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Heilen mit Meerrettich Scharfe Senföle gegen gefährliche Keime

Im Meerettich sind Senföle enthalten, die hartnäckige Erreger bekämpfen können. Studien bestätigen die antibakterielle Wirkung von Senfölen. Die scharfen Stoffe helfen gegen Erkältungskrankheiten, können aber auch gefährliche multiresistente Krankenhauskeime zerstören.

Von: Elke Hardegger

Stand: 17.11.2020

Meerrettich-Wurzeln enthalten das antibakterielle Senföl.  | Bild: picture-alliance/dpa

Die Verbreitung gefährlicher resistenter Bakterien wird zu einem immer größerem Problem in Krankenhäusern. In Europa sterben 33.000 Menschen pro Jahr an Infektionen mit sogenannten multiresistenten Keimen, die gegenüber herkömmlichen Antibiotika unempfindlich geworden sind. Synthetisch hergestellte Wirkstoffe können diese Bakterien nicht mehr bekämpfen. Neue Entwicklungen antibiotischer Substanzen kommen gegen den Anstieg der Resistenzen aber nicht mehr an. Denn seit den 1980er-Jahren sind keine neuen Antibiotika-Wirkstoffe mehr entwickelt worden. Die Forschung ist langwierig und kostenintensiv. Ein Umdenken in der Behandlung mit Antibiotika ist deshalb notwendig. Der Einsatz von Heilpflanzen könnte hier entscheidend helfen.

Senföle können Antibiotika bei Blasenentzündung ersetzen

Harnwegsinfektionen können mit Senfölen erfolgreich behandelt werden, das bestätigen inzwischen zahlreiche Studien. Forschungsarbeiten an der Universität Majmaah in Saudi-Arabien belegen die antibakterielle Wirksamkeit von Heilpflanzen bei Blasenentzündungen. Die Wissenschaftler untersuchten 15 verschiedenen Pflanzenarten. Der Meerrettich zählte dabei zu den vier erfolgreichsten Arten, der die Erreger bekämpfen konnte.

Meerettich - das "Penicillin der Bauern"

Aus der Meerrettichwurzel lassen sich Gewürze, Tinkturen und Salben herstellen. Sie wirken entzündungshemmend und verdauungsfördend.

Meerrettich stammt ursprünglich aus Südrussland und der östlichen Ukraine. Die Heilpflanze kam um 1.000 n. Chr. nach Mitteleuropa. Seefahrer verwendeten sie bereits gegen Skorbut wegen ihrer langen Haltbarkeit und ihres hohen Vitamin-C-Gehalts. Seit Jahrhunderten wird Meerrettich genutzt, um den Kreislauf in Schwung zu bringen und den Stoffwechsel anzuregen. In der Naturheilkunde wird er gegen Gicht und Rheuma angewendet. Aufgrund seiner antibakteriellen Wirkung bezeichnet man ihn auch als „Penicillin der Bauern“. Als Gewürz für Fisch- und Fleischgerichte ist der Meerrettich in Bayern und Österreich als Kren bekannt und vom Speiseplan nicht wegzudenken. Doch seine antibakterielle Wirkung ist fast in Vergessenheit geraten.

Senföle sind ein unschlagbares Team gegen Bakterien

Die Senföl-Glykoside der Kapuzinerkresse wirken antibakteriell. Die Schärfe macht sie zu einem schleimlösenden und immunstärkenden Arzneimittel.

Senföle, wissenschaftlich Isothyocyanate genannt, entstehen, wenn in der Meerrettichwurzel Glycoside mit den getrennt gelagerten Enzymen in Berührung kommen. Schneidet man die Wurzel auf, dann entwickelt sich erst die eigentliche Schärfe. Gemeinsam mit den Senfölen aus der Kapuzinerkresse ist der Meerrettich ein unschlagbares Team gegen Bakterien, Viren und Entzündungen. Wissenschaftler aus Taiwan konnten in einer neuen Studie nachweisen, dass das in der Kapuzinerkresse enthaltene Benzylsenföl gegen multiresistente E.coli Bakterien wirkt. Ein Keim, der Blasenentzündungen auslöst und gegen den bereits viele Antibiotika Resistenzen gebildet haben. Für den Marburger Mikrobiologe Frank Günther ist das ein weiterer Beleg für den effektiven Einsatz der Senföle in der Behandlung von Infektionskrankheiten. Der vielfältige therapeutische Einsatz von Senfölen wurde in der Schulmedizin bisher unterschätzt.

"Der Einsatz der pflanzlichen Senföle kann daher einen Beitrag zur Entschärfung der Resistenzproblematik leisten."

Prof. Frank Günther, Uniklinikum Marburg

Senföle gegen multiresistente Keime

Der Marburger Forscher geht noch einen Schritt weiter - er möchte mit Senfölen nicht nur den Einsatz von Antibiotika reduzieren, sondern gezielt gefährliche Keime bekämpfen. Frank Günther ist Krankenhaushygieniker und untersucht mit seinem Team das Bakterium "Pseudomonas Aeroginosa“. Es trägt in Krankenhäuser entscheidend zu Infektionen der Atemwege, Blase und Niere bis hin zu Blutvergiftungen bei. Der Erreger bildet einen eigenen Biofilm, bestehend aus einem Schleim aus Zuckerproteinen, der wie ein Schutzpanzer agiert. Selbst Antibiotika-Wirkstoffe dringen nicht durch.

"Aus diesem Biofilm können auch Bakterien regelmäßig wieder freigesetzt werden. Das bedeutet zum Beispiel, wenn ein zentralvenöser Katheter besiedelt ist, dass jedes Mal wenn sie die Infusion dem Patienten applizieren, Bakterien in den Kreislauf eingespült werden und dort Reaktionen wie Fieber, Schüttelfrost oder andernorts auch schwere Infektionen auslösen."

Prof. Frank Günther, Uniklinikum Marburg

Scharfstoffe im Einsatz gegen multiresistente Keime

Die ersten Untersuchungen im Marburger Uniklinikum zeigen, dass Senföle den Biofilm angreifen und dessen Oberflächenhaftung schwächen. Dadurch können wieder Antibiotika eindringen und die Bakterien bekämpfen. Senföle allein sind an bestimmten Stellen ebenso erfolgreich, wenn sie in hoher Konzentration wirken. So erreichen sie beim Menschen vor allem die Harnwege. Deshalb empfehlen aktuelle ärztliche Leitlinie bei unkomplizierten Infekten zunächst eine Behandlung mit Senföl, bevor Antibiotika zum Einsatz kommen. "Wenn man den Einsatz von Antibiotika erstmal durch den Einsatz alternativer Präparate vermeidet, dann kann mitunter auch die dadurch entstehende Resistenzentwicklung minimiert werden“, betont Frank Günther. Mit Meerrettich und Kapuzinerkresse könnten zukünftig gefährliche Keime erfolgreich bekämpft werden.

  • Vielseitige Schärfe: am 21.11.2020 um 19:00 Uhr bei Gut zu wissen, BR Fernsehen

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