Antibiotika in Lebensmitteln Resistente Keime lauern nicht nur im Fleisch
735 Tonnen Antibiotika werden in der industriellen Tierhaltung in Deutschland jährlich verfüttert – auch das birgt Risiken. Superkeime können vom Tier auf den Menschen überspringen. Doch davor kann man sich schützen.
Die vielen Tonnen Antibiotika, die in der industriellen Massentierhaltung in Deutschland jährlich verfüttert werden, sind eine Gefahr für Mensch und Tier. Denn auch in Tieren entwickeln sich resistente Bakterien, die wir mit dem Fleisch mitessen. Ungeahnte Übertragungswege können sogar Veganer krank machen.
Vom Tier zum Mensch – Übertragung von Antibiotikaresistenzen
In Tieren können krankmachende Bakterien, wie zum Beispiel Salmonellen, Antibiotika-Resistenzen entwickeln, die dann über die Nahrung auf den Menschen übertragen werden. Die resistenten Bakterien gefährden uns dann bei einer Antibiotika-Behandlung ganz unmittelbar.
Weniger offensichtlich ist das Risiko, wenn die Resistenzen bei den sogenannten kommensalen Keimen auftreten - bei bestimmten Keimen, die in der Darmflora fleischliefernder Tiere vorkommen. Diese Keime können beim Schlachtvorgang auf das Fleisch und so auf den Menschen übertragen werden. Sie machen uns nicht unmittelbar krank, können sich aber in unserer Darmflora ausbreiten und dort Antibiotikaresistenzen bilden. Auch dort sind sie erst einmal nicht gefährlich. Bei einer späteren Einnahme von Antibiotika können die multiresistenten Keime jedoch den Therapieerfolg gefährden, weil die Medikamente nicht mehr wirken.
Antibiotika in der Landwirtschaft
Immer wieder werden neue gesetzliche Regelungen erlassen, um den Antibiotikaverbrauch bei Nutztieren einzudämmen – bisher ohne durchschlagenden Erfolg.
So ist in Deutschland der Antibiotikaeinsatz als Wachstumsbeschleuniger zwar seit 2006 verboten. Allerdings dürfen Antibiotika auch gesunden Tieren im Bestand verabreicht werden, wenn wenige Artgenossen Krankheitssymptome aufweisen. Das kann ähnlich wirken wie die verbotene prophylaktische Antibiotikagabe.
Neue EU-Tierazrneimittelverordnung und die Kritik daran
Mit der neuen EU-Verordnung 2019/6 soll der Einsatz von Antibiotika bei Nutztieren künftig in allen Mitgliedsstaaten der EU einschränkt werden. Geregelt ist darin unter anderem ein Verbot von Reserveantibiotika in der Tierhaltung. Auch dürfen nach der neuen Regelung Antibiotika nur noch in vom Tierarzt begründeten Fällen verabreicht werden. Ein mit Antibiotika angereichertes Futtermittel ist - auch bei importierter Ware - europaweit aufgrund der Verordnung ebenfalls nicht mehr zulässig. Die Mitgliedstaaten haben noch bis Anfang 2022 Zeit, die Ende 2018 verabschiedete Regelung umzusetzen.
Kritikern geht diese Regelung allerdings nicht weit genug. In Ausnahmefällen will die EU-Kommission sogar den Einsatz bestimmter, der an sich für Menschen vorbehaltenen Reserveantibiotika in der Massentierhaltung nun doch erlauben.
Antibiotika in der Tierhaltung – auch Veganer sind gefährdet
Auch auf Sprossen, Salat, Tomaten, Gurken und Kartoffeln konnten multiresistente Keime nachgewiesen werden. Die Bakterien gelangen über die Abluft der Ställe oder die Gülle in die Umwelt und kontaminieren so selbst Gemüsefelder.
Sieben Regeln, wie Sie sich in der Küche vor multiresistenten Keimen schützen
Regel 1: Reinigen
Zwischen den Arbeitsschritten gründliches Reinigen der Arbeitsflächen und Hände – mit Seife, auch zwischen den Fingern und unter den Fingernägeln. Desinfektionsmittel ist nur auf Anraten eines Arztes oder des Gesundheitsamts sinnvoll.
Regel 2: Erhitzen
Das Innere des Fleischs sollte für zwei Minuten bei 70 °C durchgegart werden. Hilfreich kann ein Fleischthermometer sein.
Regel 3: Kühlkette einhalten
Lebensmittel im Kühlschrank bei 3 bis 5 °C aufbewahren. Fleisch und Fisch im kältesten Fach lagern, meistens ist dies das Fach oberhalb des Gemüsefachs. Verderbliche Speisen ebenfalls kühl aufbewahren.
Regel 4: Rohe Lebensmittel nicht für jeden
Kleine Kinder, Schwangere und Menschen mit geschwächtem Immunsystem sollten rohe, vom Tier stammende Lebensmittel wie Hackfleisch, Rohmilchkäse, rohes Ei, Räucherlachs sowie rohe Sprossen und aufgetaute tiefgekühlte Beeren meiden, es sei denn, die Produkte wurden vor dem Verzehr vollständig durchgegart.
Regel 5: Lebensmittel abwaschen
Salate, Kräuter, Gemüse und Obst für Rohkost gründlich waschen, um Keime zu entfernen.
Regel 6: Richtig aufbewahren
Speisen entweder bei über 65 °C heiß halten oder innerhalb weniger Stunden auf unter 7 °C abkühlen - so können sich überlebende Keime nicht vermehren.
Regel 7: Hygiene bei den Küchentextilien beachten
Küchenhandtücher, -lappen und -schwämme alle paar Tage in die Wäsche geben beziehungsweise wechseln.
Sendungen mit Infos rund um Antibiotika:
- Die Wahrheit über Antibiotika: alpha thema, ARD alpha, 28.06.2023, 21 Uhr
- Antibiotikaresistenzen - neue Forschungsansätze mithilfe von Künstlicher Intelligenz: Deutschlandfunk, Sprechstunde, 13.06.2023
- Stimmt es, dass man Antibiotika nicht mit Milch einnehmen sollte?: SWR Wissen, SWR, 27.03.2023
- Was probiotische Joghurts wirklich bringen: Hauptsache gesund, MDR-Fernsehen, 18.08.2022, 21 Uhr
- Antibiotika - Lebensretter mit Nebenwirkungen: Quarks Daily Spezial, WDR, 28.05.2022
- Hilfe gegen resistente Bakterien: Gut zu wissen, BR Fernsehen, 23.10.2021, 19 Uhr
- Aktuelle Entwicklungen bei der Antibiotikaresistenz: radioeins, rbb, 19.11.2022
- Antibiotika - Medizinrevolution mit Nebenwirkungen: radioWissen, Bayern 2, 10.02.2022, 9.05 Uhr
- Europäischer Antibiotika-Tag - Im Gespräch mit Dr. Peter Walger, Vorstand der Deutschen Gesellschaft für Krankenhaushygiene: BR24 im Radio, 18.11.2020
- Maßgeschneiderte Antibiotika: Campus Talks, ARD alpha, 10.08.2020, 22.15 Uhr
- Antibiotika - Fluch oder Segen?: Gesundheitsgespräch, Bayern 2, 15.04.2020, 10.05 Uhr
- Die Story - das Ende der Antibiotika?: Kontrovers, BR Fernsehen, 27.11.2019, 21 Uhr
- Gefährliche Medikamente - Langzeitschäden durch Antibiotika: Kontrovers, 10.05.2017, 21 Uhr