Aufräum-Tipps Warum Ausmisten gut für die Psyche ist

Von: Sylvaine von Liebe

Stand: 13.08.2024

Umzug, Todesfall, Neustart - die Gründe, warum wir ausmisten oder aufräumen wollen, sind so vielfältig wie die Gegenstände, die weg- oder aufgeräumt werden sollen. Wie euch das Aufräumen gelingt und warum radikales Ausmisten gut für eure Seele ist.

Eine junge Frau sortiert Kleider aus. Wir haben Tipps, die euch beim Aufräumen und Ausmisten helfen und erklären, warum Ordnung nicht nur eurer Seele guttut. | Bild: Colourbox

Tipps: So könnt ihr euch zum Ausmisten motivieren

Wie schaffe ich es, mit dem Aufräumen und Ausmisten anzufangen? Diese Frage habt ihr euch sicher auch schon einmal gestellt. Und, weil Aufräumen und Ausmisten für die meisten unangenehm ist, fangen sie erst gar nicht damit an. "Ausmisten fällt uns deshalb so schwer, weil man Entscheidungen treffen muss", bestätigt Petra Jagow, Coach und Wirtschaftspsychologin in Köln. Für die Motivation zum Aufräumen und Ausmisten brauche es, wie bei vielen Veränderungen im Leben, "eine dramatische Zuspitzung, […] einen Aufhänger, der mir zeigt, es wäre doch gut, ich würde mehr Ordnung halten." Wichtig sei, laut Jagow, selbst zu erkennen, "dass es meine Verantwortung ist, meine Dinge in Ordnung zu halten", sagt die Psychologin.

Für Rita Schilke, Aufräumcoach in Berlin und München, ist diese Erkenntnis "der erste Schritt" bei einer Aufräum- und Ausmistaktion. Sie stellt ihren Kunden, die sie zum Ausmisten und Aufräumen bestellen, Fragen wie: "Was belastet Sie, wenn es ums Thema Aufräumen geht?" Und: "Was hätten Sie denn gerne?" Wenn die Kunden dann sagen: "Ich möchte, dass alles schön ist, alles ordentlich", sagt ihnen Schilke: "Gut, dann fangen wir einfach an." Die Aufräum-Expertin sagt aber auch, bei älteren Menschen sei die Motivation nach ihrer Erfahrung schwieriger als bei jüngeren.

Für die Psychologin Jagow ist eine gute Vorausplanung wichtig, um leichter mit dem Aufräumen und Ausmisten anzufangen. Es sei sinnvoll, sich konkrete Ziele mit einem bestimmten Zeitfenster zu setzen und schon im Vorfeld zu überlegen, ob ich die auszumistenden Gegenstände verkaufen, verschenken oder wegwerfen könne. Jagow warnt aber davor, übermotiviert zu sein: Man dürfe nur seine eigenen Sachen wegwerfen. "Ich darf nicht dem Partner etwas wegwerfen. Das gibt richtig Ärger in der Beziehung." Und sie warnt auch Eltern, insbesondere Mütter, für ihre Kinder aufzuräumen. Damit tue man dem jungen Menschen keinen Gefallen, "denn der muss seine eigene Ordnung entwickeln", sagt sie.

Audio: Wie ihr erfolgreich aussortiert, ausmistet und aufräumt

Alles raus: Wie Wegschmeißen und Aufräumen gelingen

Radikal ausmisten: Wie fange ich mit dem Aufräumen an?

Wer im Chaos seiner Wohnung erstickt, weiß oft nicht, wo er mit dem Ausmisten und Aufräumen anfangen soll. Aufräumcoach Rita Schilke und die Psychologin raten beide: Nicht zu große Ziele setzen. Mit einfachen Dingen anfangen. Etwa mit dem überfüllten Küchentisch, wo "das Herz nicht dranhängt", wie die Berlinerin sagt. Den größten Fehler, den Menschen nach ihrer Erfahrung machten, sei, dass sie immer nur Dinge von A nach B räumen, sie irgendwohin verstauen. "Wir müssen Dinge aussortieren, die unnütz sind in unserer Wohnung", gibt sie als Tipp.

So könnt ihr beim Ausmisten vorgehen

Damit das gelingt, schaut sie mit ihren Kunden gemeinsam "jedes Teil" in der Wohnung an und die Gegenstände werden in die Hand genommen. "Und dann soll der Kunde selbst spüren. Braucht er es noch? Ist es wichtig? Wird es benutzt? Würde ich es vermissen? Und dann kommt er auf die Antwort. Und wenn er sagt: Ja, das brauche ich, das wird benutzt, dann wird es erst mal beiseite gepackt, und so gehen wir den ganzen Schrank durch", beschreibt Schilke ihre Vorgehensweise. Dabei kommen gleiche Gegenstände auf den gleichen "Haufen". Zum Beispiel Gläser kommen zu Gläsern, Küchenmaschinen zu Küchenmaschinen. Sachen, die ausgemistet werden sollen, kommen an eine separate Stelle, ist Schilkes Methode. Sie empfiehlt: Sachen, die täglich gebraucht werden, auf Augenhöhe zu stellen. Und, damit die Ordnung bleibt, empfiehlt sie: "Jedes einzelne Teil in einer Wohnung muss einen festen Platz haben". Und: Wenn ein neuer Gegenstand, etwa ein Kleidungsstück kommt, muss ein alter gehen. Dazu rät auch die Psychologin Jagow. Sie betont aber auch: "Ich muss es wirklich gut planen, damit ich beim Tun idealerweise in so eine Art Flow komme. Also, dass es mir leichter und leichter von der Hand geht. Wenn ich nämlich einmal drin bin im Entscheidungen treffen, läuft das wie von selbst."

Audio: Warum fällt es schwer, sich von Dingen zu trennen?

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Nachgefragt: Welche Fehler werden beim Ausmisten oft gemacht?

Portrait von Rita Schilke, Aufräumcoach in Berlin und München. Aufräumen, radikal ausmisten - das schaffe ich nie. Doch! Tipps, die euch fürs Aufräumen und Ausmisten helfen und warum Ordnung nicht nur eurer Seele guttut. | Bild: Angelika Jürgens

"Ich weiß, was die Leute machen. Sie räumen von A nach B, räumen einfach nur auf. Aber es ist was ganz anderes. Wir müssen aussortieren, Dinge aussortieren, die unnütz sind in unserer ganzen Wohnung."

Rita Schilke, Aufräumcoach in Berlin und München

Audio: Aufräumen - warum es schwerfällt und so guttut

Aufräumen und Psychologie: Warum es so schwerfällt und so guttut

Ausmisten: Warum fällt uns das Aufräumen so schwer?

Die Psychologin Jagow bringt es auf einen Punkt: Je mehr Dinge, desto mehr Ballast für uns. Und: "Dinge […], die mir kein gutes Gefühl geben, da erinnere ich mich auch immer daran, dass da irgendetwas nicht stimmt", erklärt die Wirtschaftspsychologin. Geschenke etwa, die man widerwillig angenommen hat oder Kleider im Kleiderschrank, in die man nicht mehr reinpasst. "Und man muss sich dem ja stellen, wenn man das angeht. Und das scheuen viele", sagt Jagow.

Ist Ausmisten gesund?

Die Studienlage dazu ist dünn. Es gibt Erkenntnisse, dass ein aufgeräumtes zu Hause den Stress reduziert und weniger depressiv macht. Oder andersherum: Chaos verursacht unter anderem Stress und Depressionen. Das ist auch die Erfahrung der beiden Aufräumexpertinnen. Eine Langzeitstudie zeigt auch, dass die Herzkranzgefäße bei Menschen mit einer aufgeräumten Wohnung gesünder sind als von Menschen mit Unordnung. "Aber es ist nicht so, dass man sagen kann, das ist stichhaltig, bis auf die vierte Stelle nach dem Komma nachweisbar", gibt die Psychologin Petra Jagow zu bedenken. Sicher ist aber: Aufräumen tut uns gut, Unordnung nicht, das belegen zahlreiche Studien.

Nachgefragt: Wie wirken sich Aufräumen und Ausmisten auf die Psyche aus?

Portrait von Petra Jagow, Coach und Wirtschaftspsychologin in Köln. Aufräumen, radikal ausmisten - das schaffe ich nie. Doch! Tipps, die euch fürs Aufräumen und Ausmisten helfen und warum Ordnung nicht nur eurer Seele guttut. | Bild: Johannes Haas

"Aufräumen ist gesund, weil es Klarheit bringt. Darüber hinaus ist es so, dass ich mich auch belohne. Also ich kriege ein gutes Gefühl, wenn ich aufräume. Ich bin stolz auf mich, weil ich das endlich angepackt habe und das schaffe. Dann kommt durch diese Veränderung auch ein gewisser Schwung rein. Ich erkenne plötzlich, die Ecke ist frei."

Petra Jagow, Coach und Wirtschaftspsychologin

Warum Aufräumen wichtig ist: Unordnung belastet und lähmt

Ausmisten und aufräumen: Wie wirkt Unordnung auf die Psyche?

Aufräumen und ausmisten: Gibt es wirklich unterschiedliche Ordnungstypen?

Gibt es den Chaoten, der eher kreativ ist, oder den Minimalisten, der eher streng ist? Wie wir aufräumen und ob, sagt tatsächlich einiges über unsere Psyche aus. Mit unserem Aufräumverhalten bilden wir laut Jagow immer auch unsere Vorstellung von der Welt ab. Der Minimalist, bei dem nichts Unnötiges rumliegen darf, der Messi, der sich von nichts trennen kann oder der Sammler. "Das ist auch eine Art und Weise, sich die Welt anzueignen, zu sagen: Guck mal, ich habe diese Dinge. Ich bin reich", sagt dazu die Psychologin.

Aufräumen und Partnerschaft: Oft steckt hinter Streit um Ordnung mehr als Unordnung

Liegengelassene Socken, offene Zahnpastatuben oder volle Wäschekörbe - euch stört das und euren Partner oder eure Partnerin nicht? In Paarbeziehungen sorgt das Thema Ordnung regelmäßig für Ärger. Oft geht es jedoch gar nicht um die volle Spülmaschine oder die ungewaschene Wäsche, sondern um etwas anderes in der Beziehung, darauf weisen die Oberberg Kliniken in einer Pressemitteilung hin. Zum Beispiel um Respekt in der Partnerschaft, eine gerechte Aufgabenverteilung oder Erwartungen, die ihr an den anderen habt. Arbeitet euch deshalb nicht am Konflikt nach mehr Ordnung ab. Schaut genauer hin, setzt euch mit dem Partner / der Partnerin zusammen und besprecht das Problem. Wenn nötig, holt euch Rat bei einem Experten oder einer Expertin.

Wenn es wirklich um Ordnung als Streitthema geht, kann es nach Angaben der Oberberg Kliniken helfen, wenn ihr eigene Bedürfnisse formuliert und Kompromisse eingeht, anstatt Vorwürfen zu machen. Vielleicht gibt es Bereiche, bei denen euch Ordnung besonders wichtig ist und in anderen Bereichen könnt ihr Unordnung leichter ertragen? Habt nicht zu hohe Erwartungen, dass sich euer Partner oder eure Partnerin ändert: Ein ordentlicher Mensch bleibt in der Regel ein ordentlicher Mensch und aus einer unordentlichen Person wird eher selten plötzlich ein Ordnungsliebhaber.

Video: Motivation finden und Ausmisten - so schafft ihr es

Tipps zum Ordnung halten: Wie kann ich am besten aufräumen und ausmisten? 

  • Plant am besten schon bevor ihr anfangt, was ihr verschenken oder wo verkaufen wollt und was wohin entsorgt oder erst mal gelagert werden soll. Dann fällt der Einstieg leichter.
  • Nehmt euch nicht zu viel vor. Fangt mit kleinen Zielen an, mit "einer umgrenzten Fläche", wie die Psychologin Jagow sagt, damit ihr auch ein "Erfolgserlebnis" habt, etwa mit dem Aufräumen des Küchentischs oder dem Ausmisten einer Schublade. Nehmt euch aber etwas Konkretes für einen bestimmten Zeitraum vor.
  • Nehmt beim Ausmisten und Aufräumen jedes "Teil" in die Hand, am besten nur einmal und entscheidet: Brauche ich es wirklich? Kann es weg? Verschenke ich es?
  • Aufräumcoach Rita Schilke empfiehlt, wie sie es bei ihren Kunden tut: Nur maximal drei Stunden aufräumen. Mehr überfordere uns, sagt sie, und "was uns überfordert, merkt sich unser Gehirn. Und das hindert uns am Weitermachen".
  • ABER: Räumt nicht die Sachen eures Partners weg. "Das gibt richtig Ärger in der Beziehung", warnt die Psychologin Jagow.
  • UND: Eltern sollten nicht für ihre erwachsenen Kinder aufräumen, ist ein weiterer Tipp von Jagow. Die müssten ihre "eigene Ordnung entwickeln", erklärt sie.

Und: Damit die Ordnung bleibt:

  • Beachtet eine Grundregel, die Schilke und Jagow nennen: Wenn was Neues kommt, muss etwas Altes gehen.
  • Überdenkt euer Kaufverhalten und fragt euch beim Einkaufen immer: Brauche ich das wirklich?
  • Vermeidet Billigläden, wenn ihr fürs Kaufen anfällig seid.
  • Schenkt den Leuten lieber Zeit als Mitbringsel, ist der Rat von Rita Schilke. Die Mitbringsel bleiben nämlich meist in eurer Wohnung.
  • Jedes "Teil" in eurem Zuhause sollte einen festen Platz haben.
  • Geht nie mit leeren Händen aus der Wohnung. Man finde immer was zum Wegschmeißen bzw. Aussortieren, sagt Aufräum-Expertin Rita Schilke.

Mehr Wissen: Quellen, weiterführende Infos und Sendungen zum Thema Aufräumen und Ausmisten

Quellen:

Weiterführende Infos:

  • "Simplify your Life - Einfacher und glücklicher leben", Küstenmacher, Werner Tiki; Seiwert Lothar J., Campus Verlag, Frankfurt, 2001.
  • "Feng Shui gegen das Gerümpel des Alltags: Richtig ausmisten - Gerümpelfrei bleiben", Kingston, Karen; Schilasky Sabine; Rowohlt Taschenbuch, Hamburg, 2014.
  • "Magic Cleaning: Wie richtiges Aufräumen Ihr Leben verändert", Kondo, Marie; Dr. Lubitz, Monika, Rowohlt Taschenbuch, Hamburg, 2013.

Sendungen: