Literarische Texte Literarische und nicht-literarische Texte
Hier beantworten wir folgende Fragen:
- Woran erkenne ich literarische Texte?
- Worin besteht der Unterschied zwischen literarischen und nicht-literarischen Texten?
- Was sind Fachbegriffe für literarische und nicht-literarische Texte?
"Literatur" stammt aus dem Lateinischen und bezeichnete ursprünglich die Gesamtheit alles Geschriebenen.
Littera (Singular) bedeutet Buchstabe, litterae (Plural) Buchstaben, Handschrift(en), Alphabet, Schrift, Geschriebenes, Dokument(e), Brief(e), Gelehrsamkeit und Wissenschaft.
Auch im Deutschen bezeichnete der Begriff "Literatur" bis ins 19. Jahrhundert hinein zunächst alle Arten von Texten. Danach bildete sich jenes Begriffsverständnis heraus, das bis heute gültig ist. Wenn wir heute von Literatur sprechen, meinen wir zumeist Dichtung, d. h. Dramen, Gedichte, Romane, Erzählungen etc. in Abgrenzung zu nicht-literarischen Texten, sogenannten Sachtexten. Diese Unterscheidung findet sich im Grundansatz schon bei dem griechischen Philosophen Aristoteles im 4. Jh. v. Chr. Dieser hatte zwischen dem Geschichtenschreiber (Dichter) und dem Geschichtsschreiber (Historiker) unterschieden:
"1. Aus dem Gesagten erhellt, daß es nicht die Aufgabe des Dichters ist das, was sich wirklich zugetragen, zu erzählen, sondern das, was sich hätte zutragen können und was nach Wahrscheinlichkeit oder Notwendigkeit möglich ist.
2. Der Geschichtsschreiber und der Dichter unterscheiden sich nämlich nicht durch die gebundene oder ungebundene Rede, […]. Der Unterschied ist vielmehr der, daß jener, was sich zugetragen darstellt, dieser, was sich hätte zutragen können."
(aus: Aristoteles: Poetik. Übersetzt u. herausgegeben von Manfred Fuhrmann, Stuttgart, 1982, S.29)
Auch heute noch gilt: Literarische (d. h. dichterische) Texte entstehen oft aus dem Impuls, Mögliches bzw. Vorgestelltes zu beschreiben, ein mögliches Geschehen, mögliche Blickwinkel auf ein Geschehen, ein Spiel der Fantasie. Viele Sachtexte hingegen sind mit der Absicht verfasst, zu informieren, das heißt von Wirklichem zu berichten, von wirklichem Geschehen - und dies aus einem möglichst objektiven Blickwinkel.
Weil literarische Texte, wenn sie Mögliches bzw. Vorgestelltes beschreiben, etwas erfinden, werden sie auch fiktionale Texte genannt (von lat. fictio = Erdachtes, Erfundenes). Da sie dabei nicht selten zugleich etwas Neues erzeugen, heißen sie auch poetische Texte (von griech. poiesis = hervorbringen, schaffen).
Sachtexte hingegen sollen zumeist von Tatsächlichem berichten, aus diesem Grunde werden sie auch als faktuale Texte (von lat. faktum = Tatsache) bezeichnet. Bei diesen steht die Information und der praktisch-sachliche Nutzen im Mittelpunkt, deshalb ist auch von informatorischen (von Information = Nachricht) oder von pragmatischen Texten (pragmatisch = sachbezogen) die Rede.
Aber es gibt auch Ausnahmen: z. B. Werbung oder politische Reden. Auch sie gehören zu den Sachtexten, sollen aber in der Regel nicht neutral informieren, sondern dienen oft verdeckten Interessen: zu überreden oder zu überzeugen. Werbetexte heißen deshalb auch persuasive Texte (von lat. persuadere = überreden, überzeugen), politische Reden gehören hingegen zu den appellativen Texten (von lat. appellare = appellieren, auffordern).
Eine Sonderform stellen Biografien, Autobiografien und Tagebücher dar. Weil in ihnen oft kunstvoll bzw. mit ästhetischem Anspruch erzählt wird und Subjektives und Emotionales zumeist eine besondere Rolle spielen, werden sie in der Fachliteratur teilweise als literarische Texte verstanden (so Lutz Rühling, 2003, S. 25f). Es gibt aber auch die Zuordnung zu den Sachtexten, weil in ihnen nicht von Möglichem, sondern von Wirklichem berichtet wird bzw. werden soll (Vogt, 2008, S. 190f).
Dass der Anspruch, von Wirklichem zu berichten, allerdings nicht immer einfach einzulösen ist, weil uns unsere Erinnerung zuweilen einen Streich spielt und sich im Rückblick das Tatsächliche oft mit Gewünschtem, Gefürchtetem, Verdrängtem etc. vermischt, hat bereits Johann Wolfgang von Goethe deutlich gemacht, als er seiner zentralen autobiografischen Schrift den Titel "Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit" (1808-1831) gab.
1.
Anzunehmen, dass alle Sachtexte informieren sollen.
2.
Anzunehmen, dass literarische Texte nichts Wirkliches enthalten (können).
1.
Literarische Texte erzählen (meist) von Möglichem bzw. Vorgestelltem. Dies schließt nicht aus, dass sie dabei auch wirklich Geschehenes verarbeiten.
2.
Literarische Texte können frei Erfundenes und völlig neu Geschaffenes beinhalten. Sie werden deshalb auch als fiktionale oder poetische Texte bezeichnet (von lat. fictio = Erdachtes, Erfundenes und griech. poiesis = hervorbringen, schaffen).
3.
Die meisten Sachtexte sollen von Wirklichem berichten. Sie werden deshalb auch als pragmatische (pragmatisch = sachbezogen), faktuale (lat. faktum = Tatsache) oder informatorische (Information = Nachricht) Texte bezeichnet.
4.
Werbung oder politische Reden sind auch Sachtexte, sie sollen primär nicht neutral informieren, sondern (auch) überreden bzw. überzeugen. Werbetexte heißen deshalb auch persuasive Texte (von lat. persuadere = überreden, überzeugen), politische Reden hingegen appellative Texte (von lat. appellare = appellieren, auffordern).
5.
Biografien, Autobiografien und Tagebücher werden in der Fachliteratur teilweise den literarischen Texten und teilweise den Sachtexten zugeordnet. Denn einerseits wird in ihnen oft kunstvoll erzählt. Andererseits geht es in ihnen primär nicht um Mögliches, sondern um Wirkliches.
Dieter Burdorf/Christoph Fasbender: Metzler Lexikon Literatur. Begriffe und Definitionen, Stuttgart 2007.
Der Brockhaus Literatur. Schriftsteller, Werke, Epochen, Sachbegriffe, Gütersloh 2010.
Die Zeit (Hrsg.): Literatur-Lexikon. Autoren und Begriffe in sechs Bänden, Stuttgart 2008.
Katharina Mahrenholtz/Dawn Parisi: Literatur! Eine Reise durch die Welt der Bücher, Hamburg 2012.
Lutz Rühling: Voraussetzungen und Grundfragen der Literaturwissenschaft, in: Heinz Ludwig Arnold/Heinrich Detering (Hrsg.): Grundzüge der Literaturwissenschaft, München 2003, S. 25-51.
Jochen Vogt: Einladung zur Literaturwissenschaft. Mit einem Vertiefungsprogramm im Internet, Stuttgart 2008.