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Wilhelm Conrad Röntgen entdeckte Röntgenstrahlen Röntgen und der strahlendste Zufall der Medizin

Er hat im Dunkeln experimentiert und plötzlich die Knochen in seiner Hand gesehen. Am 8. November 1895 entdeckte Wilhelm Conrad Röntgen in Würzburg zufällig die Röntgenstrahlen. Damit revolutionierte er nicht nur die Medizin.

Stand: 07.02.2024

Das Röntgenbild der Hand des Anatomen Albert von Kölliker und Wilhelm Conrad Röntgen. Röntgen hat am 8. November 1895 in Würzburg die Röntgenstrahlen entdeckt. | Bild: picture-alliance/dpa/akg/Collage: BR

Am 8. November 1895 experimentiert Wilhelm Conrad Röntgen noch spätabends in seinem Labor im ehemaligen Physikalischen Institut der Universität Würzburg. Ihn interessieren die elektrischen Ladungen in einer Kathodenröhre, einer nahezu luftleeren Glasröhre. Das Licht in der Röhre erhellt den Raum schwach. Weil Röntgen dies stört, umhüllt er die Röhre mit schwarzem Karton. Da hellt sich plötzlich ein weiter entfernt stehender Fluoreszenzschirm auf. Beim weiteren Experimentieren gerät seine Hand zwischen die Kathodenröhre und den Leuchtschirm - und Röntgen blickt direkt auf die Schatten seiner Handknochen. So in etwa soll sich die Entdeckung der Strahlen, die Röntgen "X-Strahlen" genannt hat, zugetragen haben.

"Es weiß keiner, wie es wirklich passiert ist."

Roland Weigand, Röntgen-Kuratorium Würzburg

Die Entdeckung und Entstehung der Röntgenstrahlen

Nachbau einer historischen Röntgenröhre von 1896 für medizinische Anwendungen

Tatsächlich lässt sich die Entdeckung der Röntgenstrahlen nur grob rekonstruieren. Wilhelm Conrad Röntgen hat in seinem Testament verfügt, all seine Aufzeichnungen - außer den veröffentlichten Aufsätzen - nach seinem Ableben zu vernichten. Erklären lässt sich das Phänomen so: Röntgen erzeugte in seiner Gasentladungsröhre eine starke Spannung zwischen zwei metallischen Platten. So beschleunigte er Elektronen, die von der Kathode, dem negativen Pol, zur Anode, dem positiven Pol, rasen. Beim Auftreffen auf die Anode wurden die Elektronen abgebremst. Ein Teil der Energie wurde frei in Form von elektromagnetischer Strahlung. "Und wenn das in diesem Kilovolt-Bereich stattfindet, dann sind das Röntgenstrahlen", erklärt Johannes-Geert Hagmann vom Deutschen Museum in München. Die Strahlung durchdrang das Glas und die Papphülle und regte die Moleküle im Fluoreszenzschirm zum Leuchten an. Die Knochen schatteten die Strahlung ab.

"Ich hatte von meiner Arbeit niemand etwas gesagt: Meiner Frau teilte ich nur mit, dass ich etwas mache, von dem die Leute, wenn sie es erfahren, sagen würden: 'Der Röntgen ist wohl verrückt geworden'."

Wilhelm Conrad Röntgen (Quelle: roentgen2020.de)

Wilhelm Conrad Röntgen schläft im Labor in Würzburg

Originallabor von Wilhelm Conrad Röntgen in Würzburg

Nach diesen ersten, eher zufälligen Beobachtungen forschte Röntgen unermüdlich weiter. Die Entdeckung der unbekannten Strahlen fesselte ihn derart, dass er sich sechs Wochen lang in seinem Labor einschloss und es kaum noch verließ.

"Was in den Wochen nach dieser Entdeckung passierte, charakterisiert Röntgen ziemlich gut."

Roland Weigand, Röntgen-Kuratorium Würzburg

Das berühmteste Röntgenbild der Welt vom 22.12.1895: die Hand von Bertha Röntgen.

"Er ließ sich das Essen dorthin bringen, sogar ein Bett soll er im Labor aufgestellt haben - und das, obwohl er als Leiter des Instituts gerade mal einen Stock höher mit seiner Frau Bertha gewohnt hat", erzählt Roland Weigand. "Doch selbst dieser kurze Weg war ihm zu weit, er konnte sich von den Strahlen nicht lösen." Am 22. Dezember 1895 musste seine Frau Bertha für ein Experiment herhalten: Wilhelm Conrad Röntgen röntgte ihre Hand - die Aufnahme sollte später das berühmteste Röntgenbild der Welt werden. Aber wahrscheinlich nicht das älteste - es ist nur das älteste, das veröffentlicht wurde und wirklich zeitlich dokumentiert ist.
Nach seinen gewissenhaften Studien veröffentlichte Röntgen Ende 1895 seinen berühmten Artikel "Über eine neue Art von Strahlen". Die Gesellschaft war von den neuartigen Blicken ins Innerste fasziniert: Röntgen wurde zum Tagesgespräch, zum Thema von Revuen und Romanen - und zu einer Ikone der Wissenschaft. Weil Kathodenröhren damals in vielen Forschungseinrichtungen standen, wurden die spektakulären Ergebnisse international rasch bestätigt.

"Es ging wie ein Lauffeuer um die Welt."

Alfred Forchel, ehemaliger Präsident der Universität Würzburg

Die Welt im Röntgenfieber

Weil Röntgen sich seine Entdeckung nicht patentieren ließ, kamen Röntgenapparate schnell und vielerorts in Mode. Zu verlockend war die Möglichkeit, in den Körper und in Gegenstände zu blicken. Geröntgt wurde bald nicht nur zu medizinischen Zwecken, sondern zum Beispiel auch im Schuhladen, um zu sehen, ob die Füße wirklich gut in die neuen Schuhe passten. Dass Röntgenstrahlen auch gefährlich sein können und zum Beispiel Organe und Erbgut schädigen können, davon ahnte zu diesem Zeitpunkt noch niemand etwas. 1901 erhielt Wilhelm Conrad Röntgen für seine Entdeckung den Nobelpreis für Physik. Bescheiden verzichtete er auf das Preisgeld und stiftete es der Universität Würzburg. Schon 1905 hieß es beim Kongress der Röntgen-Vereinigung zu Berlin: "In dieser vervollkommneten Weise sind die Röntgenstrahlen [...] in allen Spezialfächern der Menschenheilkunde [...] ein unersetzliches und unentbehrliches Hilfsmittel geworden." Röntgens Name wurde zu einem Verb.

Röntgenstrahlen und ihre Nutzung

Röntgenstrahlen sind extrem kurzwellige, energiereiche elektromagnetische Strahlen, die Materialien durchdringen und so durchleuchten können. Für das Auge sind sie nicht sichtbar. Auf einem Röntgenbild sind Knochen gut zu erkennen, Weichteile dagegen nicht. Röntgenbilder nutzt man in der Medizin zum Beispiel zur Untersuchung von Knochenbrüchen oder schwerwiegenden Zahnproblemen. Bei einer Computertomografie entsteht ein plastisches 3D-Bild aus Tausenden von Aufnahmen. Mit hochintensiven Röntgenstrahlen lassen sich die Strukturen von kleinen Molekülen, Eiweißen, Proteinen oder Viren ausmessen und darstellen. Dies kann nützlich sein, um passgenaue Medikamente oder Therapien zu entwickeln. Allerdings belastet jede Röntgenuntersuchung den Körper mit radioaktiven Strahlen. Einen Schwellenwert, unterhalb dessen eine Schädigung ausgeschlossen werden kann, gibt es jedoch nicht.
Mit Röntgenstrahlen lassen sich auch Werkstoffe prüfen oder die Strukturen von Kristallen analysieren. In der Kunst können Übermalungen und Fälschungen mithilfe von Röntgenstrahlen aufgedeckt werden. In der Archäologie werden sie eingesetzt, um Funde genauer zu untersuchen, ohne sie zu beschädigen. Röntgenteleskope im Weltall helfen dabei, Schwarzen Löchern auf die Spur zu kommen.

Röntgenstrahlen für Kinder in Bildern erklärt

Wilhelm Conrad Röntgen - der Nobelpreisträger ohne Abitur

Als Wilhelm Conrad Röntgen die Röntgenstrahlen 1895 entdeckte, war er in Fachkreisen bereits ein geschätzter Wissenschaftler. Dabei hätte dies eine gescheiterte Schullaufbahn fast verhindert. Röntgen wurde am 27. März 1845 in Lennep, heute ein Stadtteil von Remscheid, geboren. Sein Vater war Tuchhändler, die Familie zog später in die Niederlande. 1863 wurde Röntgen in Utrecht ohne Abitur von der Schule geworfen: Er soll einen Lehrer in einer Karikatur verunglimpft haben, dabei wollte er nur deren wahren Urheber nicht verraten. Röntgen ging 1865 nach Zürich an die Polytechnische Hochschule, dort konnte er auch ohne Abitur studieren. 1868 erhielt er ein "hervorragendes" Diplom als Maschinenbauingenieur. Röntgen wurde Assistent des jungen Professors August Kundt, der ihn für Physik begeisterte, und promovierte 1869 in Physik. Nach seiner Habilitation wurde Röntgen 1874 Privatdozent und 1876 außerordentlicher Professor in Straßburg. 1879 wurde er als ordentlicher Professor für Physik an die Universität Gießen berufen. 1888 nahm er einen Ruf als Professor für Physik und Leiter des Physikalischen Instituts der Julius-Maximilians-Universität Würzburg an. Diese Entscheidung zeigt, dass ihm die Experimentalphysik über alles ging, sagt Roland Weigand. Denn Röntgen hätte allen Grund gehabt, Würzburg zu meiden: Als er als Kundts Assistent erstmals nach Unterfranken kam, durfte er an der Uni trotz Doktortitel nicht habilitieren - wegen des fehlenden Abiturs.

"Würzburg hatte damals das bestausgestattete physikalische Institut in Deutschland, vielleicht sogar in Europa."

Roland Weigand, Röntgen-Kuratorium Würzburg

Röntgen - ein uneitler, unermüdlicher und unzufriedener Forscher

Das berühmte Röntgenbild der Hand des Anatomen Albert von Kölliker.

Zeitgenossen bezeichneten Wilhelm Conrad Röntgen als introvertierten Kauz, als Sozialphobiker, aber auch als akribischen Forscher und als Genie. Er galt als außerordentlich uneitel, der Rummel um seine Person war ihm unangenehm. Als er seine X-Strahlen im Januar 1896 nach unzähligen Experimenten erstmals öffentlich präsentierte, begann er seinen Vortrag mit den Worten: "Durch Zufall entdeckte ich diese Strahlen." Die Idee, sie nach ihm zu benennen, stammte auch nicht von Röntgen selbst, sondern von Zuhörern dieses Vortrags. Dass es ihm nicht um Ruhm, Ehre und Geld, sondern um die Wissenschaft ging, davon zeugt auch der Verzicht auf das Patent sowie auf das Nobelpreisgeld. Als Experimentalphysiker wollte er auch einfach nicht nur auf diese eine Entdeckung reduziert werden: "Er hat 70 Aufsätze geschrieben, nur drei davon befassen sich mit den X-Strahlen", sagt Roland Weigand.

Originallabor von Wilhelm Conrad Röntgen erhalten

Gestorben ist er am 10. Februar 1923 in München. Das Familiengrab befindet sich in Gießen: Auf dem Alten Friedhof ruhen Berta Röntgen, Wilhelm Conrad Röntgen und dessen Eltern.
Röntgens einstiges Labor ist seit 1985 eine Gedächtnisstätte in den heutigen Räumen der Hochschule Würzburg-Schweinfurt. Dort zeugen noch heute die Originalgeräte und -möbel von Röntgens bahnbrechender Entdeckung, den X-Strahlen - die im Amerikanischen übrigens noch heute "x-rays" heißen.

Sendungen zu Wilhelm Conrad Röntgen und das Röntgen


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