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Schachtkraftwerk Das umweltfreundliche Wasserkraftwerk

Wasserkraftwerke liefern zwar sauberen Strom, sind aber oft nur an großen Gefällen rentabel und bedrohen den Lebensraum Fluss. Doch es gib auch das Kleinwasserkraftwerk für nebenan: einfach, günstig, umweltschonend.

Stand: 20.07.2021

Albert Sepp und Peter Rutschmann mit Modell | Bild: Andreas Heddergott / TU München

Ein Team um Peter Rutschmann und Albert Sepp hat das sogenannte Schachtkraftwerk entwickelt: ein Kleinwasserkraftwerk, mit dem sich kleine Gemeinden selbst mit Strom aus den Flüssen versorgen können und dabei die Umwelt weniger schädigen als mit großen Wasserkraftwerken.

Erstes Schachtkraftwerk in Betrieb

An der Loisach ist im Februar 2020 das erste Schachtkraftwerk in Betrieb gegangen: Die Gemeinde Großweil mit 1.500 Einwohnern im Landkreis Garmisch-Partenkirchen versorgt sich seither mit Strom, der aus der Loisach kommt. Dabei bekommen Gemeinde und Umwelt einen weiteren Vorzug des Schachtkraftwerks zu spüren: regional erzeugten Strom, der nicht erst über weite Wege in das Dorf transportiert werden muss.

Das Schachtkraftwerk für Großweil an der Loisach

Das Spezielle beim Schachtkraftwerk: Nur ein Teil des Flusses wird in das Wasserkraftwerk geleitet. Und dieses befindet sich dazu unterhalb des Flusses, während an der Oberfläche weiterhin Wasser fließt und auch für Fische nutzbar bleibt. Die Turbine des Kraftwerks befindet sich dagegen in der Tiefe - unsichtbar und vor Hochwasser geschützt.

So funktioniert ein Schachtkraftwerk

Längsschnitt durch das an der TU München entwickelte Schachtkraftwerk

Vor ein Wehr wird in das Flussbett ein einfacher Schacht gegraben. Das Wasser strömt von oben in die kistenförmige Anlage hinab, treibt die an einen Generator gekoppelte Turbine an und wird unter dem Wehr zurück ins Flussbett geleitet. Weil der Generator unter Wasser arbeiten kann, braucht man am Ufer kein Maschinenhaus. Kein Lärm, nur ein kleines Transformator-Häuschen verrät die Energiequelle. Die Technik muss wenig gewartet werden, und da sich der wesentliche Teil des Kraftwerks bereits unter Wasser befindet, kann einem Schachtkraftwerk auch Hochwasser nichts anhaben. Eine Klappe im Wehr oberhalb des Kraftwerkschachts lässt einen Teil des Wassers durchfließen - und damit auch Fische passieren. Ein Rechen, dessen Stäbe in engem Abstand angeordnet sind, verhindert, dass die Fische in den Turbinenschacht gelangen. Der Fluss muss weder eingedämmt, begradigt, umgeleitet noch aufgestaut werden.

Entwickelt von der TU München

So sieht das Flussbett samt Schacht und Turbine im Wehr im Modell aus.

Entwickelt wurde das Schachtkraftwerk vom Oskar von Miller-Institut, der Versuchsanstalt für Wasserbau und Wasserwirtschaft der Technischen Universität München, die mit einem Modell am Walchensee das besondere Kleinkraftwerk testete. Im Maßstab 1:5 bildeten Betonrinnen ein Flussbett nach, eine Betonmauer diente als Wehr.

Kraftwerk-Kiste aus dem Katalog

Eine Fallhöhe des Wassers von einem bis zwei Metern reicht schon aus.

Bereits bestehende Wehre oder Schwellen, die eingebaut wurden, um Flüssen ihre Erosionskraft zu nehmen, wären für den Einbau eines Schachtkraftwerks prädestiniert. Schon bei einer Fallhöhe des Wassers von einem bis zwei Metern kann das Kraftwerk rentabel arbeiten. Je nach Bedarf und Finanzkraft können bei einem breiteren Gewässer auch mehrere Schächte nebeneinander gegraben werden. Anlagen mit einigen Hundert Kilowatt Leistung kosten mehrere 100.000 bis wenige Millionen Euro. Laut Rutschmann betragen die Kosten nur 30 bis 50 Prozent der bei einer traditionellen Wasserkaftwerks-Konstruktion. Mit standardisierten, vorgefertigten Modulen will er die Bestellung einer "Kraftwerk-Kiste" wie aus dem Katalog ermöglichen.

Empfehlenswerter als Fischrampen

Peter Rutschmann kann sich gut vorstellen, dass sich auch weitere Städte und Gemeinden für diese Art der Stromerzeugung entscheiden. Die Zeit hierfür wäre gerade günstig: Nach der EU-Wasserrahmenrichtlinie müssen die rund 30.000 Querbauwerke, die es in bayerischen Gewässern gibt, so umgebaut werden, dass Fische sie überwinden können. Statt Tausender bloßer Fischrampen, die die EU-Staaten Milliarden kosten, könnten auch Schachtkraftwerke mit Fischklappe und einem zusätzlichen Fischaufstieg installiert werden. Die Kosten würden dann die jeweiligen Investoren tragen und im Flüsschen nebenan klimafreundlichen Strom für die Gemeinde produzieren.



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