Fleisch aus dem Labor Künstlich gezüchteter Fleischersatz - sinnvoll und lecker?
Wir essen so viel Fleisch, dass es uns und der Umwelt schadet. In Zukunft wird es auch nicht mehr für alle reichen. Warum also nicht einfach auf Insekten und pflanzliche Proteine aus Hülsenfrüchten umsteigen, statt künstliches Fleisch im Labor zu züchten?
Dass die massive Fleischproduktion weltweit die Umwelt und täglicher Fleisch-Verzehr die Gesundheit belasten, ist bekannt. Welche Fleisch-Alternativen gibt es, die der Umwelt weniger schaden würden?
Gesundheitsfrage - Tierisches versus pflanzliches Eiweiß
Wir essen dreimal so viel Fleisch wie früher
60 Kilogramm Fleisch pro Jahr werden in Deutschland im Schnitt gegessen. Auf das ganze Leben gerechnet sind das: 30 Schweine, 2 Rinder, ein halbes Kalb, 20 Puten und 400 Hühner. Menschen essen heutzutage weltweit dreimal so viel Fleisch wie noch vor 50 Jahren, obwohl bekannt ist, dass dadurch das Risiko steigt, an Zivilisationskrankheiten wie Herzinfarkt, Schlaganfall oder Diabetes zu erkranken.
Eine bereits eingeführte Fleisch-Alternative sind essbare Insekten. Sie enthalten hochwertige Proteine, brauchen wenig Platz bei der Zucht und sind wenig anspruchsvoll beim Futter. Während sie in anderen Länder fleißig verzehrt werden, haben sie in Deutschland noch ein Akzeptanzproblem. Auch wenn sie meist zu Mehl gemahlen in Form eines Burgers daherkommen. Eine weitere alternative und hochwertige Proteinquelle sind Hülsenfrüchte. Sie gelten als äußerst gesunder pflanzlicher Fleischersatz. Allerdings kann sie nicht jeder essen.
Warum Hülsenfrüchte statt Fleisch nicht für jeden funktionieren
Soja ist ein Hülsenfrucht-Produkt, mit dem vor allem Vegetarier und Veganer Fleisch und Milch ersetzen. Aber Soja ist auch eins von sechs Lebensmitteln - neben Weizen, Milch, Nüssen, Eiern und Fisch -, auf die Menschen in Deutschland am häufigsten allergisch reagieren. Während bei Erwachsenen Reaktionen auf die Hülsenfrüchte Soja, Erbse oder Erdnüsse verbreitet sind, sind es bei Kindern vor allem Erdnüsse. Erdnüsse können zu lebensbedrohlichen allergischen Reaktionen führen.
Kreuzallergien und Fodmaps
Allergische Reaktionen auf Soja und Erdnüsse bestehen nicht zwingend von Geburt an, man kann sie auch durch Kreuzallergien erwerben. Wer auf Birken-Pollen reagiert, kann eine Kreuzallergie gegen Soja entwickeln. Eine Allergie auf Birken- oder bestimmte Gräserpollen kann zu einer Kreuzallergie gegen Erdnüsse führen. Hülsenfrüchte gelten außerdem ungewürzt als wenig schmackhaft und als schwer verdaulich. Das können besonders Menschen zu spüren bekommen, die an einem Reizdarmsyndrom leiden. Betroffene reagieren auf bestimmte Kohlenhydrate in Lebensmitteln, die Fodmaps (Fermentierbare Oligosaccharide, Disaccharide, Monosaccharide und Polyole). Sie stecken auch in vielen Hülsenfrüchten. So gesund Hülsenfrüchte sind, sie bekommen nicht jedem.
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Wir können bald echtes Fleisch essen, ohne Tiere zu töten | beta stories | Doku | BR
Das Kreuz mit Lebensmittelallergien
Die Zahl der Menschen, die auf Hülsenfrüchte reagieren, wird in Zukunft auch noch steigen, denn Lebensmittelallergien sind gemein. Gleich mehrere Faktoren können sie hervorrufen. Eine Allergie oder Unverträglichkeit muss wie gesagt nicht angeboren sein, sie kann sich im Laufe des Lebens entwickeln. Mit den Essgewohnheiten steigt auch das Allergierisiko:
"Aus allergologischer Sicht wissen wir, dass ein hoher Verzehr von bestimmten Nahrungsmitteln letztlich auch das Risiko für eine Allergie erhöht. Daraus ist aber nicht abzuleiten, dass Hülsenfrüchte nicht verzehrt werden sollen."
Professorin Margitta Worm, Klinik für Dermatologie, Venerologie und Allergologie, Charité, Berlin
Bei Kleinkindern haben Daten aus Großbritannien gezeigt, dass sie möglichst frühzeitig in Kontakt mit Erdnüssen kommen sollten. Das verhindert eher das Entstehen einer Erdnussallergie. Laut Professorin Margitta Worm reflektieren die Ernährungsgewohnheiten auch das Spektrum von Nahrungsmittelallergien.
"Nahrungsmittelallergien haben in der Häufigkeit wahrscheinlich zugenommen, weil die Lebensumstände mit weniger Infektionen auf der einen Seite und geringerer mikrobieller Belastung auf der anderen Seite das Entstehen allergischer Erkrankungen insgesamt befördert haben."
Professorin Margitta Worm
Laborfleisch - wie wird künstliches Fleisch hergestellt?
Vorreiter Singapur
Laborfleisch ist bisher nur an einem Ort auf der Welt zugelassen: in Singapur. Ein Teller mit Chicken Nuggets soll dort 23 Dollar kosten.
Ekel vor Insekten-Fleisch, Lebensmittelallergien, Lust auf Fleisch und eine günstigere Klimabilanz könnten Fleisch aus dem Labor, auch Cultured Meat genannt, also durchaus zur interessanten Alternative machen. Nachteile gibt es aber auch bei Laborfleisch: Je nach Methode sterben auch bei der Produktion von Laborfleisch Tiere, zum Beispiel, wenn fetales Kälberserum verwendet wird. Dieses Serum aus dem Blutkreislauf des ungeborenen Kalbs ist bislang noch Hauptbestandteil des Nährmediums, in dem die Muskel- und Fettzellen im Labor heranwachsen. Um es zu bekommen, müssen Muttertier und Kalb getötet werden. Es gibt aber auch schon andere Ideen, wie man Fleisch im Labor ohne Kälberserum züchten könnte:
"Da gibt es verschiedene Ansätze: Das man pflanzliche Bestandteile nimmt oder Algen oder aus Bakterien produzierte Stoffe verwenden kann. Oder auch biotechnologisch, dass man also von Zellen selbst hergestellte Hormone hernimmt. Das ist ein spannendes Gebiet, weil es darf natürlich auch nicht teurer werden als davor. Es muss ja auch noch diesen enormen Preisdruck, der auf dem Fleisch lastet, erfüllen."
Petra Kluger, Professorin an der Hochschule Reutlingen, Biomat - Labor Biomaterialien.
Antibiotika auch in Laborfleisch
Fraglich ist aber, wie schnell Laborfleisch in großen Mengen produzieren werden könnte. Für die Massenproduktion werden zudem Bioreaktoren eingesetzt. In großen Kesseln laufen Dinge ab, die in einem Tierkörper automatisch passieren. Im Bioreaktor dagegen müssen Nährmedium, Temperatur, Sauerstoff und ph-Wert präzise nachempfunden und kontrolliert werden. Da in Bioreaktoren keine Bakterien gelangen dürfen, werden bislang in den Laboren teilweise Antibiotika zugesetzt. Langfristig soll sich das ändern.
Das Mundgefühl von Fleisch
Will man Laborfleisch Fleischessern schmackhaft machen, gibt es noch ein anderes Problem: Man muss seine Textur nachahmen und den typischen Geschmack von Fleisch. Auch ein steakgroßes Stück aus Laborfleisch zu züchten, ist eine Herausforderung. Wissenschaftler weltweit arbeiten bereits an solchen Gewebezüchtungen, Tissue Engineering genannt, aber das Verfahren ist kompliziert. Meist kommen nur kleine, hackfleischartige Stücke dabei heraus:
"Was ist das schwierige am Steak aus dem Labor? Das kennen wir aus Tissue Engineering: Sobald ich eine gewisse Größe an Gewebemaßen überschreite, habe ich das Problem, diese Zellen mit Nährstoffen und Sauerstoffen zu versorgen. Dafür haben wir im Körper ein ganz schlaues System, nämlich das Blutgefäßsystem. Das nachzubauen, damit beschäftigen wir uns im Biomat - Tissue Engineering [Hochschule Reutlingen] schon seit vielen Jahrzehnten und es klappt so mittelgut."
Professorin Petra Kluger
Fleischersatz aus Rinder-Muskelzellen
Japanische Forscher von der Universität Tokio haben zudem am 2. März 2021 verkündet, dass sie Fleischstücke im Labor gezüchtet haben. Aus Rinder-Muskelzellen. Die Stücke sind millimetergroß und links im Bild zu sehen.
Ein Steak aus dem 3D-Drucker
3D-Drucker könnten bei der Textur von Laborfleisch neue Möglichkeiten eröffnen: Man versetzt die gezüchteten Zellen mit pflanzlichem Stützmaterial zu einer Art zähflüssigen Tinte und druckt das Steak einfach aus.