Forschung Wann und wie brechen Vulkane aus?
Vulkanausbrüche können verheerende Schäden anrichten. Ob ein Vulkan bald ausbrechen wird, ist heute relativ zuverlässig vorhersagbar. Was Forscher bislang aber nicht sagen können, ist, WIE ein Vulkan ausbricht. Doch auch da ist man nun einen Schritt weiter.
Wird bei einem Vulkanausbruch ein Strom zähfließender Lava den Berg hinabfließen und alles unter sich begraben? Oder kommt es zu einer Explosion, bei der eine kilometerhohe Aschewolke in die Atmosphäre geblasen wird? Auf welche Art und Weise ein Vulkan ausbricht, konnte bisher nicht prognostiziert werden.
Explosiver Ausbruch: Der Mount St. Helens
Im Mai 1980 ist der Mount St. Helens im US-Bundestaat Washington explosionsartig ausgebrochen. Der Ausbruch gilt als einer der stärksten Vulkanausbrüche des 20. Jahrhunderts. Außerdem zählt diese Eruption zu den am besten erforschten Ausbrüchen.
Das "WIE": Die Frage nach der Art des Ausbruchs eines Vulkans
Zwar gibt es Erfahrungswerte, wie bestimmte Vulkane in der Regel ausbrechen - allerdings richten sich nicht alle Vulkane nach Schema F. Es gibt auch welche, die mal so, mal so ausbrechen. Vorhersagen lässt sich das bisher nicht zuverlässig. Eine Studie der ETH Zürich ist bei der Prognose nun einen Schritt weiter.
Forschung: Was geht im Vulkan-Schlot vor sich?
Um herauszufinden, auf welche Art Vulkane ausbrechen, haben Forscher versucht zu verstehen, was in einem Vulkanschlot vor sich geht. Bedeutend für die Entstehung eines Vulkanausbruchs sind die gelösten Gase im Magma. Sind es viele, bilden sich beim Aufsteigen des Magmas im Vulkanschlot Gasbläschen. Wenn diese nicht entweichen können, kommt es zu einem explosiven Ausbruch - ähnlich wie beim Öffnen einer geschüttelten Champagnerflasche. Sind nur wenige gelöste Gase im Magma, tritt es im ruhigen Fluss aus dem Schlot. Mehr über die verschiedenen Arten von Feuerspuckern in unserem Dossier.
Grafik: Wie sieht es im Inneren eines Vulkans aus?
Zitat: So kommt es zu einem Vulkanausbruch
"Bevor ein Vulkan ausbricht, steigt heißes Magma aus großer Tiefe nach oben und dringt in die Magmakammer ein, die sich sechs bis acht Kilometer unter dem Vulkan befindet, und erhöht so den Druck in dieser Zone. Sobald der Druck in der Magmakammer groß genug ist, um den Druck der überlagernden Gesteine aufzubrechen, kommt es zum Ausbruch." Răzvan-Gabriel Popa von der ETH Zürich.So bedrohen Vulkane die Menschheit
Studie: Auswertung von 245 Vulkanausbrüchen
Olivier Bachmann, Professor für magmatische Petrologie an der ETH Zürich, und sein Postdoktorand Răzvan-Gabriel Popa haben in einer Studie den Ansatz, in welcher Form ein Vulkan ausbricht, weiterentwickelt. Sie haben dazu die Daten von 245 Vulkanausbrüchen ausgewertet und die Ergebnisse ihrer Studie im September 2021 in der Fachzeitschrift Nature Geoscience veröffentlicht. Dabei haben sie nachvollzogen, wie groß die Hitze vor dem Ausbruch in der Magmakammer war, wie viele feste Kristalle im Magma waren und wie hoch der gelöste Wassergehalt war.
Entdeckung: Risikobereich eines explosionsartigen Ausbruchs definierbar
Die Untersuchungen der Wissenschaftler bestätigten zu weiten Teilen die gängige Lehrmeinung: Je mehr Kristalle im Magma sind, desto besser kann das Gas durch die von den Kristallen gebildeten Gänge entweichen, desto wahrscheinlicher ist ein ruhiger Abfluss des Magmas. Enthält das Magma jedoch wenige Kristalle und ist der Wassergehalt höher als 3,5 Prozent, besteht die Gefahr eines explosionsartigen Ausbruchs.
Überraschend war für die Forscher allerdings eine neue Erkenntnis: Enthält das Magma mehr als 5,5 Prozent Wasser, sinkt das Risiko eines explosiven Ausbruchs deutlich - trotz des Champagnerbläschen-Effekts. Damit ergibt sich ein klar definierter Risikobereich für einen explosiven Ausbruch.
Erklärung: Gase wirken als Puffer
Die Forscher machen zwei Effekte dafür verantwortlich, dass Magma mit mehr als 5,5 Prozent Wasser das Explosionsrisiko senkt. Der erste Effekt ist, dass sich Gasblasen bei einem hohen Wassergehalt bereits in der Magmakammer und nicht erst im Vulkanschlot bilden. Schon tief in der Erde würden sich die Gasblasen zu Ketten verbinden, aus denen das Gas leichter entweichen und in der Atmosphäre verpuffen kann. Außerdem würden die Gasblasen in der Magmakammer den Ausbruch des Vulkans verzögern und damit das Risiko einer Explosion verringern.
Der zweite Effekt ist, dass wenn das Magma in der Magmakammer Gasblasen enthält, diese als eine Art Puffer fungieren. Sie werden zusammengedrückt, wenn von unten Material aufsteigt. Infolgedessen verlangsamt sich der Druckaufbau in der Magmakammer. So bleibt mehr Zeit für das Magma, Wärme von unten aufzunehmen. Das bewirkt, das die Lava beim Ausbruch heißer und damit dünnflüssiger ist. Die Folge: Das Gas im Vulkanschlot kann leichter aus dem Magma entweichen, ohne explosive Effekte.
Das "WANN": Die Frage nach dem Zeitpunkt des Ausbruchs
Auch wenn die Forscher der Frage, in welcher Art und Weise Vulkane ausbrechen, einen Schritt nähergekommen sind: Vulkane sind und bleiben unberechenbar. Der Mensch ist gegen Ausbrüche machtlos und kann nur versuchen, größtmöglichen Schaden zu verhindern. Dazu kann er die Feuerspucker lediglich beobachten und so schnell wie möglich auf Warnsignale reagieren. Sich bei der Vorhersage eines Vulkanausbruchs nur auf das bisherige Verhalten eines Vulkans zu verlassen, reicht allerdings nicht aus. Mehr Zuverlässigkeit liefert eine Überwachung, die sich verschiedener Systeme bedient. Mit welchen Methoden man arbeitet, erfahren Sie hier.
Beispiel: Ausbruch des Cumbre Vieja auf La Palma
Im September 2021 ist der Vulkan Cumbre Vieja auf der Kanareninsel La Palma ausgebrochen. Eine Prognose des Zeitpunkts war bis auf wenige Tage genau möglich, sodass rechtzeitig Schutz-Maßnahmen für die Bevölkerung ergriffen werden konnten. Vulkanologen von der LMU München waren vor Ort und haben mit Studierenden den Cumbre Vieja untersucht.
Unterwasservulkan: Ausbruch des Hunga-Tonga-Hunga-Ha'apai
Doppelte Gefahr: Vulkanausbruch und Tsunami
Trotz aller Vorhersage-Maßnahmen: Vulkanausbrüche sind schwer vorauszusehen. Immer wieder kommt es zu Eruptionen, die Geologinnen und Geologen überraschen. Wie der heftige Ausbruch des Vulkans Hunga-Tonga-Hunga-Ha'apai in der Nähe des Inselreichs Tonga in der Südsee am 14. Januar 2022. Der Untersee-Vulkan ist 1.800 Meter hoch und 20 Kilometer breit und schleuderte Asche, Dampf und Gas kilometerweit in die Luft. Der Vulkan ist seit Dezember immer wieder aktiv. Jedoch war die jüngste Eruption laut der Geologiebehörde von Tonga (TGS) sieben Mal stärker als der letzte Ausbruch. Die Eruption löste Tsunami-Wellen aus, die selbst in Japan, Alaska und Südamerika noch an die Küsten schwappten. Was macht den Ausbruch eines Unterwasservulkans so gefährlich?
Auf Satellitenbildern waren spektakuläre Aufnahmen der Eruption zu sehen, die Experten zufolge wahrscheinlich die stärkste weltweit seit dem Ausbruch des Pinatubo auf den Philippinen im Jahr 1991 war. Die Druckwelle des Vulkanausbruches wurde sogar von Messgeräten des Deutschen Wetterdienstes (DWD) über Deutschland erfasst.