Demenz bei Haustieren Wenn Hund und Katze ihr Futter nicht mehr finden

Von: Constanze Alvarez

Stand: 24.07.2024

Unruhige Nächte, Orientierungslosigkeit, Angstzustände - die Anzeichen von Demenz sind bei Hund und Katze ähnlich wie bei Menschen. Heilbar ist die Krankheit nicht, sie lässt sich jedoch hinauszögern. Was ihr tun könnt, um eurem Haustier zu helfen.

Ein Mädchen zeigt ihrer Katze das Katzenfutter. Auch Hunde und Katzen können an Demenz erkranken. Die Krankheit ist nicht heilbar, lässt sich aber hinauszögern. Was ihr tun könnt, um eurem Haustier zu helfen. | Bild: picture alliance / dpa Themendienst | Ina Fassbender

Alterserscheinung bei Hunden und Katzen: Wie häufig kommt Demenz bei Haustieren vor?

Nicht nur Menschen, auch Haustiere werden in Deutschland immer älter. Das liegt sowohl an einer immer besser werdenden medizinischen Versorgung als auch am besseren Futter. Diese an sich positive Entwicklung hat auch ihre Schattenseiten: Je älter die Tiere werden, desto höher steigt das Risiko zu erkranken. Beispielsweise an Demenz. Experten gehen davon aus, dass ungefähr ein Drittel der Hunde, die zwischen elf und zwölf Jahre alt sind, an Demenz erkrankt. "Bei Hunden mit 15 bis 16 Jahren sind es schon 70 Prozent", sagt Tierneurologin Nina Meyerhoff. Sie arbeitet an der Klinik für Kleintiere an der Tierärztlichen Hochschule Hannover. Man könne also davon ausgehen, dass im hohen Alter rund jeder zweite Hund von Demenz betroffen ist.

Audio: Leidet eure Katze oder euer Hund unter Demenz?

Demenz bei Haustieren: Wenn die Katze plötzlich die Wand anschreit

Symptome: Wie erkenne ich, ob mein Hund oder meine Katze Demenz hat?

Eine Demenz bei Hunden oder Katzen ist nicht leicht zu diagnostizieren. Die ersten Zeichen, der sogenannten "kognitiven Dysfunktion" werden oft übersehen. Wie beim Menschen gleicht die Erkrankung einem schleichenden Prozess. Aber es gibt bestimmte Symptome, die auf eine mögliche Erkrankung hinweisen. Dazu gehört der Verlust der Orientierung: Die Tiere finden sich räumlich nicht mehr so gut zurecht, erklärt Tierneurologin Nina Meyerhoff: "Katzen finden plötzlich ihre Toilette nicht mehr, oder sie wollen nach draußen, stehen aber vor der falschen Tür."

Auch die soziale Interaktion verändert sich. Manche Tiere ziehen sich zurück, wollen nicht mehr gekrault werden. Andere - das gilt besonders für Katzen - werden anhänglich und können kaum noch alleine sein. Ein weiterer Hinweis: Der Schlaf-Wach-Rhythmus gerät durcheinander. Die Tiere schlafen exzessiv am Tag und wandern nachts unruhig im Haus herum, miauen oder bellen viel. "Das ist natürlich sehr belastend für alle Beteiligten", erklärt Tierneurologin Nina Meyerhoff.

Demente Tiere sind häufig nicht mehr stubenrein, setzen Kot oder Urin in der Wohnung oder an ungewohnten Orten ab, "beispielsweise plötzlich auf Beton, was der Hund vielleicht vorher nie gemacht hätte", erklärt Meyerhoff. Darüber hinaus sind Tiere, die an kognitiver Dysfunktion leiden, weniger erkundungsfreudig, weniger interessiert an Spielen oder anderen Aktivitäten. Stattdessen kann es vorkommen, dass sie aus unerfindlichen Gründen ausgiebig an Möbeln kratzen oder Löcher in die Erde graben. Besonders belastend für die Besitzer: Wie bei dementen Menschen nimmt auch bei Tieren das Angstverhalten zu. "Plötzlich treten Ängste auf, die vorher nicht da waren, die man sich nicht durch irgendein Erlebnis erklären kann", sagt Tierneurologin Nina Meyerhoff.

Video: Wie sich das Verhalten von dementen Haustieren ändert

Demenz bei Haustieren: Wie verändert die Erkrankung euren Alltag als Tierbesitzer?

Hund "Wild Thing" hat den ersten Platz beim "World's Ugliest Dog"-Wettkampf in Petaluma, Kalifornien, am 21. Juni 2024 gewonnen. Auch Hunde und Katzen können an Demenz erkranken. Die Krankheit ist nicht heilbar, lässt sich aber hinauszögern. Was ihr tun könnt, um eurem Haustier zu helfen. | Bild: picture alliance / ASSOCIATED PRESS | Nic Coury

Wenn ein Haustier an Demenz erkrankt ist, kann sich sein Verhalten ändern. Gewohnte Alltagsroutinen sind oft nicht mehr möglich.

Wenn ein Haustier an Demenz erkrankt, ist das für die Besitzer ein ziemlicher Einschnitt, "weil man das eigene Leben drumherum organisieren muss", erklärt Nina Meyerhoff. An der Tierärztlichen Klinik Hannover bietet die Neurologin eine Sprechstunde für betroffene Tierbesitzer an. Neben den vielen praktischen Umstellungen kommt die Trauer hinzu. Darüber, dass das Verhalten des Hundes oder der Katze sich verändert, dass bestimmte liebgewonnene Rituale nicht mehr möglich sind, weil sich das Tier nicht mehr daran erinnern kann.

Ein dementes Tier zu pflegen, bedeutet eine große Einschränkung für den Besitzer, ähnlich wie wenn man einen Verwandten pflegt. "Urlaube sind vielleicht nicht mehr ohne Weiteres möglich", sagt Tierärztin Nina Meyerhoff. Und die vielen Tierarztbesuche können zum finanziellen Problem werden. Manche Besitzer, die in ihre Sprechstunde kommen, hätten ein schlechtes Gewissen: "Sie fragen sich: Mache ich genug? Habe ich etwas falsch gemacht? Hätte ich das verhindern können?"

Andere fühlen sich von ihrer Umgebung nicht verstanden und alleingelassen, weil sie sich so "aufopfernd" um ihr krankes Haustier kümmern. Viele Tierbesitzer ziehen jedoch eine Befriedigung daraus, ein Gefühl der Nähe, wenn sie sich so intensiv um ihren Hund oder ihre Katze kümmern, sagt Meyerhoff. Sie fühlen sich gebraucht und möchten, dass es ihren Schützlingen im Alter so gut wie möglich geht.

Demenz vorbeugen: Was könnt ihr tun, damit euer Haustier nicht dement wird?

Es gibt ein paar schützende Faktoren, auf die man achten sollte, schon bevor die Krankheit auftritt. Dazu gehören ein gesundes Gewicht und eine anregende Umgebung. "Bei Katzen, die sehr reizarm leben, beispielsweise als Einzelkatze in einer Einzimmerwohnung, besteht ein größeres Risiko, an Demenz zu erkranken", sagt Nina Meyerhoff. Da helfe es, regelmäßig Spiele anzubieten oder eben zwei Katzen zu halten, wenn die Räumlichkeiten das zulassen. Allgemein gilt bei Menschen wie bei Tieren: Das Hirn will trainiert werden. Auch Hunde brauchen regelmäßig eine Aufgabe, wie beispielsweise Suchspiele oder andere Übungen, bei denen die Vierbeiner eine positive Bestätigung erleben.

Ab einem Alter von neun Jahren sollte auch die Ernährung angepasst werden. Vitamin-B und bestimmte Fettsäuren, mit einem hohen Anteil an Antioxidantien, wie sie beispielsweise in Kokosöl enthalten sind, haben eine schützende Wirkung auf bestimmte Hirnfunktionen. "Ich nenne das immer die Hautcreme fürs Gehirn", fasst Nina Meyerhoff zusammen. Bei Anzeichen einer beginnenden Demenz sollte der Tierarzt aufgesucht werden, auch, um andere möglichen Erkrankungen auszuschließen, die zu einem veränderten Verhalten führen könnten.

Video: Sechs spannende Fakten über Hunde

Leben mit Demenz: Wie kann ich meinem dementen Hund oder meiner dementen Katze helfen?

Hund schaut traurig in die Kamera. Auch Hunde und Katzen können an Demenz erkranken. Die Krankheit ist nicht heilbar, lässt sich aber hinauszögern. Was ihr tun könnt, um eurem Haustier zu helfen. | Bild: picture alliance/Zoonar/Kay Augustin

Demente Haustiere brauchen viel Pflege, Geduld und Empathie.

Um den zunehmend orientierungslosen Hunden oder Katzen Halt zu geben, rät Tierärztin Svenja Joswig dazu, den Alltag möglichst gut zu strukturieren und so stressfrei wie möglich zu gestalten. Dazu gehört: Lieber kürzer und häufiger Gassigehen, das hilft Hunden, die nicht mehr ganz stubenrein sind, rechtzeitig ihr Geschäft zu machen. Vorsichtshalber den Hund an der Leine ausführen und immer mal wieder andere Wege gehen, das trainiert das Hundehirn. Für einen ruhigen Schlafplatz sorgen. "Falls das Tier nachts unruhig in der Wohnung umherwandert, den Bewegungsradius begrenzen, zum Beispiel auf ein bestimmtes Zimmer", sagt die Spezialistin für geriatrische Tiermedizin Svenja Joswig. Auch eine gedämpfte Geräuschkulisse, wie beispielsweise ein laufendes Radio im Hintergrund, kann beruhigend auf einen verängstigten Hund wirken. Katzen sollte der Weg zur Lieblingsfensterbank erleichtert werden und auch der Zugang zu Futter und Wasser.

Die Pflege eines alten, dementen Tieres ist aufwendig und kann anstrengend sein. Umso wichtiger ist es, sich immer wieder vor Augen zu halten, dass das Tier nichts für seine Erkrankung kann. Wie bei einem kranken Angehörigen ist also immer wieder Geduld und Empathie gefragt.

Demenz bei Haustieren: Können Medikamente dementen Hunden und Katzen helfen?

Gegen starke oder wiederkehrende Angstzustände helfen Medikamente, wobei das Angebot noch überschaubar ist, die Forschung steckt noch in den Kinderschuhen. Für Hunde ist bisher ein einziges Präparat zugelassen, Selegelin. "Das ist im Prinzip ein Psychopharmakon, das sich auf den Botenstoffhaushalt im Hirn auswirkt", erklärt Tierneurologin Nina Meyerhoff.

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