Ludwig und seine Schlösser Bauherr mit viel Fantasie
Ludwig entwickelte keinen neuen Architekturstil, sondern bediente sich aus einem historischen Fundus: aus dem Frankreich des 17. und 18. Jahrhunderts, aus der germanisch-mittelalterlichen Mythenwelt und aus orientalischem Märchenzauber. So entstand ein Sammelsurium unterschiedlichster Baustile.
Ludwigs Vorstellung vom eigenen Amt war geprägt von der uneingeschränkten Machtfülle der großen französischen Könige des Absolutismus. Nur: Sein übersteigertes Herrscherbewusstsein stand in keinem Verhältnis zu seinen Möglichkeiten. Das Königtum, wie er es verstand, gab es schlicht und einfach in der Realität nicht mehr. So baute er es wenigstens in der Idealität wieder auf - mit seinen Traum-Schlössern. Zumindest im Reich der Kunst wollte er unumschränkter Herrscher sein.
Kunsthistoriker schütteln den Kopf
Neuschwanstein hat eine Architektur, über die Kunsthistoriker nur den Kopf schütteln. Kini-Fans scheint sie nicht zu stören, wie Hunderttausende Touristen jährlich beweisen. Ein Vorbild war die Wartburg. 1867 besuchte Ludwig die mittelalterliche Festung, Ort des "Sängerkriegs", den Wagner in seinem "Tannhäuser" als Oper wieder aufleben ließ.
Architekten konnten in Ungnade fallen
Vom Schauplatz dieses "Kriegs", dem Sängersaal, war Ludwig so beeindruckt, dass er diese Halle mitsamt Burg am Alpsee in der Nähe von Füssen ab 1869 nachbauen ließ - zumindest in etwa. Für Innenräume und Höfe standen zum Teil Bühnenbilder von Wagner-Opern Pate.
So wurde der Burghof einer Münchner "Lohengrin"-Inszenierung nachempfunden. Dabei achtete Ludwig peinlich genau darauf, dass jedes Detail stimmte. Leistete sich ein Architekt eine Abweichung vom Original, konnte er leicht in Ungnade fallen.
Hang zum Dekadenten
Ludwig liebte die Einsamkeit der Bergwelt. 1870 errichtete man für ihn auf dem Schachen im Wettersteingebirge ein alpines Mini-Schloss im Berghütten-Format. Innen birgt das Gebäude den "türkischen Saal", also einen Raum in orientalisch gehaltenem Stil.
Wenn Ludwig danach war, scheuchte er einen Tross Bediensteter, stilgerecht gekleidet als Muselmanen, über den kilometerlangen Pfad auf den 1.866 Meter hohen Berg. Oben mussten sie mit ihrem "Sultan" Mokka schlürfen und Pfeife rauchen. Mitunter keuchte sein Kabinettschef hinterher, um auf dem Gipfel wichtige Staatsakten unterzeichnen zu lassen.
Sonnen- und Mondkönig
Doch vor allem seinem großen Vorbild, dem Sonnenkönig Ludwig XIV., wollte Ludwig seine Referenz erweisen. 1874 ließ er dazu den Grundstein zu Schloss Linderhof in der Nähe des Klosters Ettal legen. Es wurde ein kleines Juwel im Stil des französischen Rokoko - und ein Versuchslabor für technische Spielereien.
So ließ er in einen nahen Hügel eine 100 Meter lange künstliche Grotte einbauen, auf deren See er nachts zwischen echten Schwänen auf- und abruderte. Je nach Stimmungslage konnte er die unterirdische Anlage blau oder rot illuminieren. Den Strom daz lieferte ein eigenes kleines Elektrizitätswerk. Zuvor hatte er einen Ingenieur nach Capri geschickt, der das Blau der Originalgrotte studieren musste. Ludwigs Kosename für Linderhof war übrigens "Meicost Ettal", ein Anagramm von "L'état, c'est moi" (Der Staat bin ich), dem Motto Ludwigs XIV.
Prunkschlafzimmer übertrifft Original in Versailles
Neuschwanstein und Linderhof bewohnte Ludwig regelmäßig. Dies galt nicht für sein letztes ausgeführtes Schlossprojekt Herrenchiemsee. 1878 wurde es als kleine, vereinfachte Barock-Kopie von Versailles begonnen, aber aus Geldmangel nie vollendet - und nur ein einziges Mal hielt sich Ludwig dort eine gute Woche lang auf.
Schmuckstück des Schlosses war das Paradeschlafzimmer zu Ehren Ludwigs XIV., das das französische Original an Prunk noch übertraf. Ludwig II. war der König der Luftschlösser. Und er hatte das Privileg, sie in private Lustschlösser umzuwandeln.
Doch wer denkt, dass sie für amouröse Stelldicheins mit Hofdamen gedacht waren, täuscht sich ...