Lichtverschmutzung Lichtsmog verdrängt die Dunkelheit der Nacht

Stand: 06.02.2024

Lichtverschmutzung macht die Nacht zu oft zum Tag. Der Lichtsmog stört Tiere, Ökosysteme und kann auch uns Menschen krank machen. Jedes Jahr im September macht die Earth Night auf die zunehmende Lichtverschmutzung aufmerksam.

Der Blick aus dem All auf die Erde bei Nacht zeigt die helle Erleuchtung der Großstädte und Strahlung der Erde in der oberen Atmosphäre. Lichtverschmutzung lässt die Nacht selten werden. Der Lichtsmog stört die Finsternis, Tiere und Ökosysteme - und macht auch uns selbst krank. Einmal im Jahr macht die Earth Night auf zunehmende Lichtverschmutzung aufmerksam. | Bild: stock.adobe.com/rangizzz

Unsere Erde wird auch als der blaue Planet bezeichnet: die blaue Murmel im Sonnensystem. Das gilt allerdings nur tagsüber. Nachts sollte eigentlich Finsternis herrschen - also schwarze statt blaue Murmel? Im Gegenteil! Dank Lampen, Lichtern, Straßenlaternen, Werbetafeln und Scheinwerfern ist unsere Welt auch nachts hell erleuchtet. Diese Lichtverschmutzung, auch Lichtsmog genannt, bereitet nicht nur uns Menschen Probleme.

Beleuchtung: Seit wann ist Lichtsmog ein Problem?

Ende des 19. Jahrhunderts zog die elektrische Beleuchtung in die Städte Europas ein. Ein Jahrhundert später kam die Ernüchterung: Die ersten Warnungen vor Lichtverschmutzung erklangen. Inzwischen leuchten unsere Städte zum Teil 4.000 Mal heller als das natürliche Nachtlicht. Dass die Nacht zum Tag wird, hat Folgen für uns selbst, für Tiere, insbesondere Insekten, und sogar Pflanzen.

Video: Warum Lichtsmog zunimmt

Weltatlas der Lichtverschmutzung: Die Welt wird jedes Jahr heller

Diese Karte der Erde zeigt lediglich die künstlichen Lichtquellen bei Nacht und basiert auf mehreren Satellitenaufnahmen. Es schaut gemütlich aus - zeigt aber eigentlich die Lichtverschmutzung auf, die in von Menschen besiedelten Gebieten die Nacht zum Tag macht. Lichtverschmutzung lässt die Nacht selten werden. Der Lichtsmog stört die Finsternis, Tiere und Ökosysteme - und macht auch uns selbst krank. Einmal im Jahr macht die Earth Night auf zunehmende Lichtverschmutzung aufmerksam. | Bild: Falchi et al., Sci. Adv., Jakob Grothe/NPS contractor, Matthew Price/CIRES

Wie künstliche Beleuchtung den Nachthimmel weltweit erhellt.

Der von einem internationalen Wissenschaftlerteam herausgegebene Weltatlas der Lichtverschmutzung dokumentiert, wie massiv künstliche Beleuchtung den Nachthimmel mittlerweile weltweit erhellt: Mehr als 80 Prozent der Weltbevölkerung lebten demnach bereits 2016 unter einem lichtverschmutzten Himmel. In Europa und den USA sind es sogar 99 Prozent der Bevölkerung.

Auch in Deutschland werden die Nächte immer heller: Eine Anfang 2018 veröffentlichte Studie des Deutschen GeoForschungsZentrums (GFZ) zeigte, dass in den meisten Bundesländern die nächtliche Beleuchtung zunimmt - sowohl in der Fläche als auch in der Helligkeit des Lichts. Einige Bundesländer werden pro Jahr um drei bis vier Prozent heller.

Video: Warum Lichtverschmutzung ein Problem ist

Helligkeit in der Nacht: Kampf gegen Lichtverschmutzung (2020)

Lichtverschmutzung: Immer schneller heller

Satellitenbilder von Europa bei Nacht: Links ist die Beleuchtung europäischer Städte im Jahr 1992 zu sehen, rechts zum Vergleich dagegen die enorme Hellligkeit im Jahr 2010. Lichtverschmutzung ist ein wachsendes Problem. Lichtverschmutzung lässt die Nacht selten werden. Der Lichtsmog stört die Finsternis, Tiere und Ökosysteme - und macht auch uns selbst krank. Einmal im Jahr macht die Earth Night auf zunehmende Lichtverschmutzung aufmerksam. | Bild: NASA

Die Beleuchtung europäischer Städte bei Nacht hat schon von 1992 bis 2010 deutlich zugenommen. Inzwischen ist die Nacht noch viel heller.

Dass die Lichtverschmutzung zunimmt, ist nichts Neues. Neu ist aber, dass das viel schneller passiert als bislang gedacht. Bisher wurde die Zunahme vor allem anhand von Satellitenbildern beurteilt. Die können aber nur das Licht feststellen, das nach oben strahlt, nicht seitlich einfallendes Licht. Satelliten sehen also nicht, wie stark der Lichtsmog von unten aus gesehen ist. Aus der satellitengestützten Beobachtung ergibt sich eine jährliche Zunahme der Lichtverschmutzung um zwei Prozent.

Doch eine neue Studie, die im Januar 2023 im Fachmagazin Science erschienen ist, hat die Entwicklung der Lichtverschmutzung von unten gesehen durch ein Citizen Science-Projekt (Bürgerwissenschaft) untersucht: Mehr als 50.000 Menschen haben von 2011 bis 2022 den Nachthimmel in städtischer Umgebung in Europa und Nordamerika beobachtet. Wie hell der jeweils beobachtete Nachthimmel war, konnten sie mit zuvor bei unterschiedlich starkem Lichtsmog gemachten Aufnahmen des Sternenhimmels vergleichen.

Das Ergebnis dieser Studie: Die Helligkeit des Nachthimmels nimmt viel schneller zu. In Europa um 6,5 Prozent, in Nordamerika um 10,4 Prozent pro Jahr. Auf die elf Jahre der Studie gerechnet heißt das: Der Lichtsmog hat sich bei uns in Europa verdoppelt, in Nordamerika sogar verdreifacht. Oder, wie einer der Studienautoren veranschaulicht: Wenn ihr bei eurer Geburt 250 Sterne hättet sehen können, könnt ihr von diesen mit 18 Jahren nur noch 100 erkennen.

Lichtverschmutzung: Habt ihr schon einmal die Milchstraße gesehen?

Die Milchstraße ist in von Menschen besiedelten Gebeiten nur noch an wenigen Orten sichtbar - so wie hier auf der Südinsel von Neuseeland. Lichtverschmutzung lässt die Nacht selten werden. Der Lichtsmog stört die Finsternis, Tiere und Ökosysteme - und macht auch uns selbst krank. Einmal im Jahr macht die Earth Night auf zunehmende Lichtverschmutzung aufmerksam. | Bild: picture alliance / NurPhoto | Sanka Vidanagama

Fast die Hälfte der Deutschen unter 30 Jahren hat noch nie die Milchstraße gesehen.

Schlaflose Nächte durch Lichtsmog: mehr blaues Licht durch LEDs

Energieeffiziente LEDs sind eine gute Sache. Deshalb stellen viele Länder Europas ihre Straßenbeleuchtung darauf um. Doch LEDs bergen auch Risiken, denn das Farbspektrum der nächtlichen Beleuchtung hat sich dadurch verändert. Anhand von Fotos, die von der Internationalen Raumstation ISS aus aufgenommen wurden, haben Forschende festgestellt, dass durch die weißeren LEDs insbesondere der Anteil der Emissionen im blauen Bereich des Spektrums zugenommen hat. Das hat Folgen für Mensch und Tier, sagt ein Forscherteam der University of Exeter in Penryn um Kevin Gaston. Insgesamt spielen dabei vier Aspekte eine Rolle: Weil blaues Licht die Ausschüttung von Melatonin hemmt, kann der Biorhythmus bei Tieren, aber auch beim Menschen durcheinandergeraten. Dass die nächtliche Beleuchtung negative Folgen für die Bewegung und das Fressverhalten von Fledermäusen hat, wurde bereits in früheren Studien gezeigt. Die Nutzung von LEDs bewirkt zudem, dass in Städten noch weniger Sterne sichtbar sind, und dass sich die Bewegung von Motten, Faltern und anderen Insekten, die sich Lichtquellen nähern oder sie vermeiden, weiter verändert. Eine Studie zeigte, dass sich schon eine geringfügige Beleuchtung negativ auf die Entwicklung von Larven und die Masse der Puppen von Insekten auswirkt.

Audio: Was ihr gegen Lichtverschmutzung tun könnt

Earth Night im September: "Licht aus!" für eine Nacht im Jahr

Jedes Jahr im September zum Neumond findet die Earth Night statt. Die Aktion soll dazu anregen, ab 22.00 Uhr unsere Beleuchtung zu reduzieren. Das heißt nicht, dass ihr ins Bett gehen sollt. Ihr könntet aber eure Außenbeleuchtungen abschalten und damit etwas gegen Lichtverschmutzung unternehmen!

Video: Wie ihr Lichtsmog reduziert

Weniger Lichtsmog: Licht aus, Sterne an!

Zu wenig Nacht: Warum weniger Lichtverschmutzung Tieren und Menschen hilft

Hellwach: Lichtverschmutzung schadet unserer Gesundheit

Besonders das blaue Licht im Kunstlicht ist für Menschen auf Dauer schädlich: Insbesondere das blaue, kalte Licht der LEDs von Leuchtreklamen und moderner Straßenbeleuchtung, aber auch von Fernsehern, Handys oder Laptops wirkt auf uns wie Tageslicht und hält uns wach. Lichtverschmutzung lässt die Nacht selten werden. Der Lichtsmog stört die Finsternis, Tiere und Ökosysteme - und macht auch uns selbst krank. Einmal im Jahr macht die Earth Night auf zunehmende Lichtverschmutzung aufmerksam. | Bild: picture alliance / Hans Lucas | Arnaud Chochon

Schaut gemütlich aus, aber Licht bremst die Melatoninproduktion.

Schlafforscherinnen und Schlafforscher bestätigen: Zu viel Kunstlicht kann auf Dauer krankmachen. Insbesondere das blaue, kalte Licht der LEDs von Leuchtreklamen und moderner Straßenbeleuchtung, aber auch von Fernsehern, Handys oder Laptops wirkt auf den menschlichen Körper wie Tageslicht und kann unseren Schlaf stören. Denn nur in Dunkelheit produziert der Körper das Schlafhormon Melatonin, das den Tag-Nacht-Rhythmus steuert - wie übrigens auch bei den Wirbeltieren. Licht bremst die Melatoninproduktion. Ohne Dunkelheit leben wir gegen unsere innere Uhr und schlafen zu wenig. Wir können uns nicht ausreichend erholen, unsere Zellen sich nicht genügend regenerieren. Zu viel Licht in der Nacht kann auf Dauer chronische Schlafstörungen auslösen.

Lichtverschmutzung: Das Leben der Tiere gerät durcheinander

Rotes Ordensband (Catocala nupta, Phalaena nupta), sitzt an einer Laterne. Lichtverschmutzung lässt die Nacht selten werden. Der Lichtsmog stört die Finsternis, Tiere und Ökosysteme - und macht auch uns selbst krank. Einmal im Jahr macht die Earth Night auf zunehmende Lichtverschmutzung aufmerksam. | Bild: picture alliance / blickwinkel/M. Woike | M. Woike

Falter wie das Rote Ordensband, nachtaktive Vögel und andere Tiere werden durch Lichtverschmutzung in Rhythmus und Orientierung gestört.

Wie wir Menschen leiden auch andere tagaktive Organismen unter den zu hellen Nächten, weil sie sich nicht mehr richtig regenerieren können. Nachtaktive Vögel und Insekten werden in ihrem Rhythmus oder bei der Orientierung gestört. Ob es das Glühwürmchen ist, dessen Glimmen von potenziellen Partnern nicht gesehen wird, die Motten, die bis zur Erschöpfung um Straßenlaternen fliegen, die frisch geschlüpften Meeresschildkröten, die in Richtung hell erleuchtete Stadt statt gen Meer laufen, die Mistkäfer, die sich am Licht der Milchstraße orientieren oder die Zugvögel, die von Lichtkegeln in die Irre geführt werden: Lichtsmog bringt Ökosysteme durcheinander. Eine einzige Straßenlaterne kann in einer Sommernacht 150 Insekten auf dem Gewissen haben - und in Deutschland gibt es rund 7 Millionen Straßenlaternen. Die künstliche Beleuchtung ist damit ein Puzzlestein der komplexen Problematik von Vogelsterben und Insektensterben. Auch auf andere Tiere hat die Lichtverschmutzung teils verheerende Wirkung.

Dauerbeleuchtung: Auch Pflanzen leiden unter dem Lichtsmog

Ein illuminierter Baum steht beim «Christmas Garden» im Erlebnis-Zoo Hannover in einem illuminierten Gehege. Lichtverschmutzung lässt die Nacht selten werden. Der Lichtsmog stört die Finsternis, Tiere und Ökosysteme - und macht auch uns selbst krank. Einmal im Jahr macht die Earth Night auf zunehmende Lichtverschmutzung aufmerksam. | Bild: picture alliance/dpa | Moritz Frankenberg

Auch Bäume und Pflanzen brauchen Dunkelheit für ihre Kreisläufe.

Selbst Pflanzen brauchen die Dunkelheit, um sich von der Fotosynthese und den Anstrengungen, kaputte Blätter und Stängel zu reparieren, zu erholen. Außerdem werden dauerbeleuchtete Pflanzen seltener bestäubt und bilden so weniger Früchte aus. Ihr jahreszeitlicher Rhythmus gerät aus den Fugen und sie verpassen den Herbst und den Frühling - werfen zu spät die Blätter ab oder entwickeln zu früh im Jahr neue Triebe.

Für mehr Dunkelheit: Das könnt ihr gegen Lichtverschmutzung tun

  • Jedes Jahr zum Neumond im September bei der Earth Night mitmachen und ab 22.00 Uhr künstliches Licht soweit wie möglich reduzieren.
  • Auf Lichteffekte, die keinen wirklichen Nutzen haben, an Haus und im Garten verzichten.
  • Bei künstlichem Licht ist kaltes grellweißes Licht ungünstig, warmes gelblich-oranges Licht ideal. Achtet beim Kauf auf die Kelvinzahl. Je niedriger diese ist, desto wärmer ist das Licht und desto besser für Natur und Tiere.
  • Eine Initiative unterstützen, die sich dafür einsetzt, dass der Blick in den natürlichen Nachthimmel bewahrt wird. Die gibt es in einigen Regionen, beispielsweise in speziell ausgewiesenen Sternenparks. Ihr herausragendes Merkmal: In ihnen wird es nachts noch richtig dunkel, sodass man auch leuchtschwache Himmelsobjekte, einen wahrhaft sternenübersähten Nachthimmel oder auch die Milchstraße sehen kann.

Quellen und Sendungen: Mehr Infos über Lichtverschmutzung und Lichtsmog