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Botenstoffe des Lebens Wie Hormone die Vorgänge im Körper steuern

Das sind die Hormone! Das müssen sich nicht nur pubertätswütige Jugendliche anhören. Auch angespannten Frauen oder Testosteron-gesteuerten Managern wird gern attestiert, dass bei ihnen das Hormonsystem aus der Balance geraten ist. Eines ist klar: Hormone bestimmen unser Leben, ob wir wollen oder nicht

Von: Claudia Steiner

Stand: 27.08.2020

Hormone: Signalgeber und Botschafter

Hormone sind Botenstoffe, die Vorgänge im menschlichen Körper steuern. Der Begriff stammt aus dem Griechischen und bedeutet so viel wie "Antreiber". Hormone sind Impulsgeber für den Körper. Das Hormonsystem wird auch als endokrines System bezeichnet. Endokrin bedeutet "nach innen absondern". Das geschieht permanent über verschiedene Hormondrüsen, den endokrinen Drüsen.

Durch das Hormonsystem schafft es unser Körper, Körperfunktionen im Gleichgewicht zu halten und mögliche Veränderungen auszugleichen. Wenn Hormondrüsen oder Steuerungszentren versagen, keine oder falsche Mengen von Signalstoffen ausgeschüttet werden, wirkt sich das auf den gesamten Körper und auf unser Wohlbefinden aus. Schon kleinste Veränderungen der Hormonkonzentration können große Auswirkungen haben – zum Beispiel auf unsere Stimmung, unseren Stoffwechsel oder auch auf unsere zwischenmenschlichen Beziehungen.

Das Hormonsystem ist ein Kommunikationssystem

Damit der menschliche Körper funktionstüchtig und überlebensfähig ist, müssen alle Organe zusammenarbeiten. Um die Aufgaben richtig zu steuern und zu verteilen, verfügt der Körper über verschiedene Steuerungssysteme: das Nervensystem, das Immunsystem und das Hormonsystem. Beim Nervensystem werden Informationen über Nervenzellen und elektrische Impulse transportiert. Das Immunsystem bekämpft Viren und Bakterien, die in den Körper eindringen. Das Hormonsystem arbeitet mit biochemischen Botenstoffen. Ihre Signale werden je nach chemischer Zusammensetzung unterschiedlich "übersetzt" und lösen damit auch jeweils eine andere Reaktion aus. Bereits eine sehr geringe Hormon-Menge ist dafür ausreichend.

Alles beginnt im Gehirn – Hypothalamus und Hypophyse

Grafik: Gehirn mit Amygdala, Thalamus und Hypothalamus

Produziert werden die Hormone beispielsweise im Gehirn im Hypothalamus und in der Hypophyse. Das heißt, Informationen wie Kälte- oder Wärmereize werden vom Hypothalamus empfangen und an die Hypophyse weitergeleitet. Sie produziert eigene Hormone, die dann wiederum andere endokrine Drüsen wie die Schilddrüse stimulieren. Eine Art stille Post, die über die Blutbahn Informationen aussendet, die dann auf zellulärer oder organischer Ebene Änderungen verursachen.

Hormone steuern nahezu alle Prozesse: Bespiel Geburt

Ein typisches Beispiel für eine hormonelle Steuerung ist der 28-tägige Zyklus der Frau, bei der die Konzentration von Hormonen im Blut - ähnlich einer Wellenbewegung - zu- und abnimmt. Beteiligt an der Steuerung sind Östrogene, die vor allem in den Eierstöcken produziert werden. Kommt es zu einer Schwangerschaft und wird ein Baby geboren, dann führt der erste Atemzug des Säuglings und der Kältereiz bei der Geburt dazu, dass die Schilddrüse des Neugeborenen zu einer massiven Hormonausschüttung angeregt wird. So übersteht es die ersten Lebenstage.

Ohne Oxytocin keine Bindung zwischen zwei Menschen

Ein anderes Hormon, Oxytocin, spielt bei der Geburt ebenfalls eine große Rolle, Oxytocin wirkt als Hormon und als Neurotransmitter, regt also auch Nervenzellen an. Das Hormon leitet unter anderem die Wehen ein und regt nach der Geburt zudem die Milchdrüsen an. Inzwischen weiß man aber auch, dass ohne Oxytocin keine Bindung zwischen Mutter und Kind möglich ist. Oxytocin ist ein Bindungshormon, ein Gefühlshormon, was nicht nur die Mutter-Kind-Bindung ermöglicht, sondern auch die zwischen Paaren.

Hormone für die Entwicklung in den ersten Lebensjahren

Eine angeborene Schilddrüsenunterfunktion bei einem Neugeborenen muss rasch mit dem Hormon Thyroxin behandelt werden, damit es nichtzu schweren Störungen in der körperlichen und geistigen Entwicklung des Kindes kommt.

Auch fehlende Zuwendung kann das Hormonsystem von Kindern verändern. Kinder, die innerhalb des ersten Lebensjahres keine feste Bindung erfahren, haben höhere Cortisolwerte und zeigen dadurch auch ein schlechteres Wachstum. Aber auch fehlende oder zu viele Wachstumshormone wirken sich etwa auf die Größe eines Kindes aus.

Die Pubertät ist die Zeit des größten Körper-Umbaus

Baustelle Körper: Jugendliche in der Pubertät

In der Pubertät wird der Körper von Hormonen überschwemmt. Etwa ab dem 8. Lebensjahr ist eine stärkere Aktivität der Nebennieren zu sehen. Ein bis zwei Jahre später schüttet der Körper unter anderem vermehrt Androstendion aus, ein Steroid und ein Sexualhormon. Die Testosteron- beziehungsweise Östrogenkonzentration im Blut nimmt zu. Jungen werden muskulöser, ihre Stimme wird tiefer, Penis und Hoden wachsen. Mädchen entwickeln Brüste und bekommen ihre erste Monatsblutung. Der Körper ist für Jahre eine Baustelle, auch die neuronalen Veränderungen im Gehirn sind enorm.

Wenn die (Geschlechts-)Hormone in der Lebensmitte schwinden

Auch spätere Veränderungen im Leben des Menschen sind hormonell bedingt. Bei Frauen in den Wechseljahren stellen die Eierstöcke zunehmend ihre Funktion ein. In der Folge nimmt auch die Produktion der körpereigenen Geschlechtshormone ab. Es kann zu einem Östrogenmangel kommen, oft verbunden mit einem Mangel an weiteren Hormonen wie Gestagen. Der Mangel an Hormonen kann zu Symptomen führen wie Hitzewallungen, Konzentrationsschwierigkeiten oder auch depressiven Verstimmungen.

Das wichtigste Geschlechtshormon des Mannes heißt Testosteron. Auch bei Frauen kommt es vor – allerdings in deutlich geringeren Mengen als beim Mann. Testosteron entsteht in den sogenannten Leydigschen Zellen des Hodens. Diese werden von Hirnanhangsdrüse und dem Hypothalamus reguliert. Außerdem produzieren die Nebennieren geringe Mengen Testosteron. Bestimmte Faktoren wie Stress, hohes Alter oder Drogen können den Testosteronwert sinken lassen.

Im Alter lässt die Muskelkraft nach

Im Alter können bestimmte Hormone nicht mehr in der Menge gebildet werden, wie es bei einem jungen Organismus der Fall ist. Dies könnte zum Beispiel das Auftreten von Muskelschwäche im hohen Alter mitbedingen. Ältere Menschen werden häufig gebrechlich am Knochen und der Muskulatur, weil das Verhältnis von Abbau und Aufbau nicht mehr stimmt. Es wird beispielsweise mehr Muskelmasse abgebaut als aufgebaut, und das ist teilweise wohl auch ein hormonell geregelter Prozess.

Melatonin bestimmt, wann wir müde werden

Das Hormon Melatonin bestimmt, wann wir müde werden.

Rund 70 Prozent aller Hormone werden von der Zentralsteuerung im Gehirn aus reguliert – also von Hypothalamus und Hypophyse. 30 Prozent werden von anderen Drüsen separat gesteuert. Die Zirbeldrüse, die im Gehirn liegt, stellt zum Beispiel eigenständig Melatonin her. Die Produktion des Hormons richtet sich nach der Helligkeit beziehungsweise Dunkelheit und steuert so unseren Schlafrhythmus. Sobald es dunkel wird, wird Melatonin freigesetzt und zwar zehn Mal mehr als bei Tag. Die Folge: Wir werden müde.

Insulin regelt unseren Zuckerstoffwechsel

Auch der Zuckerstoffwechsel ist unabhängig von der Steuerung im Gehirn. In der Bauchspeicheldrüse werden die Hormone Insulin, Glukagon und weitere Hormone gebildet. Insulin senkt den Blutzucker, Glukagon hebt den Blutzucker. Ein Mangel an Insulin führt zu erhöhten Blutzuckerwerten. Der Patient leidet dann unter der Zuckerkrankheit, Diabetes mellitus. Ihm muss unter Umständen Insulin zugeführt werden.

Adrenalin hilft uns bei Gefahr

Auch im Nebennierenmark werden eigene Hormone hergestellt. Nervenimpulse steuern die Produktion von Adrenalin und Noradrenalin. Wird Noradrenalin beispielsweise bei Stress, Erschöpfung oder Schock freigesetzt, beschleunigt sich sofort die Herzfrequenz. Kleinste Blutgefäße verengen sich. Es geht um die Entscheidung: Flucht oder Kampf. Das Adrenalin hilft, lebensgefährliche Situationen zu überstehen.

Endorphin verringert Schmerzen

Endorphine verhindern die Schmerzen beim Marathon.

Bei extremen körperlichen Anstrengungen schüttet der Körper zudem Endorphine aus, das sind körpereigene Opiate. Endorphine verringern zum Beispiel Schmerzen. Die Ausschüttung der Endorphine führt dazu, dass der Sportler zum Beispiel bei einem Marathon die Muskel-, Gelenk- und Sehnenschmerzen zunächst nicht spürt. Einen Tag später merkt der Sportler die Erschöpfung dann aber deutlich, nicht nur, weil zum Beispiel Bänder und Sehnen gereizt sind, sondern auch, weil die Wirkung der Endorphine dann nachgelassen hat.

Adrenalin, Endorphin, Melatonin, Oxytocin, Insulin, Glukagon – ohne diese und viele andere Hormone gäbe es kein Leben: Hormone steuern viele Prozesse wie die Zeugung, die Geburt, das Wachstum, die Entwicklung, das Altern und auch den Tod.


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