Frontotemporale Demenz (FTD) und Alzheimer Wenn junge Menschen dement werden

Von: Marisa Gierlinger

Stand: 12.09.2024

Demenzen haben nur ältere Menschen? Ein Trugschluss. Alzheimer und insbesondere die Frontotemporale Demenz (FTD) beginnen oft in jüngeren Jahren. Zur Diagnose ist es meist ein langer Weg. Auch, weil die Symptome nicht immer typisch sind.

Symbolische Darstellung von neuronalem Abbau im Gehirn. Frontotemporale Demenz (FTD) und Alzheimer gibt es manchmal auch bei jungen Menschen. Auch Bruce Willis ist daran erkrankt. Was sind frühe Symptome und Ursachen? | Bild: picture alliance/Zoonar | Berit Kessler

Definition: Demenz, Alzheimer, Frontotemporale Demenz (FTD)

Allein in Deutschland leiden fast zwei Millionen Menschen an Demenzerkrankungen, die Tendenz steigt mit der alternden Bevölkerung. Dabei ist Demenz kein einzelnes Krankheitsbild, sondern ein Oberbegriff für ein Muster von Symptomen. Die häufigste zugrundeliegende Erkrankung ist Morbus Alzheimer, benannt nach dem Neurologen Alois Alzheimer, der die Symptome 1906 zum ersten Mal beschrieb. Zu ihnen gehören Gedächtnisverlust, Verminderung im Planen und Problemlösen, Verwirrung und Desorientierung sowie Sprachstörungen. Die Bezeichnungen Alzheimer und Demenz werden oft fälschlicherweise synonym verwendet.

Von Demenz im jüngeren Lebensalter sprechen Experten, wenn Symptome vor dem 65. Lebensjahr auftreten. In dieser Gruppe ist neben Alzheimer die Frontotemporale Demenz (FTD) am häufigsten. Bei der FTD sind Nervenzellen im Stirnhirn (Frontallappen) und im Schläfenlappen (Temporallappen) betroffen. Der Frontallappen steuert wichtige Funktionen wie Sozialverhalten und Affektkontrolle, der Schläfenlappen das Sprachverständnis. Die FTD beginnt daher oft mit Veränderungen der Persönlichkeit, Stimmungsschwankungen und in manchen Fällen Sprachstörungen. Anfang 2023 wurde bekannt, dass Hollywoodstar Bruce Willis an Frontotemporaler Demenz erkrankt ist. Seitdem erfährt die Krankheit öffentlich mehr Aufmerksamkeit.

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Frontotemporale Demenz (FTD): Wenn junge Menschen dement werden

Frontotemporale Demenz (FTD): Die Unbekannte

"Alzheimer kennt jeder. FTD ist halt nicht so bekannt und wenn man da einen Angehörigen hat, muss man immer erstmal erklären. Das sind ja auch bizarre Verhaltensweisen, die nicht jeder versteht. Da gibt es nicht so viel Verständnis wie für Alzheimer."

Prof. Dr. Anja Schneider, Direktorin Klinik für Neurodegenerative Erkrankungen und Alterspsychiatrie am Uniklinikum Bonn, Gruppenleiterin DZNE (Deutsches Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen)

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Symptome: Erste Anzeichen von Demenzerkrankungen

Mit zwei Dritteln aller Fälle ist Alzheimer die häufigste unter den Demenzerkrankungen. Auch deshalb sind es die typischen Symptome, an denen wir Demenzen meist erkennen: Die Erinnerung lässt nach, Planen und Routineaufgaben werden zur Herausforderung. Die Betroffenen wirken desorientiert, haben Probleme beim Sprechen oder Verstehen von Zusammenhängen. Solche Veränderungen lassen nahestehende Personen schnell stutzig werden. Oft sind sie es, die eine Untersuchung veranlassen - auch weil die Erkrankten selbst nicht immer einsichtig sind.

Die Diagnose der FTD kann schwierig sein. Erstens tritt sie früher als andere Demenzen auf, oft ab Mitte 40, in wenigen Fällen sogar noch früher. Zweitens verwechselt man sie aufgrund der Symptome oft mit psychischen Störungen. Die Persönlichkeit und das Sozialverhalten verändern sich, Betroffene werden etwa reizbar, taktlos, enthemmt oder auch ganz teilnahmslos. Im weiteren Verlauf kann es zu Sprachproblemen und Wortfindungsstörungen kommen; bei der selteneren sprachbetonten Variante der FTD stehen sie im Vordergrund.

Diagnose FTD: Symptome oft fehlgedeutet

"Bei FTD gibt es einen langen Leidensweg. Es dauert oft, bis Patienten ihre Diagnose bekommen. Es dauert auch deshalb, weil ganz viele das Krankheitsbild nicht kennen - auch unter den Kollegen. Die Patienten landen in der Regel häufig erst in der Paartherapie oder beim Psychiater, manchmal sogar bei der Polizei. Weil sie sich sozial inadäquat verhalten, Leute anpöbeln. Manche werden sexuell übergriffig, andere entwickeln Zwänge. Es geht also in ganz verschiedene Richtungen. Manchmal ist dann die Diagnose auch erstmal eine Erleichterung - weil man weiß, es ist krankheitsbedingt."

Prof. Dr. Anja Schneider, Direktorin Gerontopsychiatrie am Uniklinikum Bonn, Gruppenleiterin DZNE

Ursachen für Demenzerkrankungen: Bei jungen Menschen oft genetisch bedingt

Genetische Gründe spielen bei jüngeren Patienten eine deutlich größere Rolle als bei spät einsetzenden Demenzen. Nicht immer bedeutet das, dass die Krankheit familiär vererbt ist. Es kann aber auch ganz andere Ursachen geben, sagt Demenzforscherin Anja Schneider. Ein Beispiel sind Depressionen. "Da gibt es Gedächtnisdefizite, die sich auch wieder lichten, wenn die Depression ausbehandelt ist. Auch Erwachsene mit ADHS kommen häufiger mal zu uns in die Gedächtnisambulanz. Und dann stellt sich raus, dass sie schon ihr ganzes Leben lang Probleme mit dem Gedächtnis haben, was dann eigentlich ein Aufmerksamkeitsdefizit ist." Auch Alkoholismus oder wiederholte Schädelhirntraumata durch Sportverletzungen können Nervenzellen im Gehirn absterben lassen. Wichtig ist: "Wenn irgendwas neu auftritt und sich dann verschlechtert, muss man schon gucken, was da die Ursache ist. Das würde ich in jedem Alter anraten."

Risiko Sportverletzungen: Football machte ihn jung zum Demenz-Fall

Alzheimer und Frontotemporale Demenz (FTD): Ursachen für den neuronalen Abbau im Gehirn

Die meisten Demenzen sind neurodegenerativ. Das bedeutet, dass sie durch Krankheiten ausgelöst werden, die einen Verlust von Nervenzellen im Gehirn verursachen. In den meisten Fällen geschieht das durch Veränderungen und Ablagerungen von körpereigenem Eiweiß, sogenannten "Plaques". Bei der Alzheimer-Erkrankung sind es die beiden Proteine Beta-Amyloid und Tau, die an und in den Nervenzellen verklumpen und diese nach und nach absterben lassen. Bei der selteneren Frontotemporalen Demenz ist der Vorgang noch weniger gut erforscht. Hier sind es mehrere Proteine, die beschädigt sein können und Ablagerungen bilden, allen voran die Verbindung TDP-43. Entscheidend sind hier vor allem die Hirnregionen, in denen der Nervenzellverlust stattfindet: die namensgebenden Frontal- und Temporallappen.

Video: Ist das schon Demenz?

Diagnostik: So lassen sich Ursachen für Demenzen feststellen und unterscheiden

"Es würde nicht reichen, wenn man nur die Verhaltenssymptome anschaut. Es muss auch immer eine Bildgebung dazugehören. Bei Alzheimer sind wir schon so weit, dass wir diese Amyloid-Verklumpungen und beginnend auch das Tau mit einer Sonde nuklearmedizinisch nachweisen können. Das kann dann umgekehrt auch ein Ausschlusskriterium sein. In fortgeschrittenen Stadien lässt sich das auch im MRT unterscheiden, weil man die Regionen sieht, in denen der Nervenzellverlust stattfindet. Und eigentlich gehört auch die Nervenwasseruntersuchung dazu, um nochmal entzündliche Erkrankungen auszuschließen. Insofern sind da verschiedene diagnostische Methoden notwendig. Dazu kommt immer eine neuropsychologische Untersuchung, bei der man verschiedene kognitive Domänen abklopft. Einmal die Sprache, dann das Gedächtnis, aber auch planerisches Denken und so weiter."

Prof. Dr. Anja Schneider, Direktorin Gerontopsychiatrie am Uniklinikum Bonn, Gruppenleiterin DZNE

Leben mit Demenz: Was Betroffenen und Angehörigen hilft

Medikamente und Therapien: Behandlung von Alzheimer und Frontotemporaler Demenz (FTD)

Demenzerkrankungen sind von Fall zu Fall verschieden. So lassen sich auch die Lebenserwartung und der Verlauf der Krankheiten nicht pauschal festmachen. Heilbar sind weder die Frontotemporale Demenz noch Alzheimer. Letzteres ist inzwischen gut erforscht, und es gibt zunehmend Mittel und Wege, den Krankheitsverlauf zu verzögern und die Symptome zu lindern. Bei Medikamenten haben sich Antidementiva, Antidepressiva und Neuroleptika gut bewährt. Sie werden jeweils gegen die Demenzsymptome selbst, begleitende Ängste und psychotische Verhaltensweisen eingesetzt. Der pflanzliche Wirkstoff Gingko biloba ist durchblutungsfördernd und kann sich bei leichter Symptomatik positiv auf das Denkvermögen auswirken. Durch körperliche und geistige Fitness, gesunde Ernährung und regelmäßige soziale Kontakte lässt sich das Risiko für eine Erkrankung außerdem minimieren.

Spezifische Risikofaktoren sind für die Frontotemporale Demenz noch nicht bekannt. Auch hier gibt es Medikamente, die Symptome lindern können - was welchem FTD-Patienten hilft, ist dabei sehr individuell und unbedingt ärztlich abzuklären. Inzwischen gibt es auch vereinzelte Therapieangebote, die speziell auf FTD-Patienten zugeschnitten sind, beispielsweise logopädische Übungen. Die Unterbringung in Heimen und Pflegeeinrichtungen ist oft schwierig, da die Bedürfnisse und auch das Sozialverhalten sich von anderen Patienten stark unterscheiden. Angehörige sowie Fachleute beklagen in diesem Bereich gravierende Versorgungslücken. Mit dem Wegweiser Demenz finden Betroffene von Demenzerkrankungen und ihre Angehörigen Hilfe und entsprechende Anlaufstellen.

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