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Andere mediale Texte Narrative Ebene: Schnitt und Montage

Von: Christian Albrecht

Stand: 16.06.2021

Hier beantworten wir folgende Fragen:

  • Was ist der Unterschied zwischen Schnitt und Montage?
  • Welche Montagekonzepte gibt es?
  • Welche narrativen Wirkungen erzielen unterschiedliche Montageformen?

Wie eine Geschichte im Film erzählt wird, wird stark von der Montage bestimmt. Der Filmwissenschaftler Béla Balázs nannte die Montage den "Atem der Erzählung" (Béla Balázs: Der Geist des Films, Frankfurt a. M. 2001, S. 49).

Der Schnitt ist die konkrete Aneinanderreihung verschiedener Einstellungen zu einer Szene und schließlich zu einer Sequenz in einem bestimmten Rhythmus und bezeichnet also einen in erster Linie technisch-handwerklichen Vorgang.

Von Bewegungsschnitten spricht man, wenn der Bewegungsablauf einer Figur in mehrere Einstellungen "zerlegt" wird.

Das übergeordnete künstlerische Konzept der Filmkomposition, also wie die verschiedenen Teile eines Films künstlerisch angeordnet sind, wird Montage genannt.

Zwei wichtige Grundtypen sind die epische Montage und die konstruktivistische Montage.

Die epische Montage will einen Erzählfluss herstellen. Ihr Ziel ist es laut Medienwissenschaftler Michael Staiger, einen Eindruck von Unmittelbarkeit, Einheitlichkeit und Kontinuität entstehen zu lassen (vgl. Michael Staiger: (Un-)Sichtbare Schnitte. Zur Geschichte und Didaktik der Filmmontage. In: Matthis Kepser (Hrsg.): Fächer der schulischen Filmbildung: Deutsch, Englisch, Geschichte u. a. Mit zahlreichen Vorschlägen für einen handlungs- und produktionsorientierten Unterricht, München 2010, S. 163-184.). Sie bewirkt das, indem sie die Schnittfolgen von Einstellungen einer Szene beinahe unsichtbar macht.

Ein Beispiel dafür ist der im Video gezeigte Ausschnitt aus dem Film "Der Herr der Ringe – Die Rückkehr der Könige". In der Szene "Rohan reitet in die Schlacht" wurden möglichst viele gleichbleibende Elemente unterschiedlicher Einstellungen in einen kontinuierlichen Zusammenhang gebracht. 

Ein anderes Thema, das Regisseure und Cutter vor große Herausforderungen stellt, sind Zeitsprünge. Eine berühmt gewordene Lösung dafür hat Stanley Kubrick in der Anfangssequenz seines Science-Fiction-Films "2001: Odyssee im Weltraum" gefunden. Mithilfe der Montage hat er große Zeiträume überbrückt und gleichzeitig den Szenen auch inhaltliche Bedeutung gegeben.

Der Film beginnt in der Altsteinzeit mit den Bildern einer Horde von Affenmenschen. Sie lernen, Tierknochen als Werkzeug und auch als Waffe zu verwenden. Der Anführer der Affenhorde ist sich der Macht bewusst, die mit seiner neuen Entdeckung verbunden ist. Triumphierend wirft er den Knochen in die Luft.

Es folgt der wohl berühmteste "Match Cut" (= ein Schnitt, bei dem in eine Bewegung hinein geschnitten und diese in einem anderen Bildmotiv fortgesetzt wird) der Filmgeschichte, der ebenfalls im Video zu sehen ist: Aus dem prähistorischen Knochen wird ein Raumschiff des 21. Jahrhunderts.

Kubrick gelingt es mit diesem einen Schnitt, vier Millionen Jahre zu überspringen und damit ein grundlegendes Prinzip der Menschheitsgeschichte offenzulegen: die Erweiterung der menschlichen Fähigkeiten vom ersten Werkzeug der Menschheit zum letzten und die damit verbundene Macht, sich die Welt und den Raum untertan zu machen.

Die Parallelmontage ist eine besondere Form der epischen Montage. Durch dieses Gestaltungsmittel kann man zwischen mehreren unterschiedlichen Handlungssträngen hin und her wechseln. Das im Video gezeigte Beispiel entstammt Jonathan Demmes Psychothriller "Das Schweigen der Lämmer". Der Effekt der Parallelmontage ist hier die erhebliche Steigerung der Spannung, indem sie den Zuschauer irrtümlich glauben lässt, beide Handlungsstränge würden zusammenlaufen.

Die Montage kann aber auch benutzt werden, um eben nicht Kontinuität, sondern bewusst Brüche und Kontraste zwischen den Einstellungen herzustellen. Es werden zum Beispiel Bilder aus sich widersprechenden Kontexten miteinander kombiniert. Derartig montierte Bilder fordern das Publikum dazu heraus, selbst mitzudenken und Zusammenhänge zwischen den Einstellungen herzustellen.

Als Beispiel für eine konstruktivistische Montage, die Filmgeschichte geschrieben hat, ist im Video die Schlussszene des Revolutionsfilms "Streik" des russischen Filmpioniers Sergej Eisenstein zu sehen. Eisenstein kontrastiert hier zwei Themen, die auf den ersten Blick nichts miteinander zu tun haben: die Niederschlagung eines Arbeiteraufstands durch das Militär und das Geschehen in einem Schlachthof. Trotz der Irritation, die diese unerwarteten Bilder auslösen, fällt es nicht schwer, Eisensteins Analogie von niedergemetzelten Arbeitern und Schlachtvieh nachzuvollziehen.

Die Montage beeinflusst also die Erzählweise einer Geschichte stark. Sie kann den Zuschauer "an der Hand nehmen", aber sie kann ihn auch verwirren. Sie kann Spannung erzeugen oder auch Langeweile. Die Montage hat also insgesamt großen Einfluss auf unsere Gefühle, unser Filmerleben und unser Filmverstehen.

1.

Schnitt und Montage werden als identische Aspekte der Postproduktion verstanden.

2.

Die Montage wird bei der Erschließung eines Films ignoriert.

3.

Das Zusammenspiel von Kamera und Montage wird nicht berücksichtigt.

Montage

  • Die Montage ist von zentraler Bedeutung für die Filmästhetik.
  • Wenn der Film durch die Montage eine Besonderheit (zum Beispiel einen inhaltlichen Bruch) aufweist, lohnt sich ein analytischer Blick besonders.
  • Zentrale Montagekonzepte sind die epische und die konstruktivistische Montage.

Epische Montage

Montage mit Hilfe eines unsichtbaren Schnitts, der dem Zuschauer nicht auffallen soll, um ein Gefühl von Unmittelbarkeit, Einheitlichkeit und Kontinuität zu erzeugen.

Konstruktivistische Montage

Montage mit Hilfe eines sichtbaren Schnitts, der mit der Unmittelbarkeit, Einheitlichkeit und Kontinuität bewusst bricht, um Denkprozesse des Zuschauers anzuregen.

Match Cut

Harter Schnitt zwischen zwei formal ähnlichen Einstellungen.