Filme verstehen Auditive Ebene: Sprache und Geräusche
Hier beantworten wir folgende Fragen:
- Wie lässt sich die auditive Ebene des Films differenzieren?
- Welche Rolle spielen Geräusche, Sprache und Musik?
- Welche Funktion erfüllen Geräusche, Sprache und Musik?
Es war eine Revolution: Ein Medium, das bislang "stumm" war und nur gesehen wurde, konnte plötzlich gehört werden. 1927 gilt als Geburtsjahr des Tonfilms. Der Film "The Jazz Singer" kam als erster audiovisueller Spielfilm in die Kinos. Auch wenn der Stummfilm nie wirklich stumm war, weil er in der Regel von Filmerklärern kommentiert, von Musikern live begleitet und von Geräuschemachern (Donner wurde zum Beispiel durch die Verwendung von Blechen nachgeahmt) untermalt wurde, eröffnete der Tonfilm den Zuschauern eine neue Rezeptionsebene und den Filmemachern revolutionäre Möglichkeiten, Filme zu erzählen.
Welche Vielfalt bei der Produktion und Rezeption von Filmen sich durch den Ton ergibt, wird zunächst anhand der Kategorien "Sprache" und "Geräusche" erläutert.
Grundsätzlich wird zwischen On- und Off-Ton unterschieden. Der On-Ton hat seinen Ursprung im Bild oder in der Handlung. Das heißt, die Quelle des Tons ist im Bild zu sehen, z. B. ein Sprechender in einem Dialog. Man sieht und hört ihn gleichzeitig, also synchron. In der Regel ist in einem Film ein Großteil der Sprache im On.
Ist die Quelle des Tons im Bild nicht zu sehen, spricht man von Off-Ton. Das kommt öfter bei Dokumentarfilmen als im Spielfilm vor. Man hört z. B. die Stimme einer Person, die selbst Teil der Handlung ist, aber man sieht die Person nicht synchron sprechen, oder sie ist gar nicht im Bild.
Im Filmausschnitt aus "Ein Tag im Leben von Wolfgang Flatz", das im Video gezeigt wird, spricht FLATZ im Off, während im Bild gezeigt wird, dass er liest. Dann hören wir eine Stimme aus dem Off – den Kommentar. Dieser Kommentar wird auch "Voice-over" genannt, weil er von außen nachträglich hinzugefügt wurde.
Im Dokumentarfilm spricht man auch von Voice-over, wenn z. B. über einen Englisch sprechenden Interviewpartner die Stimme der deutschen Übersetzung gelegt wird. Im Spielfilm wird der Begriff Voice-over oft für eine Erzählinstanz verwendet, die die Handlung und das Geschehen kommentiert.
Im Spielfilm "Die fabelhafte Welt der Amélie" (F, 2001) von Jean-Paul Jeunet - so haben wir im Video gesehen -, begleitet ein allwissender Erzähler humorvoll das Geschehen, blickt in die Vergangenheit der Protagonistin zurück und in die Zukunft voraus, tritt körperlich aber sonst nicht im Film auf.
In anderen Filmen dagegen tritt der Voice-Over-Erzähler auch als spielende Figur in Erscheinung. In der Tragikomödie "Good Bye, Lenin" (D, 2003) von Wolfgang Becker kommentiert beispielsweise die Hauptfigur Alex das Geschehen zusätzlich als Voice-Over aus dem Off.
In selteneren Fällen erfüllen die Figuren auch dann eine Erzählerfunktion, indem sie sich direkt an den Zuschauer wenden, ohne dass sie dabei zwangsläufig voice-over inszeniert werden.
Mit Geräuschen kann man vielfältige Effekte im Film erzielen. Da gibt es z. B. die Geräusche zu den Bildern, die wir sehen, also Geräusche als synchrone, akustische Ausstattung der Bilder. Durch den Einsatz der Geräusche wirkt eine Szene lebendig.
Im Video zeigte der Filmausschnitt aus Tom Tykwers "Das Parfum", dass Geräusche sogar eine synästhetische Wirkung hervorrufen, das heißt, mehrere Sinne ansprechen können. In dem Fall soll der Zuschauer den Fischmarkt, auf dem Jean Baptiste Grenouille geboren wird, nicht nur sehen und hören, sondern geradezu riechen.
Wenn wir etwas sehen und es nicht hören, z. B. einen Radfahrer ohne Straßengeräusche, dann kann das irritierend wirken und einen eher surrealen Eindruck vermitteln. Surreal wirkt es auch, wenn man mit Ton etwas hörbar macht, was man nicht sieht und normalerweise auch nicht hört – zum Beispiel Gedanken von Menschen. Im Videobeispiel wurde dadurch die psychische Verfassung des schizophrenen Studenten Lukas, gespielt von Daniel Brühl, in "Das weiße Rauschen" deutlich.
Generell gilt, dass die auditive Ebene im Film nie genauso klingt wie die Realität – deren ungefilterte Komplexität würde den Zuschauer eines Films schlicht überfordern.
1.
Die Bedeutung des Tons wird unterschätzt, obwohl er eine ebenso große Rolle für das Filmerlebnis spielt wie das Bild.
2.
Stummfilme werden als völlig stumm angesehen, obwohl sie es nie wirklich waren: Das Geschehen wurde von Filmerklärern kommentiert und Geräusche von Geräuschemachern imitiert.
3.
Es wird bei der Analyse ignoriert, dass die auditive Ebene im Film nicht klingt wie die Realität. Ihre ungefilterte Komplexität würde den Zuschauer eines Films überfordern.
1.
Die auditive Ebene besteht aus synchronem Bildton (on-screen) und asynchronem Fremdton (off-screen).
2.
Voice-over: Kommentarstimme aus dem Off, die einer spielenden Figur zugeordnet werden kann oder keiner Figur des Geschehens gehört.
3.
Geräusche werden in der Regel unbewusst wahrgenommen und tragen maßgeblich zur Atmosphäre des Films bei.
Synchroner Bildton
Geräusche, Dialoge, Musik. Die Quelle des Tons ist im Bild zu sehen.
Asynchroner Fremdton
Special Effects, Effekte, Voice-over-Kommentare usw. Die Quelle des Tons ist nicht im Bild zu sehen.