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Corona-Spätfolgen Wer bekommt Long Covid und Post Covid?

Betroffen sind vor allem Menschen im Alter zwischen 20 und 50 Jahren, manchmal auch Kinder. Sie leiden noch Wochen oder Monate nach einer akuten Corona-Infektion an den Folgen. Es trifft etwa jede oder jeden Zehnten.

Stand: 25.08.2023 15:30 Uhr |Bildnachweis

Schnupfen | Bild: colourbox.com

Long Covid bekommen nicht unbedingt diejenigen, die es bei der Corona-Infektion heftig erwischt hatte. Es sind auch nicht die Alten und Kranken, die am häufigsten an Corona-Folgen leiden. Oft sind es die Leistungsfähigen, die mitten im Leben stehen und bisher selten krank waren. Das Virus scheint Roulette zu spielen. Denn es kann jeden treffen, auch nach einem milden Verlauf.

"Im Jahr 2020 hatte ich Corona. Seitdem bin ich total licht- und geräuschempfindlich. Ich habe oft überall im Körper, im Kopf und in den Muskeln starke Schmerzen. Ich kann mich kaum noch bewegen, bin zeitweise bettlägrig und im Prinzip pflegebedürftig."

Mia Diekow, Jahrgang 1986, Musikerin und Synchronsprecherin aus Hamburg

Corona-Langzeitfolgen: Wie wirkt Covid-19 im Körper?

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Wer bekommt Long Covid?

Es gibt drei Gruppen von Covid-19-Genesenen:

  • Die erste Gruppe von Patienten erholt sich ohne langfristige gesundheitliche Folgen.
  • Die zweite Gruppe sind Patienten, die einen schweren Krankheitsverlauf hatten und intensivmedizinisch behandelt werden mussten.
  • Die dritte Gruppe von Patienten scheint nach einem leichten bis mittelschweren Verlauf von Covid-19 genesen zu sein, bekommt aber entweder nach einer Latenzzeit von ein bis vier Monaten plötzlich wieder Krankheitssymptome oder wird einfach gar nicht mehr richtig gesund. Nur die letzten beiden Gruppen können Long Covid bekommen.

Die genaue Zahl der von Long Covid oder Post Covid betroffenen Personen ist nicht bekannt und schwankt je nach Schwere der Erkrankung und Studienlage. Es ist auch von einer hohen Dunkelziffer auszugehen. Das Robert Koch-Institut geht davon aus, dass etwa jede und jeder Zehnte von Spätfolgen betroffen ist.

Covid-19-Spätfolgen nach Aufenthalt auf Intensivstation

Wer mit einem schweren Verlauf von Covid-19 auf der Intensivstation war, kann langfristig unter den Folgen leiden. Das zeigt sich auch bei schweren Verläufen anderer Krankheiten. Wer etwa im Koma war und künstlich beatmet werden musste, leidet häufig an einer Lungenfibrose. Auch Herz oder Niere können durch Covid-19 dauerhafte Schäden davontragen. Das Bundesgesundheitsministerium vermutet, dass "bei dem relativ hohen Anteil von intensivpflichtigen und beatmungsbedürftigen Patienten auch mit Spätfolgen im Sinne von langen Rehabilitationszeiten und möglicherweise bleibenden Beeinträchtigungen zu rechnen ist".

Long Covid bei Kindern

Auch bei Kindern, die meist nur leicht erkranken, können Langzeitfolgen auftreten. Das Haunersche Kinderspital der Ludwig-Maximilians-Universität und das Chronische Fatigue Centrum für junge Menschen der Technischen Universität München bieten bayernweit die erste Spezialambulanz für Kinder und Jugendliche an, die an Long Covid leiden.

Forschende aus Dresden haben Daten deutscher Krankenkassen durchgesehen und eine Stichprobe von fast der Hälfte der Bevölkerung in einer Studie vom November 2022 ausgewertet. Demnach ist die Wahrscheinlichkeit bei Kindern für Spätfolgen 30 Prozent höher als in der Kontrollgruppe mit Gesunden. Bei den Erwachsenen ist es um 41 Prozent wahrscheinlicher, dass sie unter den Folgen von Covid-19 leiden.

Eine Studie aus Jena vom Juni 2022 stellt fest, dass sich "die Wahrscheinlichkeit für das Auftreten von Long Covid mit dem Alter erhöht. Die meisten Patienten befinden sich im Teenageralter. Bei Kleinkindern und Säuglingen ist die Diagnose eine Rarität." Mentale Symptome seien bei Kindern genauso häufig wie körperliche. An erster Stelle stehen bei Kindern Fatigue und Belastungsintoleranz, gefolgt von Schlafstörungen, Kompschmerzen und Konzentrationsproblemen.

Datenlage zu Long Covid und Post Covid

Die umfangreiche Studienlage

Die internationale Forschungsgemeinschaft veröffentlicht beinahe täglich Studien zu Long und Post Covid, auf die nicht alle hingewiesen werden kann. Wir haben Studien thematisch passend in den Artikeln verlinkt. Im Folgenden eine Auswahl größerer Studien:

Im August 2023 veröffentlichte die Berliner Charité eine Langzeitstudie zu Post-Covid-Patienten mit Symptomen chronischer Erschöpfung. Während sich der Gesundheitszustand einger Patienten über die Zeit verbesserte, litt ein anderer Teil auch zu Ende des 20-monatigen Beobachtungszeitraums noch an unverändert starken Symptomen. Dabei handelte es sich vor allem um diejenigen Probanden, die schon zu Beginn der Studie die offiziellen Diagnosekriterien für die chronische Erschöpfungskrankheit ME/CFS erfüllten. Als wichtigen Biomarker für den Verlauf identifizierten die Forscher die Kraft in den Händen: Bei den Patienten mit anhaltend schlechtem Zustand war sie schon zu Beginn der Erkrankung besonders gering.

Am 3. November 2022 veröffentlichte das Robert Koch-Institut ein Epidemiologisches Bulletin mit aktuellen Daten zu Long Covid, die aus internationalen systematischen Übersichtsarbeiten stammen. Demnach gibt es große Unterschiede, ob jemand während der akuten Coronainfektion intensivmedizinisch betreut wurde oder nicht: „So wurde die Prävalenz für Long Covid Symptome drei Monate nach einer SarsCoV-2-Infektion mit intensivmedizinischer Behandlung auf 43,1 Prozent geschätzt, bei Hospitalisierten ohne intensivmedizinische Behandlung auf 27,5 Prozent und bei Nicht-Hospitalisierten auf 5,7 Prozent."

Am 10. Oktober 2022 wurde eine Metastudie veröffentlicht, in der die Fälle von 1,2 Millionen Personen aus 22 Ländern und 54 Studien analysiert wurden. Untersuchungsgegenstand war, bei welchem Anteil der Personen, die in den Jahren 2020 und 2021 eine Coronainfektion hatten, es drei Monate später zu Post Covid Symptomen kam.

Die Ergebnisse:
6,2 Prozent gaben insgesamt an, noch an Spätfolgen zu leiden.
3,7 Prozent davon nannten anhaltende Atemprobleme.
3,2 Prozent klagten über anhaltende Müdigkeit mit körperlichen Schmerzen oder Stimmungschwankungen.
2,2 Prozent litten an kognitiven Problemen.

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