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Corona-Spätfolgen Post-Covid - Wenn die Funktion von Nerven und Gehirn gestört ist

Das Coronavirus SARS-CoV-2 kann für Störungen im Gehirn sorgen. Die Auslöser sind vielfältig: zum Beispiel können Entzündungen, Probleme in Gehirnzellen und Blutgefäßen oder Reaktionen des Immunsystems zu Ausfallerscheinungen führen.

Von: Veronika Bräse/Yvonne Maier

Stand: 08.12.2022

Corona-Langzeitfolgen: Wie wirkt Covid-19 im Körper?

Neurologische und kognitive Probleme treten meist bei zwei Gruppen von Covid-19-Genesenen auf: Zum einen bei Patienten, die einen schweren Krankheitsverlauf hatten und intensivmedizinisch behandelt werden mussten. Gehirnproben verstorbener Covid-19 Patienten gaben in einer Studie, die am 5. Dezember 2022 im Fachblatt Nature aging veröffentlich wurde, Hinweise darauf, dass Coronaviren eine Art Gehirnalterung hervorrufen.

Zum anderen zeigen sich bei einer anderen Gruppe kognitive Probleme: bei Personen, die nach einem leichten bis mittelschweren Verlauf erst scheinbar von Covid-19 genesen sind und nach einer Latenzzeit von ein bis vier Monaten plötzlich eine sogenannte Rebound-Symptomatik bekommen, sagt die Lungenfachärztin Jördis Frommhold im Podcast der Ärztezeitung vom 19. April 2021. Sie ist Chefärztin in der Median Klinik Heiligendamm, gründete im Oktober 2022 die Long Covid Ambulanz in Rostock und ist auf die Rehabilitation von Post-Covid-Erkrankten spezialisiert.

"Long Covid tritt generell meist im Alter zwischen 20 bis 50 Jahren auf. Die Symptome können vielfältig sein. Betroffene klagen oft über kognitive Einschränkungen, Wortfindungsstörungen, Konzentrationsprobleme, zum Teil sogar über demenzähnliche Symptome."

Jördis Frommhold, Gründerin des Instituts Long Covid in Rostock.

Neurologische oder kognitive Störungen - welche Patienten besonders betroffen sind

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Gut zu wissen: Wie ist der typische Verlauf von Covid-19?

Bei Patienten mit Rebound-Effekt zeigt sich ein massiver Leistungseinbruch, eine bleierne Erschöpfung, die zum Chronischen Fatigue Syndrom führen kann, Schwindel, Gangunsicherheiten oder demenzähnliche Symptome. Auch von neurologischen oder kognitiven Einschränkungen wie Gedächtnis-, Konzentrations- oder Empfindungsstörungen wird berichtet. Erkenntnisse einer US-Studie vom 10. Januar 2022 legen hier nahe, dass "Brain Fog", Gehirnnebel, bei Corona-Patientinnen und Patienten auffallende Ähnlichkeiten aufweist mit dem Zustand, der als "Chemobrain" bekannt ist - also die geistige Trübung, die manche Menschen während und nach einer Krebsbehandlung erleben.

Manchmal kommen bei dieser Gruppe von Covid-19-Genesenen noch Haarausfall oder Muskel- sowie Gelenkschmerzen hinzu. Dabei besteht die Gefahr, dass die Symptome chronisch werden und die Leistung eingeschränkt bleibt, was Auswirkungen auf das Berufs- und Alltagsleben haben kann.

"Wenn die Belastungen länger anhalten, kann das dazu führen, dass Patienten über Wochen und Monate nicht arbeitsfähig sind oder zumindest nicht voll arbeiten können. In einzelnen Fällen kommt es auch zur Berufsunfähigkeit aufgrund von Long Covid."

Sandra Nischwitz, neurologische Long Covid Ambulanz am Münchner Max-Planck-Institut für Psychiatrie.

Frauen sind stärker von kognitiven Problemen betroffen als Männer

Laut Jördis Frommhold sind mehr Frauen als Männer von kognitiven Problemen nach einer Coronainfektion betroffen. Die Ärztin hält eine Beteiligung des Immunsystems - also Störungen durch autoimmunologische Prozesse im Körper - für wahrscheinlich. Die insgesamt häufigsten Symptome von Post-Covid waren bei der bisher größten internationalen Studie: "Fatigue", Krankheitsgefühl nach körperlicher oder geistiger Tätigkeit und "Brain Fog".

Darüber hinaus sind vor allem ältere Menschen von den Symptomen betroffen. Eine Studie der School of Medicine at Mount Sinai in New York zeigt, dass auch jüngere Menschen derartige Probleme entwickeln können. Die Querschnittsstudie, die am 22. Oktober 2021 in JAMA veröffentlicht wurde, bezieht Daten zu 740 Patientinnen und Patienten mit einem Durchschnittsalter von 49 Jahren mit ein, die stationär oder ambulant wegen Covid-19 behandelt wurden. Unter anderem hatten 23 Prozent Gedächtnisschwierigkeiten, 18 Prozent der Betroffenen gaben Probleme mit der Verarbeitungsgeschwindigkeit des Gehirns und 15 Prozent mit der Sprechflüssigkeit an.

Long-Covid - neurologische Probleme häufiger als bei Grippe

Es ist bekannt, dass neurologische Störungen nach Virusinfektionen auftreten können, zum Beispiel nach einer Grippe. Bei Covid-19-Infektionen zeigten sich diese allerdings häufiger sowie im selben Zeitraum und scheinen demnach direkt mit einer Infektion mit dem Sars-CoV-2-Erreger zusammenzuhängen.

So konnten Forscherinnen und Forscher der Universität Oxford in einer Lancet-Veröffentlichung im April 2021 zeigen, dass ein Drittel der Covid-19-Langzeitpatienten ihrer Studie weiter an neurologischen Beeinträchtigungen leidet. Darunter sind Angst- und Gemütsstörungen am häufigsten (17 bzw. 14 Prozent), aber auch Schlaganfälle und Demenz wurden beobachtet, vor allem bei Menschen, die einen schweren Verlauf hatten. Insgesamt wurden die Daten von über 230.000 Menschen ausgewertet.

Verlust von Geschmacks-und Geruchssinn bei Post Covid

Neben Husten und Fieber zählte beim Wildtyp - also dem ersten aufgetretenen neuen Coronavirus zu Beginn der Pandemie - außerdem der Verlust des Geschmacks- und Geruchssinns zu den ersten Anzeichen einer Ansteckung mit SARS-CoV-2. Bei den meisten Patienten gehen die neurologischen Symptome wieder vorbei. Doch es gibt auch Covid-19-Erkrankte die noch nach Monaten darüber klagen, wenig zu schmecken oder auch zu riechen.

Marc Brunner war im März 2020 an Sars-CoV-2 erkrankt und leidet seither an Post-Covid-Symptomen. | Bild: Marc Brunner

Er gilt als genesen, doch Marc Brunner aus Odelzhausen leidet an Post-Covid, den Spätfolgen einer Covid-19-Erkrankung.

"Ich war Mitte März 2020 akut an Covid-19 erkrankt. Ein Dreivierteljahr später war mein Geschmacks- und Geruchssinn mal da und dann wieder weg. Bestimmte Gerüche, die ich anfangs gar nicht wahrgenommen habe, merke ich jetzt in Nuancen. Was ich lange nicht riechen konnte, war Rauch. Nervig war dieser seltsame, metallische Geschmack auf der Zunge, der lange Zeit nicht verging."

Marc Brunner

Post Covid - Lähmungen durch Coronaviren?

Bei Covid-19-Patientinnen und Patienten beobachten Mediziner entzündliche Erkrankungen der Nerven. Es kann zu vorübergehenden Lähmungen kommen.

"Selten gibt es Krampfanfälle oder auch Lähmungen transienter Art, also nur ganz kurzfristige Lähmungen, die nicht für immer bleiben, sondern wieder weggehen."

Markus Glatzel, ärztlicher Leiter des Instituts für Neuropathologie am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE)

Post-Covid - Gedächtnislücken und Konzentrationsstörungen

Covid-19-Erkrankte berichten, dass sie auch nach der akuten Erkrankung noch das Gefühl haben, ihr Gehirn sei in Watte gepackt. Die Denkfähigkeit kann in der Folge dieser Viruserkrankung über eine gewisse Zeit eingeschränkt sein. Auch Gedächtnislücken können bei Betroffenen auftreten. Diese Störungen, die oft unter dem unscharfen Begriff "Brain Fog" subsummiert werden, können auch nach einer Phase der Erholung - nach ein bis vier Monaten - auftreten und sogar chronisch werden.

"Ich war - ohne arrogant wirken zu wollen - immer ein Einser-Schüler, was Grammatik und Rechtschreibung angeht. Aber durch Corona wurde das anders. Wenn ich E-Mails geschrieben habe, musste ich im Anschluss immer ein- bis zweimal darüber lesen, weil ich so viele Fehler machte. Das ist mir vor meiner Covid-19-Erkrankung nicht passiert."

Marc Brunner, ehemaliger Covid-19-Patient

Entzündungen im Gehirn bei Covid-19

Eine Infektion mit dem SARS-CoV-2-Virus kann im Gehirn zu einer Entzündung führen. Pathologen konnten im Hirnstamm Entzündungsherde erkennen, die neurologische Probleme erklären.

"Wir haben milde Entzündungen gesehen. Wichtig ist auch, was wir nicht gesehen haben: nämlich eine massive Entzündung des Gehirns und der Gefäße, eine nekrotisierende Entzündung. Das heißt eine Entzündung, wo Hirngewebe auch abstirbt - das haben wir erfreulicherweise alles nicht festgestellt."

Markus Glatzel, ärztlicher Leiter des Instituts für Neuropathologie am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE)

Schlaganfall nach Covid-19-Infektion?

Schlaganfälle erleiden Menschen dann, wenn sich Blutgerinnsel bilden. Diese können im Gehirn oder auch in anderen Organen entstehen. Untersucht wird derzeit auch, ob SARS-CoV-2 die Form der roten Blutkörperchen verändert und dadurch oft zu Blutgerinnseln und Thrombosen führt.

Manche Covid-19-Patienten erleiden einen Schlaganfall, ein Post-Covid-Syndrom.

"Die Blutgerinnsel, die Schlaganfälle bei Covid-19-Patienten verursachen, entstehen nicht im Gehirn, sondern vielleicht in den Beinen oder in der Lunge und werden dann fortgetragen ins Gehirn, wo sie die Gefäße verstopfen und einen Schlaganfall auslösen."

Markus Glatzel, ärztlicher Leiter des Instituts für Neuropathologie am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE)

Parkinson als mögliche Spätfolge von Covid-19?

Drei Fallbeispiele, die am 1. Dezember 2020 im Cell-Press Journal "Trends in Neuroscience" veröffentlicht wurden, legen nahe, dass neuartige Coronaviren eine Parkinson-Erkrankung auslösen oder zumindest fördern könnten. Die drei Patienten entwickelten zwei bis fünf Wochen nach Entlassung aus dem Krankenhaus neurologische Symptome und motorische Störungen, die für Parkinson typisch sind. Ein Review vom Dezember 2021 zu diesem Zusammenhang macht jedoch klar: Die bisher vorliegenden Daten reichen nicht aus, um zu bestätigen, dass Covid-19 neurodegenerative Krankheiten wie Parkinson auslösen oder beschleunigen kann. Eine Forschergruppe aus Lübeck und Hamburg geht seit 2022 der Frage nach, ob Covid-19 neurologische Bewegungsstörungen wie bei der Parkinson-Krankheit begünstigen.

Post-Covid - Wie das Coronavirus ins Gehirn kommt

Eine Möglichkeit, wie das Virus ins Gehirn gelangt, ist über die Nervenzellen der Riechschleimhaut, also direkt von der Nase zum Gehirn. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie, die am 30. November 2020 im Fachblatt Nature Neuroscience veröffentlicht wurde. Dem Forschungsteam der Charité ist es gelungen, im Elektronenmikroskop intakte Coronavirusteilchen in der Riechschleimhaut sichtbar zu machen.

"Auf Basis dieser Daten gehen wir davon aus, dass SARS-CoV-2 die Riechschleimhaut als Eintrittspforte ins Gehirn benutzen kann. Von der Riechschleimhaut aus nutzt das Virus offenbar neuroanatomische Verbindungen wie beispielsweise den Riechnerv, um das Gehirn zu erreichen."

Frank Heppner, Direktor des Instituts für Neuropathologie an der Berliner Charité

Covid-19 kann Blut-Hirn-Schranke zerstören - aber neue Medikamente sind in Sicht

Die meisten Experten nehmen zwar an, dass der SARS-CoV-2-Erreger nicht direkt auf die Nervenzellen im Gehirn einwirkt. Eine Forschungsgruppe um den Lübecker Pharmakologen Markus Schwaninger zeigte jedoch in einer Studie: Das Virus kann die innerste Zellschicht der Blutgefäße im Gehirn, die sogenannten Endothelzellen, angreifen und schädigen. Auch die Blut-Hirn-Schranke kann dabei von dem Virus angegriffen und zerstört werden.

So beunruhigend das auch klingen mag, das Team fand einen Weg, um den Zelltod in den Blutgefäßen zu stoppen. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler konnten anhand eines Tierversuchs zeigen, dass der durch das Virus in Gang gesetzte Zelltod-Mechanismus durch das Blockieren eines spezifischen Proteins in der Zellschicht deaktiviert werden kann. Und das mache Hoffnung auf die Entwicklung von Substanzen, die neurologische Long-Covid-Symptome lindern könnten, sagt Markus Schwaninger.

SARS-CoV-2 und Coronaviren

Mehr Wissen: Weiterführende Links und Sendungen zu Post-Covid und Nervenproblemen


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