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Herrenchiemsee Bayerisches Mini-Versailles

Ludwig II. war ein großer Bewunderer von Ludwig XIV. von Frankreich. Deswegen erbaute er das Schloss Herrenchiemsee nach dem Vorbild von Versailles. Und tatsächlich kann man Original und "Fälschung" teilweise kaum voneinander unterscheiden. Seit der großen Landesausstellung 2011 ist auch der imposante Nordflügel des Prachtbaus zu besichtigen. Dennoch ist Herrenchiemsees bis heute Fragment geblieben - und birgt so manches Geheimnis.

Von: Michael Kubitza

Stand: 04.11.2011 | Archiv

Schlafzimmerblick: Wo Majestät zu ruhen geruhten

Versailles oder Herrenchiemsee? Diese Frage stellt sich auffällig oft, wenn man Bilder der beiden Schlösser betrachtet. Die Fassaden zum Garten hin gleichen sich fast wie ein Ei dem anderen. Der Spiegelsaal? Sowohl hier als auch dort vorhanden. Auch die Treppenhäuser sehen sich ähnlich. Alles Absicht: Mit Herrenchiemsee wollte Ludwig II. von Bayern seinem Idol Ludwig XIV. von Frankreich, dessen Nachfahre Ludwig XVI. sein Taufpate war, etwas entgegensetzen.

Entsprechend gründlich ging der "Kini" bei der Planung vor. 1873 erwarb er die Herreninsel im Chiemsee als Standort für sein "Bayerisches Versailles". Nach insgesamt 13 Planungsphasen begannen 1878 endlich die Bauarbeiten - um wenig später wieder unterbrochen zu werden: Erst ging dem König das Geld, dann das Lebenslicht aus.

2011: Neues Leben im Nordflügel

Schlosspark: Wie in Versailles sollte er aussehen. Doch er wurde nie fertiggestellt.

Was wir heute sehen ist, ist lediglich das Herzstück des ursprünglich geplanten Baus, und auch das im nördlichen Teil nur als Rohbau. Bis heute gibt das Schloss Rätsel auf. Ist Herrenchiemsee eine frühe Investitionsruine - oder plante Ludwig den zweiten Seitentrakt nur der Fassadensymmetrie wegen? Hatte der Romantiker auf dem Königsthron vor, ihn als unvollendete Skizze stehen zu lassen?

Der Rohbau des Nordflügels zeigt die Dimensionen der Anlage fast noch eindrucksvoller als die fertiggestellten Räume.

"Das Schloss ist ein begehbares Denkmal mit Einliegerwohnung". Der das sagt, ist der Architekt Mathias Pfeil, Ludwig-Kenner und Hauptverantwortlicher des großen Umbaus im Nordflügel, der 2011 zur Bayerischen Landesausstellung erstmals der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wurde. "Was wir hier vorfanden, waren jahrzehntelang unbenutzte, tote Räume, allenfalls Abstellkammern." Die sollte Pfeil nun aus ihrem Dornröschenschlaf küssen. Sein Konzept: "Wir wollten nicht 'fertigbauen', keine Spuren verwischen." Jeder Einbau - zusätzliche Stützstreben, Heizungsinstallationen, die bald noch indirekt beleuchteten Handläufe - ist "klar als Einbau zu erkennen. Man sieht, was ist." Der Pressetermin im Februar 2011 macht klar, was Pfeil meint.

Schlossmysterien: Erdwärmesonden und ein Nachttopflift

Einige Geheimnisse hütet das Schloss noch heute. Etwa die neue die "Klima-Kommandozentrale" im Keller. Christian Schlagowski vom Rosenheimer Bauamt: "Wir wollten alternative Energie nutzen. Solarplatten aufs Dach kamen natürlich nicht in Frage. Erst dachten wir an eine Hackschnitzelheizung, doch die hätte die Räume nur geheizt, nicht gekühlt - dafür hätte man den Chiemsee anpumpen und das Wasser zum Schloss leiten müssen. Das hätte wieder Energie verbraucht."

Durch diese Rohre gelangt die Erdwärme ins Schloss.

Jetzt kommt die Lösung des Problems aus dem Inselboden. Ein "Erdwärmesondenfeld" an der Ostseite des Schlosses entzieht dem Boden ja nach Bedarf Wärme oder Kälte. 16 Rohre - jedes nur wenige Zentimeter dick - gehen 250 Meter weit in die Tiefe und sorgen ganzjährig für gutes Raumklima. Schlagowski: "Damit sparen wir pro Jahr bis zu 180 Tonnen CO2 ein". Und Technik-Fan Ludwig II. wäre vermutlich beeindruckt gewesen.

Neben offensichtlichen Innovationen wie der Warmluftheizung und elektrischer Beleuchtung ließ der König ein weiteres Stück High-Tech einbauen, das den Augen Normalsterblicher bis heute verborgen ist - den Nachttopf-Aufzugsschacht versteckten Ludwigs Ingenieure tief in den gemauerten Eingeweiden von Herrenchiemsee. Dabei ist die Konstruktion ein schönes Bild für des Königs zwischen Stammbaumpflege und anbrechender Moderne irrlichterndes Herrschaftsverständnis: Die Wasserspülung nämlich war zur Bauzeit des Schlosses um 1880 bereits erfunden. Doch schließlich sah sich der Bayernherrscher als Nachfahre des Sonnenkönigs. Und der zelebrierte seinen morgendlichen Stuhlgang als Staatsakt, bei dem die Höflinge um die Gunst wetteiferten, den königlichen Nachttopf leeren zu dürfen. Der diskret versteckte Botschamperl-Lift Ludwigs war da ein kommoder Kompromiss.

Das Projekt Nordflügel

5,4 Millionen Euro hat der Umbau des Nordflügels gekostet. Im Februar 2011 war die "wichtigste Baustelle der Region" (Finanzminister Georg Fahrenschon, CSU) erstmals für die Presse zu besichtigen, im Mai eröffnete hier die Bayerische Landesausstellung "Götterdämmerung: Ludwig II. von Bayern". Seit ihrem Ende sind die Räume als "multifunktionale Veranstaltungsfläche" für Ausstellungen, Kulturveranstaltungen und Kongresse freigegeben.


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