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Alternativer Nobelpreis 2022 Anerkennung für den Kampf gegen kaputte Systeme

Somalia, Ukraine, Venezuela, Uganda sind die Heimatländer der diesjährigen Preisträger und Preisträgerinnen des Right Livelihood Awards - bekannt als Alternativer Nobelpreis. Alle setzen sich in ihren Ländern für besser funktionierende Gesellschaften ein und wollen defekte Systeme verändern. An die Ukraine geht der Preis in diesem Jahr zum ersten Mal.

Stand: 29.09.2022 10:49 Uhr | Archiv

29.09.2022, Schweden, Stockholm: Ole von Uexküll, CEO und Mitglied der Jury, verkündet die Preisträger des Right Livelihood Award während einer Pressekonferenz im Kulturhaus in Stockholm. Der Right Livelihood Award wird seit 1980 in Stockholm vergeben, gemeinhin ist er als Alternativer Nobelpreis bekannt. Foto: Jessica Gow/TT NEWS AGENCY/AP/dpa - ACHTUNG: Nur zur redaktionellen Verwendung und nur mit vollständiger Nennung des vorstehenden Credits +++ dpa-Bildfunk +++ | Bild: dpa-Bildfunk/Jessica Gow

Preisträger und Preisträgerinnen des Alternativen Nobelpreises 2022 sind die Ukrainerin Olexandra Matwijtschuk, die somalischen Menschenrechtsaktivistinnen Fartuun Adan und Ilwad Elman, das venezolanische Kollektiv Cecosesola und das Africa Institute for Energy Governance (Afiego) aus Uganda. Stiftungsdirektor Ole von Uexküll betont, dass die Preisträgerinnen und Preisträger basisorientierte Gemeinschaften stärkten und förderten.

"Angesichts des Versagens von Regierungen und des Zusammenbruchs bestehender Ordnungen - in Form von Kriegen, Terrorismus, Ausbeutung, massiver Vertreibung und Wirtschaftskrisen - schaffen sie neue, auf den Menschen ausgerichtete Systeme."

Ole von Uexküll

Ihre Erfolge zeigten, wie Gesellschaften auf dem Grundsatz von Gerechtigkeit statt auf Ausbeutung aufgebaut werden könnten.

Im Einsatz für Demokratie und Rechtsstaatlichkeit

Olexandra Matwijtschuk, Vorsitzende des Center for Civil Liberties (CCL)

Olexandra Matwijtschuk ist eine der prominentesten ukrainischen Menschenrechtsverteidigerinnen, die sich für eine vollständige demokratische Transition und Rechtsstaatlichkeit einsetzt. Als Vorsitzende des Center for Civil Liberties (CCL) trägt sie mit ihrer Organisation seit über einem Jahrzehnt maßgeblich zur Stärkung der ukrainischen Zivilgesellschaft und staatlicher demokratischer Strukturen bei und setzt sich für die Förderung nationalen und internationalen Rechts ein. Matwijtschuk und das CCL werden "für den Aufbau nachhaltiger demokratischer Institutionen in der Ukraine und die Gestaltung eines Weges zur internationalen Strafverfolgung von Kriegsverbrechen" geehrt, so die Stiftung. Ihr langjähriger Einsatz für die Dokumentation von Menschenrechtsverletzungen und Kriegsverbrechen sei seit dem russischen Einmarsch in ihr Land umso bedeutender geworden.

Somaila: Einsatz für mehr Frieden

Ilwad Elman (l) und Fartuun Adan von der Organisation Elman Peace

Fartuun Adan und Ilwad Elman kämpfen dafür, dass ihr im Osten von Afrika liegendes Heimatland friedlicher wird. Somalia leidet unter Gewalt und Terrorismus. Mit ihrer Organisation Elman Peace haben Mutter und Tochter innovative und kulturspezifische Ansätze entwickelt, die Überlebende geschlechtsspezifischer Gewalt unterstützen, ehemalige Kindersoldaten und Kindersoldatinnen resozialisieren sowie Frauen und Jugendlichen berufliche Bildung und das Erlernen von Führungskompetenzen ermöglichen. Die Auszeichnung erhalten sie "für die Förderung von Frieden, Entmilitarisierung und Menschenrechten in Somalia angesichts von Terrorismus und geschlechtsspezifischer Gewalt".

Kollektiv für bezahlbare Waren

Matilde Jimenez, Gründerin der Cooperativa 8 de Marzo. Der Bio-Kaffee dieser Gruppe trägt zu ihren Ehren den Namen Café Matilde.

Hilfe für einkommensschwache Regionen: Seit 1967 besteht in Venezuela das Kollektiv Cecosesola. Cecosesola ist ein Netzwerk von Gemeinschaftsorganisationen aus einkommensschwachen Regionen, das erschwingliche Waren und Dienstleistungen für mehr als 100.000 Familien in sieben venezolanischen Bundesstaaten anbietet. Seit seiner Gründung ist das Kollektiv immer weitergewachsen und deckt verschiedene Bereiche ab - unter anderen die Lebensmittel-, die Gesundheitsversorgung und sogar Bestattungsdienste. Für die Right-Livelihood-Stiftung ist dieser Verbund bei der Suche nach alternativen wirtschaftlichen Ansätzen eine Inspirationsquelle. Sie zeichnet Cecosesola "für die Entwicklung einer gerechten und leistungsfähigen Gemeinschaftsökonomie als Alternative zum profitorientierten Wirtschaftsmodell" aus.

Einsatz gegen umweltschädliche Projekte bei der Öl- und Gasförderung

Dickens Kamugisha Chief Executive Officer des Africa Institute for Energy Governance (AFIEGO)

Seit 2006 in Uganda kommerziell nutzbare Ölreserven entdeckt wurden, wurden vielen Menschen ihre Ländereien genommen und sie wurden vertrieben. Der Abbau hat zu großen Umweltschäden geführt. Das Africa Institue for Energy Governance (AFIEGO) ist eine ugandische Organisation, die Gemeinden dabei unterstützt, sich gegen umweltschädliche Projekte bei der Öl- und Gasförderung zu wehren. Durch Lobbyarbeit, Medienkampagnen sowie lokale und internationale rechtliche Schritte hat AFIEGO dafür gesorgt, dass die Stimmen der Gemeinden bei Entscheidungsträgern Gehör finden. Dabei trotzt die Organisation Bedrohungen, Schikanen und Festnahmen. Mithilfe internationalen Drucks will AFIEGO den Bau der Ostafrikanischen Rohöl-Pipeline EACOP von Uganda nach Tansania stoppen. Die Preisjury ehrt AFIEGO "für den mutigen Einsatz für Klimagerechtigkeit und die Rechte betroffener Gemeinden, die durch ausbeuterische Energieprojekte in Uganda verletzt werden".

Deutsche Davids gegen Goliaths

Der Right Livelihood Award

Jakob von Uexküll, Gründer des Alternativen Nobelpreises

Albert Einstein sagte einmal, eine wirklich gute Idee erkenne man daran, dass ihre Verwirklichung von vornherein ausgeschlossen scheint. Seit 1985 zeichnet der Right Livelihood Award, bei uns als "Alternativer Nobelpreis" bekannt, Menschen aus, die solche unmöglichen Ideen verwirklichen und sich für den Schutz der Umwelt, für Menschenrechte und Frieden einsetzen.

Jakob von Uexküll

Die Idee, einen alternativen Nobelpreis ins Leben zu rufen, hatte der ehemalige Europa-Abgeordnete Jakob von Uexküll (geb. 1944) in den 70er-Jahren. Damals reiste er um die Welt, sah die Armut und Umweltzerstörung in den Ländern. Zurück in Stockholm schlug er dem Nobelkomitee vor, auch einen Preis für Umwelt und Entwicklung zu vergeben. Der Plan wurde abgelehnt.

Erfinder des Alternativen Nobelpreises

Doch von Uexküll hielt an seiner Vision fest, verkaufte seine exklusive Briefmarkensammlung und gründete von dem Erlös über eine Million US-Dollar die Stiftung für Richtige Lebensführung, die bis heute den Alternativen Nobelpreis vergibt. Seit 1980 wurden zahlreiche Menschen und Initiativen aus den verschiedensten Ländern gewürdigt. Die Feierlichkeiten in Stockholm finden meist einige Tage vor oder nach der Verleihung der Nobelpreise am 10. Dezember statt. Oft gibt es vier Alternative Preisträger, die sich das Preisgeld von zwei Millionen Schwedischer Kronen (rund 200.000 Euro) teilen. Manchmal wird noch zusätzlich ein Ehrenpreis (undotiert) vergeben. Ermöglicht wird die Unterstützung der Preisträger durch Spenden und Vermächtnisse.

"Der Right Livelihood Award will dem Norden helfen, eine Weisheit zu finden, die zu seiner Wissenschaft passt, und dem Süden, eine Wissenschaft zu finden, die seine alte Weisheit ergänzt."

Jakob von Uexküll


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