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Weltbiodiversitätsrat (IPBES) Der Verfechter der Artenvielfalt der Vereinten Nationen

Wir verwüsten Landstriche, wirbeln Ökosysteme durcheinander und rotten Tier- und Pflanzenarten aus. Das weltweite Artensterben geht unvermindert weiter. Daher brauchen Tiere und Pflanzen einen starken Anwalt: den Weltbiodiversitätsrat IPBES.

Stand: 08.07.2022

Fatu, neben Najin das letzte Nördliche Breitmaulnashorn der Welt, hier in einem Gehege der Ol Pejeta Conservancy. | Bild: picture alliance/dpa | Naveena Kottoor

Wir verschmutzen Flüsse und Meere, verseuchen den Boden und vernichten unsere grünen Lungen, die Wälder. Ökosysteme geraten durcheinander, Tier- und Pflanzenarten sterben aus. Das weltweite Artensterben geht ungebremst weiter. Das Klima hat mit dem Weltklimarat (IPCC) einen gewichtigen Fürsprecher. Und unsere Arten samt ihrer Lebensräume? Haben seit einem Jahrzehnt auch einen hochkarätigen Anwalt, der sie vertritt: Der Weltbiodiversitätsrat (IPBES = Intergovernmental Science-Policy Platform on Biodiversity and Ecosystem Services) setzt sich seit 2012 für den Erhalt der Biodiversität, der biologischen Vielfalt, ein.

"Die Biodiversität der Welt geht verloren - das untergräbt auch das Wohlergehen der Menschen."

Robert Watson, ehemaliger IPBES-Vorsitzender

Auf der Roten Liste: Bedrohte Pflanzen- und Tierarten weltweit

Artenvielfalt ist die Grundlage unseres Lebens

Gründung des IPBES

Die Vereinten Nationen beschlossen bei einer Regierungskonferenz im Juni 2010, den IPBES einzurichten. Im April 2012 wurde der Rat von der Staatengemeinschaft formell gegründet.

Der Weltbiodiversitätsrat IPBES wurde ins Leben gerufen, weil wir ohne die biologische Artenvielfalt wenig lebensfreundliche Bedingungen vorfinden würden - und sie trotzdem mit Füßen treten. Experten sind der Ansicht, dass der Rückgang an biologischer Vielfalt längst wirtschaftliche, gesellschaftliche und sogar sicherheitspolitische Folgen hat:

"Biodiversität stützt die Wirtschaft, Nahrungsmittelsicherheit und Lebensqualität der Menschen überall. Politische und wirtschaftliche Entscheidungen, aber auch der persönliche Lebensstil können eine nachhaltige Zukunft entweder bedrohen oder fördern. Die Ökosysteme zu stabilisieren und die Vielfalt des Lebens auf unserem Planeten zu erhalten, ist fundamental für Gesundheit und Wohlergehen der Menschheit sowie die Bekämpfung von Armut."

Anne Larigauderie, IPBES-Exekutivsekretärin

Weltbiodiversitätsrat IPBES berät Regierungen

Der Weltbiodiversitätsrat IPBES erstellt zum Beispiel wissenschaftliche Gutachten zu Biodiversität und Ökosystemen oder erarbeitet Methoden zum Schutz und zur nachhaltigen Nutzung lebenswichtiger Naturschätze. Mit Berichten und Empfehlungen, für die oft Hunderte von Experten und Tausende von wissenschaftlichen Veröffentlichungen konsultiert werden, berät der IPBES unabhängig und objektiv Regierungen in Sachen Umweltpolitik. Ziel ist es, die Expertise aus den verschiedensten Wissenschaftsdisziplinen zu vereinen und weiterzugeben.

Eigene Forschungsarbeiten führt der IPBES nicht durch. Doch er veröffentlicht - ähnlich wie der Weltklimarat IPPC - immer wieder Berichte, die den aktuellen Wissenstand zusammenfassen und der Politik als Entscheidungsgrundlage dienen sollen. Mittlerweile setzt sich der Weltbiodversitätsrat IPBES aus Vertretern von 139 Mitgliedsstaaten zusammen, Deutschland ist ebenfalls darunter (Stand 2022).

"Erfolgreiche Anstrengungen der Menschheit, die gegenwärtige nicht nachhaltige Nutzung natürlicher Ressourcen umzukehren, erfordert bestmögliche Beweise, schlüssige Optionen für die Politik und gut informierte Entscheidungsmacher."

Robert Watson, ehemaliger IPBES-Vorsitzender

Alarmierende Fakten zur Biodiversität - eine Auswahl:


  • Etwa eine Million von den geschätzten acht Millionen Arten an Tieren und Pflanzen sind vom Aussterben bedroht. So groß war das Ausmaß des Artensterbens zur Zeit des Menschen noch nie. (IPBES-Bericht zum Artensterben von 2019)
  • Die Erde erlebt nach Einschätzung von Wissenschaftlern derzeit ihr erstes Massenaussterben seit dem Ende der Dinosaurier vor rund 65 Millionen Jahren.
  • Seit einem Jahrhundert sterben durchschnittlich zwei Wirbeltierarten pro Jahr aus.
  • Seit 1900 sind in den meisten Lebensräumen 20 Prozent der Arten verschwunden. Rund 40 Prozent der Amphibienarten sowie ein Drittel der Korallen und aller marinen Säugetierarten sind bedroht. (IPBES-Bericht zum Artensterben von 2019)
  • Allein die Zahl der Afrikanischen Elefanten schrumpfte zwischen 2006 und 2016 um 111.000 auf 415.000.
  • Mehr als 30 Prozent der weltweiten Fischbestände gelten als überfischt.
  • Bei 21.000 beobachteten Arten sind von 1970 bis 2016 die Populationen um durchschnittlich zwei Drittel geschrumpft, Süsswasserarten nahmen im Bestand sogar um 84 Prozent ab. (Living Planet-Report des WWF von 2020)
  • Die Tierbestände in Süd- und Zentralamerika, wo Urwälder dem Sojaanbau zum Opfer fallen, sind um 95 Prozent geschrumpft. (Living Planet-Report des WWF von 2020)
  • Europas Schmetterlinge haben 39 Prozent ihres Bestandes seit 1990 eingebüßt. (Living Planet-Report des WWF von 2020)

"Biologische Vielfalt ist längst kein Orchideenthema für Umweltschützer mehr, die ein paar Orang-Utans im Regenwald retten wollen - das muss in alle Politikbereiche gehen."

Elsa Nickel, ehemalige Abteilungsleiterin für Naturschutz und nachhaltige Naturnutzung im Bundesumweltministerium


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