Vulkanausbrüche vorhersagen Feuerspucker unter Beobachtung
Vulkane sind unberechenbar. Gegen Vulkanausbrüche sind wir machtlos. Wir können die Feuerspucker lediglich beobachten und so schnell wie möglich auf Warnsignale reagieren.
Um etwas über die Zukunft eines Vulkans zu erfahren, muss man seine Geschichte kennen. Sie lässt sich aus seinen Ablagerungen rekonstruieren: Woraus bestehen sie, wie alt sind sie und wie sind sie damals aus dem Vulkan gelangt? Ähnlich kann der Vulkan wieder spucken - muss er aber nicht. Manche Feuerspucker rumoren unregelmäßig, andere gelten als erloschen und spucken dann plötzlich umso heftiger los. Sich bei der Vohersage eines Vulkanausbruchs nur auf das bisherige Verhalten eines Vulkans zu verlassen, reicht deshalb nicht aus. Mehr Zuverlässigkeit liefert eine Überwachung, die sich verschiedener Systeme bedient.
Vulkanausbruch - Frühes Warnzeichen entdeckt
Doch auch moderne Technik hilft wenig gegen die Unberechenbarkeit von Vulkanen. Es gibt zwar Warnzeichen, die einen Vulkanausbruch ankündigen. Sie zeigen sich aber meist so kurzfristig, dass wenig Zeit zum Handeln bleibt.
Drei Wissenschaftler schlagen deshalb eine neue Methode zur Beobachtung von Vulkanen vor: Társilo Girona von der University of Alaska sowie Vincent Realmuto und Paul Lundgren vom NASA Jet Propulsion Laboratory in Pasadena, Kalifornien, sagen, dass sich die Strahlungstemperatur von Vulkanen großflächig und charakteristisch erhöht, wenn sich eine Eruption anbahnt. Diese "thermische Unruhe", wie die Wissenschaftler ihre Entdeckung nennen, zeige sich einige Jahre vor einem Vulkanausbruch, lange vor anderen typischen Warnzeichen und unabhängig von der Art der Eruption.
Satelliten-Daten zeigen Vulkanausbrüche frühzeitig
Die Entdeckung der „thermischen Unruhe" ist das Ergebnis einer Analyse von Daten über thermische Infrarotstrahlung, die 16,5 Jahre von Land- und Wasser-Beobachtungssatelliten der NASA gesammelt wurden. Bislang wurde das Satelliten-Material noch nie daraufhin untersucht, ob man damit langfristig und frühzeitig vulkanische Aktivität vorhersagen kann. Die Forscher hatten sich fünf Vulkane angesehen, die in den vergangenen 20 Jahren ausgebrochen oder explodiert waren und die Vulkan-Typen weltweit repräsentieren: Mount Redoubt in Alaska, Mount Ontake in Japan, Mount Ruapehu in Neuseeland, Calbuco in Chile und Pico do Fogo in Cabo Verde, eine Inselnation vor der Westküste Afrikas. Besonders interessant ist das für die Vorhersage von vulkanischen Gas-Explosionen, die bislang mit geophysikalischen und -chemischen Methoden schwer vorherzusagen sind - und für die Luftfahrtindustrie, die durch Vulkanausbrüche schon schwer beeinträchtigt wurde.
Beispiel: Mount Redoubt vor und nach dem Ausbruch
Bei der Datenanalyse zum Mount Redoubt in Alaska zeigte sich, dass sich die thermische Strahlung des Vulkans von Mitte 2006 bis zu seinem Ausbruch im März 2009 um 0,47 Grad Celsius (plus / minus 0,17 Grad Celsius) erhöhte. Die Veränderung der Strahlungstemperatur begann ein Jahr, bevor sich andere Warnzeichen zeigten. Ein Jahr nach der Eruption sank diese wieder und ist seit 2014 nicht mehr angestiegen.
Wie sich ein Vulkanausbruch kurzfristig ankündigt
Vulkane kündigen einen Ausbruch kurzfristig durch mehrere Phänomene an. Diese lassen sich messen:
Vorläufer eines Ausbruchs
Erdbeben
Alle in der Neuzeit dokumentierten Ausbrüche wurden von Erdbeben begleitet. Sie treten in Schwärmen auf und werden von aufsteigendem Magma verursacht, das gegen das Gestein drückt und es zerbricht. Die Messgeräte halten die Frequenz, die Stärke, das Zentrum und den Bebentyp fest. Vor einem Ausbruch treten die Erschütterungen immer stärker und häufiger auf - bis zu einige hundert Mal pro Tag. Beobachten lässt sich auch eine Art Strömungsrauschen in der Aufstiegsröhre. Es zeigt sich in leichten Schwingungen, mit deren Hilfe sich bestimmen lässt, wie schnell das Magma zum Gipfel unterwegs ist.
Die Seismologie ist die wichtigste Methode, um einen nahenden Ausbruch zu erkennen: Rund 200 der 550 aktiven Vulkane werden mit ihrer Hilfe überwacht.
Geländeveränderungen
Wenn Magma aufsteigt, kann sich ein Vulkan heben und ausbeulen. Das lässt sich mit an den Hängen befestigten Neigungsmessern millimetergenau feststellen. Auch Schweremessungen geben Aufschluss darüber, ob sich ein Vulkan aufbläht: Dann sinkt die Erdanziehung, weil die Schwerkraft mit zunehmendem Abstand vom Erdmittelpunkt abnimmt.
Ob sich ein Vulkan hebt, kann auch mit einem Lasermessgerät bestimmt werden: Das Gerät selbst wird am Fuß des Vulkans installiert, der Reflektor auf dem Gipfel. Kritisch wird es, wenn sich die Distanz zwischen den Messinstrumenten verlängert. Bodenverformungen lassen sich auch mithilfe von Satelliten und GPS bis auf wenige Zentimeter genau erkennen.
Aufheizung
Wenn Magma aufsteigt, bringt es außerdem Hitze aus der Tiefe mit, der Vulkan wird wärmer.
Die erhöhte Temperatur kann am Boden oder mit Infrarotaufnahmen von Sateliten gemessen werden.
Oft zeigt sie sich indirekt, wenn sich Wasserquellen am Fuß eines Vulkans aufheizen oder der Schnee am Vulkangipfel schmilzt.
Entgasung
Im Magma sind Gase eingeschlossen. Steigt die Masse auf, werden sie gelöst und treten am Gipfel des Vulkans, manchmal auch an seinen Flanken, vermehrt aus.
Mit Infrarot- und UV-Spektrometern sowie Radiometern lassen sich ihre Art und Menge ermitteln.
Ein erhöhter Anteil an Schwefeldioxid, Fluorwasserstoff und Chlorwasserstoff kann einen Ausbruch ankündigen.
Strahlungstemperatur
Im März 2021 haben US-Forscher ein weiteres Warnsignal für einen Vulkanausbruch entdeckt: Die Strahlungstemperatur eines Vulkans erhöht sich. Dieses Warnsignal zeigt sich schon einige Jahre im Voraus, also nicht so kurzfristig wie die bisher bekannten Warnsignale. Das könnte Vorhersagen für Eruptionen erleichtern.
Bodenbewegung weist auf Größe der Aschewolke hin
Wenn sich vor einem Vulkanausbruch Magma in einer Kammer unter der Erdoberfläche sammelt, hebt sich der darüberliegende Boden. Wird der Druck in der Magmakammer zu groß, bahnt sich das flüssige Gestein seinen Weg nach oben. Mit Beginn des Ausbruchs lässt der Druck im Vulkansystem wieder nach, der Boden senkt sich. Ein Team aus isländischen und amerikanischen Forschern hat entdeckt: Je schneller und weiter der Boden kurz vor der Eruption wieder absinkt, umso umfangreicher und höher wird sich die Aschewolke auftürmen.
Die Wissenschaftler analysierten die Daten, die die GPS-Geräte und Neigungswinkelmesser beim Ausbruch des isländischen Vulkans Grímsvötn 2011 aufgezeichnet hatten. Mithilfe von Bildern und Radarmessungen berechneten sie die Größe und Höhe seiner Aschewolke. Dabei stellten sie einen Zusammenhang zwischen den Bodenbewegungen, der Ausbruchsintensität und der Ausdehnung der Aschewolke fest und schlussfolgerten: Ließen sich die Bodendaten bei einem drohenden Ausbruch nahezu in Echtzeit auswerten, könnte man eine Eruption, deren weitere Entwicklung und das Ausmaß der Aschewolke besser vorhersagen.
Trotz all dieser untrüglichen Anzeichen und der ausgefeilten technischen Hilfsmittel zu ihrer Erfassung gibt es keine flächendeckende, verlässliche Vorhersage: Keine Überwachungstechnik allein reicht aus, um festzustellen, welche Prozesse unter und in einem Vulkan ablaufen. Alle aktiven Vulkane ständig von einer Reihe automatisch alarmschlagender Messgeräte überwachen zu lassen, wäre technisch zwar möglich - tatsächlich aber einfach zu teuer. Und eine hundertprozentige Sicherheit könnten auch sie nicht bieten.
Was bleibt, ist Schadensbegrenzung
So bleibt nichts anderes übrig, als mit der Gefahr zu leben, sich für den Ernstfall zu rüsten und so wenigstens die Folgen zu begrenzen: Basierend auf den Untersuchungen von Vulkanforschern müssen gefährdete Gebiete ausgewiesen, Evakuierungspläne ausgearbeitet und Katastrophenschutzübungen trainiert werden. Auch Pläne, wie man im Ernstfall Lavaströme und Schuttlawinen ablenken kann, sind notwendig. Zahlreiche Behörden und verschiedenste Medien müssen bei drohender Gefahr frühzeitig, umfassend und kompetent informiert werden.
Unterfangen mit vielen Unbekannten
Fassungslos vor dem Lavastrom des Nyiragongo, der 2002 große Teile der kongolesischen Stadt Goma zerstört hat.
Länder der Dritten Welt haben jedoch das Nachsehen: Ihnen fehlen die finanziellen und damit unweigerlich verbundenen wissenschaftlichen und infrastrukturellen Ressourcen.
Doch auch der Rest der Welt kann sich nicht in Sicherheit wiegen: Vulkanforschung ist trotz aller technischen Möglichkeiten ein Unterfangen mit vielen Unbekannten.
Sendungen
- "Vulkane in Deutschland: Wie sicher sind wir?": Quarks, ARD alpha, 14.10.2024, 10.45 Uhr
- "Verborgene Vulkane: Wie gefährlich sind sie?": Gut zu wissen, ARD alpha, 19.03.2023, 16:30 Uhr
- "Die Kanarischen Inseln - Felsenküste und Vulkane": Abenteuer Wildnis, BR Fernsehen, 08.03.2023, 04:45 Uhr
- "Ausbruch im All - Die Weltraum-Vulkane": ARD alpha, 20.12.2022, 15:20 Uhr
- "Bedrohlicher Vulkan - Islands Angst vor dem Öræfajökull": alpha-thema, ARD alpha, 26.10.2022, 15:35 Uhr
- "Vulkane und Feuer": radioWissen am Nachmittag, Bayern 2, 07.07.2022, 15:05 Uhr