereich des elektromagnetischen Spektrums (grün). Den ultravioletten Bereich (blau) deckte das ESA-Teleskop XXM-Newton ab, das sich in einer Erdumlaufbahn befindet. Der Röngtenbereich (violett) wurde vom Chandra-Weltraumteleskop beobachtet.
Deutsches Weltraumteleskop: eROSITA beobachtet den Himmel im Röntgenlicht
Das Weltraumteleskop eROSITA beobachtet den gesamten Himmel im Röntgenlicht: So schaut unsere Milchstraße bei hohen Energien aus.
Weltraumteleskop mit Vorlaufzeit: Darum muss man beim Start von Weltraumteleskopen geduldig sein
"Nachdem der Röntgensatellit ROSAT bis 1999 in Betrieb war, wollten wir schon im selben Jahr mit der Nachfolgemission ABRIXAS starten. Aber dieses Weltraumteleskop ging sehr schnell kaputt - eine Stunde nach dem Start war es aufgrund eines Konstruktionsfehlers der Stromversorgung hinüber. Anschließend hätten wir das baugleiche Instrument gerne auf der Internationalen Raumstation ISS installiert. Aber das konnte mit dem Fahrplan der Space Shuttles nicht vereinbart werden, und dann wurden die Space Shuttle-Flüge der NASA ganz eingestellt.
Also haben wir 2005 angefangen, mit den Russen zu verhandeln und uns dazu entschlossen, das Weltraumteleskop eROSITA an Bord des russisch-deutschen Weltraumobservatoriums Spektr-RG ins All zu bringen. Dann gab es zwar noch ein paar Kurven, aber 2009 wurden die Verträge unterschrieben. 2019 ist eROSITA ins All gestartet - und tatsächlich sind zehn Jahre in unserem Geschäft nicht übermäßig lang."
Peter Predehl, wissenschaftlicher Leiter von eROSITA, Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik (Garching)
Unterwegs im Weltraum: Wo Weltraumteleskope einparken
Für Weltraumteleskope ist vor allem der Lagrange-Punkt L2 in rund 1,5 Millionen Kilometern jenseits der Erdumlaufbahn interessant.
Um ein Weltraumteleskop im All zu parken, gibt es mehrere Möglichkeiten:
- Das Hubble-Weltraumteleskop befindet sich in einer niedrigen Erdumlaufbahn. Das hatte zu Zeiten, als die NASA noch ihr Space-Shuttle-Programm verfolgte, den Vorteil, dass es im Rahmen von astronautischen Missionen repariert und gewartet werden konnte. Eine derartige Erdumlaufbahn hat allerdings auch den Nachteil, das ein Weltraumteleskop von Weltraumschrott getroffen werden könnte - und dass Megakonstellationen wie beispielsweise Starlink des US-Unternehmens SpaceX das Bild versauen. In den letzten Jahren ist der Anteil der astronomischen Aufnahmen, auf denen künstliche Satelliten zu sehen sind, deutlich gestiegen.
- Für Weltraumteleskope, welche die Sonne beobachten, bietet sich eine Umlaufbahn um unser Zentralgestirn an. Das Weltraumobservatorium Solar and Heliospheric Observatory (SOHO) der ESA und der NASA erforscht unsere Sonne seit 1995 aus einer Umlaufbahn um dem Lagrange-Punkt L1 aus. Die Lagrange-Punkte der Erde sind fünf Punkte im System zwischen Erde und Sonne, an denen ein leichteres Objekt wie etwa ein Weltraumteleskop mehr oder weniger antriebslos die Sonne umkreisen kann. Der Lagrange-Punkt L1 liegt zwischen Erde und Sonne. Ein Weltraumteleskop, das sich an diesem Ort befindet, ist somit stets auf die Sonne gerichtet.
- Der Lagrange-Punkt L2 liegt quasi auf der anderen Seite dieses Systems Erde-Sonne, auf der sonnenabgewandten Seite der Erde. Hier können Weltraumteleskope geparkt werden. Dabei ist "Parken" eigentlich nicht der richtig Begriff, denn diese Weltraumteleskope umkreisen L2 auf einer weiten Umlaufbahn. Das Planck-Weltraumobservatorium hat von L2 aus den kosmischen Mikrowellenhintergrund vermessen; das deutsche Röntenteleskop eROSITA befindet sich derzeit dort. Auch das James Webb-Weltraumteleskop schaut von dort ins All. Einerseits lassen sich dort auf der sonnenabgewandten Seite die Teleskope besser vor der Sonnenstrahlung abgeschirmt werden. Andererseits ermöglicht diese Position gute Datenübertragungsraten der Weltraumteleskope zurück zur Erde.
Wartung im Weltraum: Das Hubble-Weltraumteleskop ist die große Ausnahme
Während einer Servicemission im Jahr 1999 wird das Hubble-Weltraumteleskop von zwei Astronauten gewartet.
Ein Teleskop auf der Erde kann repariert werden, sollte es kaputt gehen. Bei Weltraumteleskopen geht das nicht. Große Ausnahme war das Hubble-Teleskop, das im Rahmen des Space-Shuttle-Programms der NASA gewartet werden konnte. Zum letzten Mal vor Ort gewartet wurde Hubble im Jahr 2009. Da wurde eine Kamera ausgetauscht und weitere lebensverlängernde Maßnahmen durchgeführt. Ab dann galt für Hubble, was auch für alle anderen Weltraumteleskope gilt: Wenn es nicht von der Erde aus der Ferne repariert werden kann, ist es hinüber.
Weltraumteleskop Gaia: Unser Kartograph der Milchstraße
Gaia wurde 2006 von der ESA in Auftrag gegeben, 2013 startete das Teleskop gen Lagrange-Punkt L2. Die Mission soll bis 2025 laufen.
Es mag nicht gar so prächtige Bilder liefern wie andere Weltraumteleskope - aber dafür ist Gaia auch gar nicht gebaut. Das Weltraumobservatorium der ESA erstellt nämlich einen Katalog unserer Milchstraße und vermisst die Positionen und Bewegungsrichtungen von rund einer Milliarde Sterne: Das entspricht etwa einem Prozent der Sterne in unserer Galaxie.
Kosmische Kollision: Weltraumteleskope ermöglichen Blicke in die Vergangenheit
Hinweise auf eine kosmische Kollision lassen sich bis heute in den Bewegungsrichtungen der Sterne der ehemaligen Satellitengalaxie nachweisen.
Einerseits lässt sich mit Weltraumteleskopen das Licht extrem weit entfernter Himmelskörper einfangen. Im Kosmos bedeutet "weit entfernt" immer auch "lange her": Somit können Astronominnen und Astronomen wahre Zeitreisen unternehmen. Andererseits lässt sich mit Weltraumteleskopen auch unsere eigene Vergangenheit rekonstruieren. Das Weltraumobservatorium Gaia zeigte uns beispielsweise, dass unsere Milchstraße wohl vor rund zehn Milliarden Jahren mit einer kleineren Satellitengalaxie kollidert und verschmolzen ist. Die dafür nötige Präzision bei der Vermessung der Positionen und Bewegungsrichtungen der Sterne lässt sich nur im All erreichen, fernab von der störenden Erdatmosphäre.
DIY: Wie ihr selbst mit einem Weltraumteleskop Beobachtungen anstellen könnt
Diese Aufnahme des Kohlenstoffsterns CW Leonis wurde mit dem Hubble-Weltraumteleskop gemacht.
Die ehrliche Antwort auf die Frage, wie ihr selbst an Beobachtungszeit mit einem Weltraumteleskop kommt, muss lauten: höchstwahrscheinlich gar nicht. Für Teleskope, die eine spezifische Mission haben, gibt es keine "freien" Zeiten. Bei Teleskopen wie dem Hubble-Weltraumteleskop können sich Astronominnen und Astronomen in aller Regel einmal im Jahr mit ihrem gewünschten Vorhaben bewerben. Lediglich Beobachtungen, die auf gar keinen Fall auf der Erde gemacht werden können, haben dabei überhaupt eine Chance.
Trotzdem sind alle Teleskope im Weltraum hoffnungslos überbucht: Für das Hubble-Weltraumteleskop gehen sehr viel mehr Anträge ein, als bewilligt werden können - es ist einfach nicht genug Zeit zur Verfügung. Und das, obwohl das Hubble-Weltraumteleskop nicht darauf warten muss, dass es Nacht wird und sich der Himmel verdunkelt.
Mal ehrlich: Wie schwierig ist es, ein Weltraumteleskop zu bauen?
Das Röntgenteleskop Athena der ESA soll Sternexplosionen, Schwarze Löcher und heiße Gaswolken untersuchen. Noch wird es aber nicht gebaut.
Die Welt ist nicht einfach. Sie ist kompliziert. Seit 50 Jahren werden Weltraumteleskope gebaut. Man könnte auch sagen: Alles, was einfach ist, haben wir bereits erforscht. Deshalb wird der Bau von Weltraumteleskopen tendenziell eher schwieriger. Das James Webb-Weltraumteleskop ist nur die Spitze des Eisbergs, was die Größe und die Komplexität betrifft. Aber es kommt immer auf das jeweilige Weltraumteleskop an, wo die Schwierigkeiten sind.
Das ESA-Weltraumteleskop Gaia muss beispielsweise extrem stabil sein, und vor allem extrem stabil rotieren. Hier geht es um Genauigkeiten von Nanometern, also Milliardstel Metern. Beim James Webb-Weltraumteleskop hingegen galt es, das riesige Spiegelsystem so zusammenzufalten und in eine Ariane 5-Trägerrakete zu stecken, dass es sich an seinem Ziel wieder korrekt ausklappt - was im Januar 2022 gelang. Zudem muss das Webb-Teleskop auf sehr viel kühlere Temperaturen als Gaia gehalten werden, weil es im infraroten Bereich des elektromagnetischen Spektrums beobachten soll. Bei Athena hingegen, einem geplanten Röntgenteleskop der ESA, geht es darum, dass die Forschenden Röntgenstrahlen fokussieren möchten - aber Röntgenstrahlen wollen prinzipiell nicht fokussiert werden. Die Herausforderung besteht also darin, die Optik zu bauen.
Gefragt: Das beste Weltraumteleskop aller Zeiten
"Allgemein gilt für alle Weltraumteleskope, das man sich natürlich immer fragt: Was ist das wirklich absolut tollste Instrument, das ich innerhalb des jeweiligen Budgets bauen kann?"
Mark McCaughrean, Senior Advisor for Science & Exploration, ESA