Wo wir sterben wollen Am liebsten zu Hause, doch oft im Krankenhaus
Die meisten Menschen wollen zu Hause sterben, im Kreise ihrer Familie. In der Realität aber sterben wir häufig im Krankenhaus. Die Palliativmedizin bietet einen Zwischenweg der Sterbebegleitung, den immer mehr Menschen wählen.
Es ist vor allem die Angst vor der Zeit des eigenen Sterbens, die Menschen davon abhält, sich Gedanken über den Tod zu machen. Wir alle wollen einen leidlosen und möglichst schnellen Tod sterben, das beweisen Umfragen immer wieder. Die meisten Menschen sterben heute in Krankenhäusern und Pflegeheimen, der Tod ist dorthin quasi verdrängt worden. Vielen fehlt dadurch die Erfahrung, dass Sterben zum Leben gehört und daher lernen die Menschen nicht, mit Verlusten umzugehen. Wenn ein geliebter Mensch stirbt, trifft das Angehörige mit großer Wucht - und ohne, dass Trauer "gelernt" wurde.
Der Umgang mit Trauer und Tod hat sich verändert
Doch mittlerweile wird in unserer Gesellschaft allmählich wieder über den Tod nachgedacht und geredet: Die Hospizbewegung ist seit den 1980er-Jahren bei uns aktiv, immer mehr Hospize sind entstanden und entstehen noch. Der Wille von Sterbenden wird geachtet durch die gesetzliche Verankerung der Patientenverfügung. In den vergangenen zwei Jahrzehnten hat sich außerdem eine Kultur der Trauerbegleitung entwickelt und es gibt heute eine Vielfalt an Unterstützungsangeboten für Trauernde. Viele Menschen wählen neue Bestattungsarten - zum Beispiel eine Urnenbestattung in sogenannten Ruhewäldern. All das zeigt einen neuen Umgang mit Sterben und Tod.
Wo wir sterben wollen
In Deutschland gibt jede/r Zweite an, zu Hause sterben zu wollen. Das ist das Ergebnis einer repräsentativen Umfrage des Deutsche Hospiz- und Palliativverbands (DHPV) vom Jahr 2022. Die Realität sieht so aus, dass knapp die Hälfte der Deutschen im Krankenhaus sterben (44 Prozent). Allerdings ist die Zahl derjenigen, die ihre letzten Tage zu Hause verbringen, in den vergangenen fünf Jahren um zehn Prozent gestiegen, von 23 auf 34 Prozent. Zuhause zu sterben oder alternativ in einer Einrichtung der Sterbebetreuung, betrachten 80 bzw. 84 Prozent als besonders würdevoll.
Mit Begleitung könnten die meisten Menschen zu Hause sterben
Palliativmedizin
Palliativmedizin dient der Lebensqualität von Patienten und ihren Familien, die mit den Problemen konfrontiert sind, die mit einer lebensbedrohlichen Erkrankung einhergehen, und zwar durch Vorbeugen und Lindern von Leiden, durch frühzeitiges Erkennen, gewissenhafte Einschätzung und Behandlung von Schmerzen sowie anderen belastenden Beschwerden körperlicher, psychosozialer und spiritueller Art (WHO-Definition).
Der Wunsch, zu Hause sterben zu dürfen, ist - aus medizinischer Sicht kein unrealistischer Wunsch: Der Palliativmediziner Gian Domenico Borasio schreibt in seinem Buch "Über das Sterben", dass in geschätzt 90 Prozent der Fälle Menschen mit Begleitung eines geschulten Hausarztes und eventuell mit der Unterstützung von Hospizfachkräften gut versorgt zu Hause sterben könnten.
Doch viele Ärzte empfinden den Tod eines Patienten immer noch als narzisstische Kränkung, so Borasio. Und setzen alle lebenserhaltenden Maßnahmen ein, die die moderne Medizin kennt. Ein Vorgehen, das oft viel Leid über todkranke Patienten bringt. Doch langsam findet ein Umdenken bei vielen Medizinern statt. Mittlerweile ist die "Palliativmedizin" Pflichtfach im Medizin-Studium und immer mehr Ärzte unterstützen schwerkranke, sterbende Menschen in ihrem Wunsch nach einem selbstbestimmten, aber betreuten, schmerzmedizinisch begleiteten Lebensende zu Hause.
"Es gibt erstaunlich viele Parallelen zwischen Geburts- und Sterbevorgang. Es sind beides physiologische Vorgänge, für welche die Natur Vorkehrungen getroffen hat, damit sie möglichst gut ablaufen. Beide laufen in den meisten Fällen am besten ab, wenn sie durch ärztliche Eingriffe möglichst wenig gestört werden."
Gian Domenico Borasio, Palliativmediziner: Über das Sterben, München 2011
Palliativmedizinische Versorgung hat sich verbessert
Wer zu Hause stirbt, kann eben bis zu seinem Tod zu Hause schmerzmedizinisch betreut werden. Mittlerweile gibt es sogenannte SAPV-Teams (SAPV steht für Spezialisierte Ambulante Palliativversorgung), die Patienten mobil versorgen. Alle Krankenversicherten haben seit 2007 einen rechtlichen Anspruch darauf. Wobei die Krankenkassen viele der Anträge auf eine ambulante Palliativversorgung ablehnen, wie Borasio schreibt. Er rät Angehörigen und Patienten, notfalls darum zu kämpfen, begleitet zu Hause sterben zu können.
Auf manches ist man als Angehöriger nicht gefasst, wenn man mit dem Tod konfrontiert wird und hätte im Nachhinein anders gehandelt. Die Erfahrungen aus dem Freundeskreis der Autorin zeigen das:
Begegnungen mit dem Tod
Weitere Infos und Sendungen zum Thema Trauer
- "Bestattungsrituale - Wie gehen wir mit unseren Verstorbenen um?": Planet Wissen, ARD alpha, 15.11.2024, 22.55 Uhr
- "Das Geschäft mit der Trauer - Bestatter unter Druck": alpha-thema: Abschied, ARD alpha, 24.10.2024, 21.45 Uhr
- "alpha-thema Gespräch: Vom Abschied nehmen": alpha-thema: Abschied, ARD alpha, 23.10.2024, 22.35 Uhr
- "Ich lass dich gehen - Wenn die Eltern sterben": alpha-thema: Abschied, ARD alpha, 23.10.2024, 21:50 Uhr
- "Ist gutes Sterben möglich?": alpha-thema: Abschied, ARD alpha, 23.10.2024, 21.00 Uhr
- "Junge Trauer - Wenn man früh einen geliebten Menschen verliert": Die Lösung, PULS, BR, 08.06.2023
- "Trauer: Wo finden Hinterbliebene Unterstützung?": Gesundheit! BR Fernsehen, 25.04.2023, 19.00 Uhr
- "Abschied und Trauer": radioWissen, BAYERN 2, BR, 22.02.2023, 9.05 Uhr
- "Trauer 4.0 - Wie wir heute enden wollen": alpha-thema: Die letzte Reise, ARD alpha, 18.02.2022, 14.15 Uhr
- "Trauer - Wenn die Eltern sterben": Familientreffen, NDR Info, 01.02.2023
- "Trauer - Neuer Umgang mit einem altbekannten Gefühl": radioWissen, BR, 28.04.2021
- "Zwischen Trauma und Trauer": STATIONEN, BR Fernsehen, 08.11.2017, 19.00 Uhr