Stadtwald der Zukunft Stadtbäume müssen Hitze und Trockenheit verkraften
Ulme, Linde, Esche, Eiche oder Platane - diese Bäume prägen das Bild unserer Städte. Doch unsere altbekannten Baumarten leiden. Sie kämpfen mit den Folgen des Klimawandels. Deshalb suchen Forscher nach geeigneten Baumarten für die Zukunft.
Strenger Frost im Wechsel mit Hitze und Trockenheit. Die Folge: Immer öfter reißen die Stämme der Bäume. Unsere bekannten Stadtbäume wie Linden, Kastanien und Ahorn-Sorten werden anfälliger für Krankheiten und Schädlinge. Deshalb wird nach neuen Baumarten gesucht, die besser mit den veränderten Bedingungen zurechtkommen. Getestet werden sie auch in dem langfristig angelegten Forschungsprojekt "Stadtgrün 2021+" der Bayerischen Landesanstalt für Wein- und Gartenbau in Veitshöchheim, das noch bis mindestens 2023 laufen soll.
Das Leiden der Stadtbäume
Schadstoffe in der Luft, belastete und versiegelte Böden, fehlende Nährstoffe, Salzeinsatz im Winter, Urin von Hunden und Verletzungen durch Bauarbeiten und Unfälle gefährden unsere Stadtbäume. Besonders empfindlich reagieren sie auch auf Wassermangel, der zum einen durch versiegelte Böden und zu wenig Raum für die Wurzeln kommt. Zum anderen fällt zu wenig Niederschlag und die Temperaturen steigen kontinuierlich an. Gerade diese Probleme haben sich in den letzten Jahren in Deutschland extrem verstärkt.
Schädlinge und Pilze setzen den Stadtbäumen zu
Eine weitere Folge des Klimawandels: Bestimmte Baumarten leiden verstärkt an Pilz- und Schädlingsbefall.
Baumarten und "ihre" Schädlinge
Massaria-Pilz
Von der trocken-heißen Witterung und dem damit verbundenen Wassermangel profitieren Pilze wie der Massaria-Pilz, der Platanen befällt. Bei älteren Platanen bildet sich dadurch verstärkt Totholz, das leichter bricht. Vor den frühen 2000er-Jahren war der Massaria-Pilz in Deutschland noch unbekannt. Doch nun hat er sich durch das veränderte Klima massiv ausgebreitet.
Kastanienminiermotte
In den letzten Jahren ist aus Süd-Ost-Europa die Kastanienminiermotte zugewandert. Sie ist in der Wahl ihres Wirts sehr spezialisiert: Bisher hat sie fast ausschließlich der weißblühenden Rosskastanie zugesetzt. Befallen die Raupen über mehrere Jahre einen Baum, bekommen seine Blätter nicht nur braune Flecken und Löcher, auch der gesamte Baum verliert an Kraft und kämpft ums Überleben.
Eschentriebsterben
Gerade in Bayern wurden viele Eschen von einem Schlauchpilz befallen, der für ein erschreckendes Eschensterben sorgte und sorgt. Der Pilz befällt nicht nur Jungpflanzen, sondern setzt auch den älteren Eschen zu. Vor allem die jungen Triebe der Bäume werden befallen.
Eschenbaumschwamm
Früher galt die Robinie als idealer Stadtbaum, geeignet auch für ungünstige Standorte. Doch mittlerweile hat sich ein Pilz auch in Deutschland ausgebreitet, der den Robinien schwer zu schaffen macht: der sogenannte Eschenbaumschwamm. Meist bildet sich der Pilz am Wurzelwerk oder unteren Stamm und lässt den Laubbaum langsam von unten faulen.
Ulmensterben
Eine andere Baumart, die gefährdet ist: die Ulme. Fast 90 Prozent aller Ulmen in deutschen Städten mussten seit den 2000er- Jahren gefällt werden, weil sie ebenfalls von einem Pilz befallen waren. Nur die Flatterulme, der Baum des Jahres 2019, scheint durch den Pilz nicht gefährdet zu sein. Außer gegen den asiatischen Schlauchpilz kämpfen die Ulmen vor allem noch mit zwei Käferarten: dem Kleinen und dem Großen Ulmensplintkäfer, die beide zu den Borkenkäfern gehören.
Buchsbaumzünsler
Dem Buchsbaum setzt eine gefräßige, giftige grüne Raupe zu: der Buchsbaumzünsler. Das Insekt wurde aus Asien eingeschleppt, vernichtet seit 2006 die hiesigen Buchsbäume und breitet sich ungestört aus. Natürliche Feinde hat der Schädling hier noch nicht. Zuerst werden die Blätter abgenagt, dann die Rinde bis aufs Holz. Alle Pflanzenteile oberhalb davon sterben ab.
Eichenprozessionsspinner
Egal ob Stiel-, Trauben- oder Roteiche: Alle bayerischen Eichenarten werden vom Eichenprozessionsspinner befallen. Der liebt trockene Wärme und bevorzugt lichte Eichenwälder, Bestandsränder und Einzelbäume. In Trockenjahren vermehrt er sich in Massen. Früher war er in Bayern eher selten, doch seit 1995 nimmt die Zahl der Schmetterlinge vor allem in Unter- und Mittelfranken sowie im westlichen Oberfranken stark zu. Neben den Fraßschäden am Baum verursachen die giftigen Haare seiner Raupe stark allergische Reaktionen beim Menschen.
Asiatischer Laubholzbockkäfer
Vermutlich wurde der asiatische Laubholzbockkäfer mit Paletten aus Asien eingeschleppt. Der bis zu vier Zentimeter große, schwarze Käfer hat bei uns keine natürlichen Feinde und ist extrem gefährlich, denn seine gefräßigen Larven befallen völlig gesunde Laubbäume. Wo er aufgetreten ist, entsteht eine Quarantänezone und im Umkreis von 100 Metern um einen befallenen Baum wird das Gehölz entfernt und verbrannt.
Projekt "Stadtgrün 2021+" - Stadtwald der Zukunft in Bayern
Um dem Baumleiden und -sterben in deutschen Städten Einhalt zu gebieten, suchen Forscher nach alternativen Baumarten, die das Stadtklima der Zukunft besser vertragen sollen. So testet die Biologin Susanne Böll von der Bayerischen Landesanstalt für Wein und Gartenbau unterschiedliche Baumarten auf ihre Eignung. Sie arbeitet an dem groß angelegten Forschungsprojekt "Stadtgrün 2021+" in drei bayerischen Städten: in Kempten, Hof/Münchberg und Würzburg.
Auch in den folgenden Jahren wird geprüft, ob die ausgewählten Versuchsbaumarten den für unsere Städte prognostizierten Klimabedingungen trotzen können. Darüber hinaus soll bei weiteren "Klimabaumarten" die Insektenvielfalt in den Kronen untersucht und mit der heimischer Arten verglichen werden.
Drei bayerische Städte - unterschiedliche Klimabedingungen
Die drei Städte wurden ausgewählt, weil sie urbane Standorte mit verschiedenen klimatischen Bedingungen repräsentieren: Während das wärmebegünstigte Würzburg überdurchschnittlich hohe Trockenperioden und Temperaturbedingungen hat, wird Münchberg bei Hof mit seinem kontinentalen Klima mit viel Frost auch als "bayerisch Sibirien" bezeichnet. Kempten zeichnet sich dagegen durch ein gemäßigtes Voralpenklima mit ausreichend Niederschlägen aus.
Klimawandel-Projekt "Stadtgrün 2021+" in Bildern:
Gesucht: der Stadtbaum der Zukunft für Bayern
Auf der Suche nach dem Baum der Zukunft hat Susanne Böll 2009 zunächst zwanzig neue Baumarten gepflanzt: Darunter sind Zürgelbäume aus Südeuropa, französischer Ahorn, spanische Eiche, nordamerikanische Zelkove, asiatischer Ginkgobaum oder auch japanischer Dreizahn-Ahorn.
Gleiche Bedingungen für alle getesteten Stadtbäume der Zukunft
Anpflanzung der amerikanischen Ulmenart Ulmus reobona im Forschungsprojekt. Welche Baumarten eignen sich als Stadtbäume der Zukunft für Bayern?
Im März 2015 sind nochmals zehn neue Testbaumarten dazugekommen. Sie alle sollen besser mit dem Frost und der Trockenheit klarkommen. Um die Entwicklung der Bäume vergleichen zu können, wurden die ersten 20 Arten gleichzeitig im Herbst 2009 und Frühling 2010 an vorher ausgewählten Standorten gepflanzt. Alle Bäume waren aus demselben Quartier der Baumschule, hatten einen ähnlichen Umfang. Sie wurden in Reihen gepflanzt und werden alle gleich gepflegt. Außerdem werden Mittel gegen Pilzbefall getestet. Zudem wachsen in der Versuchsbaumschule noch über 200 weitere fremde Arten.
"Unser Ansinnen ist überhaupt nicht, die alten Stadtbaumarten zu ersetzen. Da, wo sie funktionieren, ist es wunderbar. Wir wollen weiterhin unsere Linden, Ahornbäume und Kastanien in den Städten haben. Aber da, wo es eben nicht mehr funktioniert, ist es wichtig, dass wir neue Baumarten an der Hand haben."
Biologin Susanne Böll, Bayerische Landesanstalt für Wein und Gartenbau
Überraschende Ergebnisse: Die Silberlinde kühlt sich selbst
Eine Erkenntnis der bisher durchgeführten Tests ist: Die Silberlinde, die Tilia tomentosa "Brabant", ist eine echte Stadtbaum-Alternative. Denn die Linde aus Südosteuropa und Kleinasien erträgt auch große Trockenheit gut. Allerdings ist sie zum Beispiel am kältesten Testort Hof erfroren. Zugleich kommt die Silberlinde aber gut mit großer Hitze zurecht.
"In dem Hitze-Hotspot Würzburg haben sich die südosteuropäischen Versuchsbaumarten wie Silberlinde, Ungarische Eiche und Blumenesche bisher als besonders trockenstressresistent und hitzebeständig erwiesen. Wir haben die Temperatur in den Blättern gemessen und haben gezeigt, dass die Silberlinde ihre weiß-behaarten Blattunterseiten zur prallen Sonne dreht und damit Sonnenstrahlen reflektiert. So kann sie ihre Blätter deutlich kühler halten als die heimische Winterlinde."
Biologin Susanne Böll, Bayerische Landesanstalt für Wein und Gartenbau
Der bei uns seltene Guttaperchabaum aus Mittel- und Westchina ist der einzige "Gummibaum" im gemäßigtem Klima und erweist sich als sehr gesunde Baumart, für die bisher keine Schädlinge oder Krankheiten bekannt sind. Und für die vom Eschentriebsterben bedrohte heimische Esche könnte die resistente Blumenesche eine mögliche Alternative sein.
Stadtgrün 2021+: Die bisherigen Erkenntnisse im Überblick
Um zu erkennen, welche Baumarten der Hitze und Trockenheit am besten trotzen, haben die Biologin Böll und ihr Team von 2018 bis 2020 verschiedene Baumarten verkabelt und kontinuierlich die oberste Bodentemperatur, Rindentemperatur auf Nord- und Südseite sowie die Blatttemperaturen gemessen. Das generelle Fazit ihrer durchgeführten Messungen: Südosteuropäische Baumarten sind an Hitze und Trockenheit besser angepasst als heimische Baumarten. Durch eine bessere Kontrolle ihrer Blatttemperaturen gelingt es ihnen nämlich, anhaltende Hitzeperioden "vital" zu überstehen. Denn im Gegensatz zu bei uns gängigen Baumarten gleichen die südosteuropäischen Varianten die bei Hitze erlittenen Nährstoffverluste durch eine verlängerte Vegetationsperiode aus, sodass sie nach Ende der Hitzewelle mit genügend Reserven in die nächste Vegetationsperiode starten können.
An den drei von den Forschern ausgewählten Standorten zeigte sich Folgendes:
- Im heißen Würzburg entwickeln sich die Silberlinde, die Hopfenbuche und die Breitblättrige Mehlbeere besonders gut.
- Im regenreichen Kempten fühlen sich die Schwarznuss, die Purpurerle und die Stadtulme Lobel besonders wohl.
- In Hof/ Münchberg sind es der Amberbaum, die Kobushi Magnolie und die Gleditschie, die mit dem dortigen frostig-kalten Klima gut zurechtkommen.
Neue Stadtbäume auch Zuhause für Bienen, Falter, Käfer und Spinnen?
Doch, was nützt es, wenn die getesteten Bäume zwar geeignet sind für das Klima, unseren heimischen Insekten, Vögeln und anderen Tieren aber keine Heimat und Nahrung bieten? Um herauszufinden, wie viele Arten sich in den neuen Stadtbäumen ansiedeln, hat die Biologiestudentin Rosa Albrecht eine Vegetationsperiode lang die Artenvielfalt in den Baumkronen der in Würzburg gepflanzten Zukunftsbäume untersucht und mit ihren heimischen Verwandten verglichen. Die Studie wurde 2019 veröffentlicht.
Tierische Bewohner der neuen Stadtbäume eingefangen
Dabei wendete sie drei verschiedene Fangmethoden an: Fliegende Insekten wie Käfer, Zikaden und Wanzen wurden über Fensterfallen eingefangen. Bei der Klopfprobe, also dem Abklopfen von Ästen mit einem Holzstock, wurden alle nicht fliegenden Insekten wie Raupen und andere Larven sowie räuberische Spinnen erfasst. Und über eine Gelbtafel, vergleichbar einer Fliegenfalle, gingen auch Nützlinge wie Zwergwespen auf den Leim.
Insekten bevölkern auch Stadtbäume der Zukunft
Das Ergebnis: Über 40 Prozent von 200 bestimmten Insektenarten waren sowohl auf den heimischen als auch auf den Zukunftsbäumen zu finden. Ein Drittel war nur auf den heimischen, ein Viertel nur auf den osteuropäischen Baumarten. Es lohnt sich also, die Alleen gemischt aufzustellen. Darüber hinaus zeigt die Studie den besonderen Wert von breiten Grünstreifen unter den Bäumen. Sie sind ein wichtiger Teillebensraum von Spinnen, Wildbienen, Zikaden und anderen Insekten. Hier finden sie Nahrung und legen ihre Nester an.
Weitere Ergebnisse zu Insekten, die im vergangenen Jahr zu Forschungszwecken gefangen wurden, soll es laut Susanne Böll frühestens im Sommer 2022 geben.