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Chemie-Nobelpreis 2013 Vom Hölzchen zum komplexen Computermodell

Der Nobelpreis für Chemie geht in diesem Jahr an Martin Karplus, Michael Levitt und Arieh Warshel. Die US-amerikanischen Forscher entwickelten Computer-Modelle für komplexe chemische Systeme.

Stand: 09.10.2013 | Archiv

Martin Karplus, Michael Levitt und Arieh Warshel | Bild: Stanford University, Harvard University, picture-alliance/dpa; Montage: BR

Chemiker waren daran gewöhnt, Molekülmodelle aus Plastikbällen und Hölzchen zu basteln. Heute wird dieses Modellieren von Computern übernommen. In den 70er-Jahren haben Martin Karplus, Michael Levitt und Arieh Warshel die Grundlage für die Programme gelegt, die dafür genutzt werden, chemische Prozesse zu verstehen und vorherzusagen. Die Computermodelle, die das reale Leben widerspiegeln, sind für die meisten Fortschritte in der heutigen Chemie, entscheidend.

"Dieser Preis handelt davon, das Chemie-Experiment in den Cyberspace zu bringen."

Staffan Normark, Ständiger Sekretär der Nobelpreis-Akademie

Chemische Prozesse am Computer entlarvt

Chemische Reaktionen laufen in Blitzgeschwindigkeit ab. In einem Bruchteil von Millisekunden bewegen sich Elektronen von einem Atomkern zum anderen. Für die klassische Chemie ist es kaum möglich, diesen Prozessen zu folgen und sie im Detail zu beobachten. Dank der Methoden, die die drei Nobelpreisträger entwickelt haben, können die Computer solche chemischen Prozesse virtuell nachvollziehbar machen und enthüllen. So zum Beispiel die Abgasreinigung durch Katalysatoren oder die Fotosynthese von grünen Blättern.

"Sie haben das absolut verdient. Sie sind begeistert von der Wissenschaft, leben für die Wissenschaft. Es sind drei super Typen."

Helmut Grubmüller, Max-Planck-Institut für biophysikalische Chemie, Göttingen

Die Nobelpreisträger 2013

Martin Karplus

Martin Karplus wurde am 15. März 1930 in Wien geboren. Seine Familie flüchtete nach dem Anschluss Österreichs an Deutschland 1938 über die Schweiz in die USA.
Seinen Doktor machte der theoretische Chemiker 1953 am California Institute of Technology. Seit 1979 hat er den Theodore-William-Richards-Lehrstuhl für Chemie an der Harvard University inne. Zudem ist er Professor an der Université de Strasbourg. 2011 wurde er mit dem internationalen Antonio-Feltrinelli-Preis ausgezeichnet. Seine bekannteste Arbeit ist die nach ihm benannte Gleichung, die Karplus-Beziehung. Karplus hat die österreichische und die US-amerikanische Staatsangehörigkeit.

Michael Levitt

Michael Levitt wurde am 9. Mai 1947 im südafrikanischen Pretoria geboren. Er studierte Physik und promovierte 1971 an der University of Cambridge (England). Dann forschte er eine längere Zeit in Israel. Spätestens dort schwenkte Levitt endgültig in die Chemie um. Wie Arieh Warshel erforschte er am Weizmann-Institut, wie sich Atome in Molekülen bewegen, um am Computer chemische Reaktionen zu simulieren. Diese Frage ließ ihn bis heute nicht los. Derzeit ist er Professor für Krebsforschung an der Stanford University School of Medicine in Kalifornien. Der Strukturbiologe hat sowohl die britische als auch die US-amerikanische Staatsangehörigkeit.

Arieh Warshel

Arieh Warshel wurde am 20. November 1940 im Kibbuz Sde-Nahum geboren. Warshel studierte bis 1966 an der Technion-Hochschule in Haifa. Sein Doktorat absolvierte er 1969 am Weizman-Institut in Rechovot, Israel. Seine Forschungsgebiete sind die Chemie, die Biochemie und Biophysik. Sein Steckenpferd sind Computersimulationen von Funktionen biologischer Systeme. Er ist Mitglied der US-amerikanischen National Academy of Sciences. 2012 erhielt er den RSC Soft Matter and Biophysical Chemistry Award. Warshel ist Professor an der University of Southern California. Warshel hat die israelische und US-amerikanische Staatsangehörigkeit.

"Die Arbeit von Karplus, Levitt und Warshel ist bahnbrechend, weil es ihnen gelang, die klassische Physik nach Newton mit der grundlegend verschiendenen Quantenphysik zu vereinbaren."

Nobelpreis- Jury

Die Jury lobte, dass es den Wissenschaftlern mit ihrer Arbeit gelungen sei, "das Beste aus beiden Welten" in einer Vorgehensweise zu integrieren. Chemiker müssten sich, wenn sie Computermodelle nutzten, nicht mehr zwischen den beiden entscheiden. Und die Computermodelle haben der Jury zufolge in vielfacher Hinsicht praktischen Nutzen: Sie kämen unter anderem in der chemischen Industrie, bei der Optimierung von Solarzellen, bei Fahrzeugkatalysatoren oder der Medikamentenentwicklung zum Einsatz.

Wichtig für die Entwicklung von Medikamenten

Helmut Grubmüller, Direktor am Max-Planck-Institut für biophysikalische Chemie in Göttingen, ist der Meinung, dass die Methode der drei Forscher vor allem für die Entwicklung von Medikamenten in Zukunft noch wichtiger werde. Denn es gibt jetzt schon ein paar neuere Medikamente, die mithilfe dieser Technik mitentwickelt wurden. "Das hat zum Beispiel mitgeholfen, einen Mix an Medikameten für Aids-Patienen zu entwickeln", so Grubmüller.

Grundstein der Forschung in Israel?

Kurz nach der Vergabe des Nobelpreises an die drei Forscher meldete sich ein israelischer Kollege, Amnon Horovitz, zu Wort, der am Weizman-Institut in Israel arbeitet. Horovitz betonte, dass die Grundlagen für die Forschung der drei Wissenschaftler am Weizman-Institut gelegt worden seien. Arieh Warshel und Michel Levitt hätten Ende der 1970er-, Anfang der 1980er-Jahre am Weizmann-Institut unter dem damaligen Leiter der Einrichtung, Shneor Lifson, gearbeitet. "Martin Karplus war damals zu einem Sabbatical hier", so Horovitz in einem Interview mit dem israelischen Rundfunk.

Nobelpreis-Übergabe am 10. Dezember

Die Preisträger werden vom Nobelpreis-Komitee am Karolinska-Institut in Stockholm bekannt gegeben. Jeder der Nobelpreise ist mit acht Millionen Schwedischen Kronen, fast 925.000 Euro, dotiert, die sich die Preisträger eines Faches teilen. Die Nobelpreise werden am 10. Dezember überreicht.

Deutsche Preisträger und Preisträgerinnen

Chronik: Chemie-Preisträger der vergangenen Jahre

  • 2012: Robert J. Lefkowitz (USA) und Brian K. Kobilka (USA) für die Entdeckung der Wirkungsweise G-Protein-gekoppelter Rezeptoren in Zellen
  • 2011: Dan Shechtman (Israel) für die Entdeckung der Quasikristalle
  • 2010: Richard F. Heck (USA), Ei-ichi Negishi  (Japan) und Akira Suzuki (Japan) für die Verbindung von Kohlenstoffatomen zu komplexen Molekülen
  • 2009: Venkatraman Ramakrishnan (USA), Thomas A. Steitz (USA) und Ada E. Jonath (Israel) für die Forschung zur Erbinformation in den Proteinen
  • 2008: Der in den USA forschende Japaner Osamu Shimomura und die beiden US-Amerikaner Martin Chalfie und Roger Tsien für die Entdeckung des grün fluoreszierenden Proteins GFP.
  • 2007: Gerhard Ertl (Deutschland) für seine Arbeiten zu chemischen Prozessen auf festen Oberflächen. Damit habe er die Grundlagen für die moderne Oberflächenchemie geschaffen.
  • 2006: Roger D. Kornberg (USA) für die Erforschung, wie die Zelle aus dem Bauplan in den Genen fertige Proteine herstellt.
  • 2005: Yves Chauvin (Frankreich), Robert H. Grubbs (USA) und Richard R. Schrock (USA) für die Entwicklung neuer Reaktionswege in der organischen Chemie, unter anderem zur Produktion von Plastik und Arzneien.
  • 2004: Aaron Ciechanover und Avram Hershko (beide Israel) sowie Irwin Rose (USA) für die Entdeckung eines lebenswichtigen Prozesses zum Abbau von Proteinen im Körper.
  • 2003: Peter Agre (USA) und Roderick MacKinnon (USA) für die Erforschung von Ionen- und Wasserkanälen der Körperzellen.
  • 2002: John B. Fenn (USA), Koichi Tanaka (Japan) und Kurt Wüthrich (Schweiz) für ihre Methoden zum Vermessen von biologischen Molekülen.
  • 2001: William S. Knowles (USA), Barry Sharpless (USA) und Ryoji Noyori (Japan) für die Beschreibung neuer Katalysatoren.

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