Alternative Nahrungsmittel Bitte ein Quallenschnitzel!
An Urlaubsstränden nerven Quallen und Algen die Badegäste. Sie können Verbrennungen verursachen oder übel riechen. Doch manche gewinnen den Meeresbewohnern auch Positives ab: Sie sind essbar.
Josep-Maria Gili, Biologie-Professor am Institut für Meereswissenschaften in Barcelona, untersucht Quallen als Nahrungsmittel. Nachdem Fische und Muscheln immer schwieriger aus den Meeren zu fischen sind, sieht der katalanische Wissenschaftler Quallen als geeignete Ersatznahrungsmittel. Sie sind in Fülle vorhanden, cholesterin- und fettfrei, liefern Proteine und Spurenelemente wie Natrium, Calcium, Kalium und Magnesium. In China gelten sie aufgrund ihres niedrigen Kaloriengehalts sogar als beliebte Diät-Mahlzeit.
Ein Spiegelei der anderen Art
In Europa beginnt die Lebensmittelindustrie gerade erst, einheimische Quallen für sich zu entdecken. Sie sollten möglichst wenig giftig sein und sich gut züchten lassen, damit sie als Nahrungsmittel in Frage kommen. Die Spiegeleiqualle, die tatsächlich ein bisschen aussieht wie ein Spiegelei, mit rundem Dotter in der Mitte, ist nur leicht giftig und wäre ein gefundenes Fressen für Quallengenießer. Ihr natürlicher Feind, der Fisch, ist seltener geworden, dadurch ist der Bestand der Spiegeleiqualle gestiegen. Sie ist sehr konsistent, kommt aber, was ihr Nachteil ist, nur ein bis anderthalb Monate im Jahr vor. Sozusagen eine Delikatesse.
Qualle on the rocks
Bleibt die Frage, wie man diese glibbrige Gaumenfreude fängt, denn die Quallen rutschen durch die Fangnetze. Also bleibt nur, sie zu züchten. In Becken mit warmem Wasser werden Polypen, das sind ganz junge Quallen, mit normalem Fischfutter oder Plankton gefüttert. Man wartet, bis die Quallen groß genug und geschlechtsreif sind, dann sondert man die Quallen aus, friert sie ein und arbeitet mit den neuen Polypen weiter. Wieder aufgetaut, sind die Quallen fertig zum Verzehr.
Den Kälteschock braucht es, damit das Gift der Quallen unschädlich wird. Außerdem sollten die Tentakeln entfernt werden. Fertig ist die essbare Spiegeleiqualle, in Streifen geschnitten zum Salat oder als Schnitzel paniert. Angesichts überfischter Meere eine annehmbare Alternative.
GoJelly - EU-Projekt zur Nützlichkeit der Qualle
In asiatischen Ländern kommen Algen schon seit mehreren hundert Jahren auf den Speiseteller, sagt Jamileh Javidpour. Die Professorin der Syddansk Universität im dänischen Odense ist Quallenexpertin und leitet das von der EU unterstützte internationale Forschungsprojekt "GoJelly". Quallen seien ein Indikator des Klimawandel, betont sie. Je wärmer die Meere, desto mehr Quallen gebe es. Umso wichtiger sei es nach Ansicht der Forscherin, das Potenzial der Qualle als Nahrungsmittel auszunutzen. Die glitschigen Meerestiere seien aber nicht nur als Nahrungsmittel nutzbar. Sie eignen sich auch als landwirtschaftlicher Dünger, als Rohmaterial für kosmetische und pharmazeutische Produkte sowie für neuartige biotechnische Anwendungen oder gar als Mikroplastikfilter.
Zum Anbeißen: die Alge
Die Meeresbiologin Consuelo Guerra erforscht dagegen Algen in Zusammenarbeit mit der Universität von Cadiz an der südspanischen Atlantikküste. Grün- und Braunalgen eignen sich für den Verzehr, denn sie sind nicht giftig. Ganz im Gegensatz zu Blaualgen, die im Sommer auch die bayerischen Gewässer bedecken.
Geht auch als Currywurst
Das Verfahren, wie Algen haltbar zu machen sind, stammt aus Japan: Sie werden in einer beheizten Kammer mit einem leichten Durchzug getrocknet. Die Braunalge hat einen sehr intensiven Geschmack und ist leicht knusprig wie Kaviar, sagt Consuelo Guerra. Algen haben mehr Calcium als Milch. Sie liefern verwertbares Eisen, sowie Selen, Zink, Vitamin A, B, C, zudem Proteine und Jod. Anders als Quallen werden Algen bereits heute kommerziell genutzt. Mehrere Unternehmen fischen wild wachsende Algen ab, reinigen, verarbeiten und vertreiben sie. Die Algen landen auf den Tellern von Restaurants, in Feinkostläden und in heimischen Kochtöpfen. Na dann, Mahlzeit!